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In eigener Sache

Ratzinger-Nachruf: Noch immer wird gegen queer.de ermittelt

Vor genau zwei Monaten erfuhren wir, dass gegen unsere Redaktion wegen der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" ermittelt wird. Das skandalöse Verfahren wurde noch immer nicht eingestellt.


Der deutsche Kardinal Joseph Ratzinger alias Papst Benedikt XVI. war vom 19. April 2005 bis zu seinem Amtsverzicht am 28. Februar 2013 Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche (Bild: IMAGO / ZUMA Wire)

Vor genau zwei Monaten, am 6. Januar 2023, bekamen wir eine E-Mail der Berliner Polizei. Eine Oberkommissarin informierte uns, dass sie gegen queer.de wegen des Verdachts der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" ermittelt. Grund ist unser am Silvestertag veröffentlichter Nachruf auf den emeritierten Papst Benedikt XVI. "Mit Ratzinger starb einer der größten queerfeindlichen Hetzer". Frau K. wollte wissen, wer den Text geschrieben hat.

Die Ermittlungen und die Aufforderung, das tatverdächtige Redaktionsmitglied zu outen, ausgelöst durch eine Onlineanzeige einer unbekannten Person, sind in vielerlei Hinsicht ein Skandal. Sie sind ein Angriff auf die Pressefreiheit. Die Polizeioberkommissarin hat sich missbrauchen lassen für den leicht durchschaubaren Versuch, Tatsachen zu leugnen und kritische Stimmen mundtot zu machen und zu kriminalisieren. Vor allem aber sind die Ermittlungen rechtswidrig, weil leicht erkennbar gar kein Anfangsverdacht besteht und bestehen kann.

Alle Antragsberechtigten sind längst tot

Bevor die Polizei Berlin bei queer.de zu schnüffeln beginnt, hätte sie zunächst einen Blick in das Strafgesetzbuch werfen und den Background der anzeigeerstattenden Person prüfen müssen. Bei der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" handelt es sich nämlich nach § 194 Abs. 2 um ein sogenanntes Antragsdelikt – und das Antragsrecht steht nur den in § 77 Abs. 2 genannten Angehörigen zu. Nun hat, wie allgemein bekannt, der Herr Ratzinger weder Ehefrau oder Ehemann noch eingetragenen Lebenspartner hinterlassen, ebenso keine Kinder oder Enkel, auch seine Eltern und Geschwister sind bereits gestorben. Im Falle von Benedikt kann eine "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" also überhaupt nicht mehr festgestellt werden.

Diese Fakten sind, dank der Recherche und Nachfrage von Journalist*innen, längst auch den Ermittlungsbehörden bekannt ("Hatte der verstorbene Papst Benedikt XVI. einen Liebhaber?", kommentierte etwa sehr lesenswert Jens M. Lucke in seinem Blog). Dennoch wurde das Verfahren bis heute nicht eingestellt. Über die Gründe kann man ebenso nur den Kopf schütteln.

Akte bereits zum zweiten Mal verschwunden

Bereits am 11. Januar 2023 wurde das Verfahren von der Berliner Polizei an die Staatsanwaltschaft der Hauptstadt übertragen – zur abschließenden Entscheidung. Auf dem Weg dahin war die Akte jedoch zunächst verschwunden. "Der Vorgang ist […] weiterhin hier nicht eingegangen," teilte uns die Zweite Pressesprecherin der Generalstaatsanwaltschaft Berlin am 14. Februar 2023, also über einen Monat später, mit – nach mehreren Nachfragen. "Wir wissen derzeit auch nicht woran es liegt."

Offenbar begann dann doch noch eine hektische Suche in der Behörde. Denn schon zwei Tage später, am 16. Februar 2023, teilte uns der Erste Pressesprecher den Fund der verschollenen Akte mit. Eingestellt wurden die Ermittlungen jedoch noch immer nicht: "Das Verfahren wird heute an die Staatsanwaltschaft Köln zur Übernahme zuständigkeitshalber abgegeben", schrieb er uns. "Insofern bitte ich, die weiteren Anfragen dorthin zu richten."

Das haben wir getan, doch über zwei Wochen später ist die Akte erneut verschwunden. Der Eingang des Ermittlungsverfahrens sei in Köln "(bislang) nicht feststellbar", teilte uns die Staatsanwaltschaft Köln am Freitag mit. Unsere Anfrage an die Pressestelle wurde interessanterweise von der "LSBTI-Ansprechperson" beantwortet, von der ich bislang dachte, dass sie für den Schutz queerer Menschen zuständig sei und nicht für die strafrechtliche Verfolgung queerer Medien.

Eine deutsche Justizposse

Die Ermittlungen gegen unsere Redaktion, die mit einer inkompetenten, unsensiblen und übereifrigen Polizeioberkommissarin in Berlin begannen, haben sich zu einer deutschen Justizposse entwickelt. Seit zwei Monaten beschäftigen sich Staatsanwaltschaften in zwei Städten mit Ermittlungen, die eigentlich nie hätten aufgenommen werden dürfen, und gleich zweimal wird die Akte verschlampt. Das Vertrauen von LGBTI in die Arbeit von Polizei und Justiz wird so ganz bestimmt nicht gestärkt.

Das Ratzinger-Verfahren hat uns zwar ein großes Medienecho und auch viel Solidarität beschert, gleichzeitig aber auch geschadet. Laut der Tageszeitung "Welt" verbreiteten wir "Ratzinger-Häme", die "Junge Freiheit" bezeichnete unseren Nachruf als "haßerfüllten Schmäh-Artikel", selbst der "Spiegel" verharmloste Benedikts queerfeindliche Hetze als "umstrittene Einordnung". Genau das hatte sich wohl die anzeigenerstattende Person erhofft: Verleumde nur dreist, etwas bleibt immer hängen.

Gerne hätten wir eine Gegen-Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung gemäß § 164 StGB gestellt. Leider kam dies nicht infrage, da dafür eine konkrete Person der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" hätte bezichtigt werden müssen, kein unbekanntes Redaktionsmitglied. Wobei: Oberkommissarin K. aus Berlin hätte dies vor Einleitung von Ermittlungen wohl kaum geprüft...

#1 SchwupsAnonym
  • 06.03.2023, 11:21h
  • Wird Zeit, dass die Justiz digitalisiert wird, damit nicht immer Akten verloren gehen. Kommt nicht gerade selten vor bei der Justiz. Obwohl vermutlich wird dann versehentlich die Löschtaste gedrückt, mehrmals, trotz mehrmaliger Abfragen ... Und Schwups, die digitale Akte ist dann auch "verloren" gegangen.
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#2 _Patrick_Profil
  • 06.03.2023, 12:32hRLP
  • Über das rechtsradikale und Demokratiefeinden zugewandte Blatt Junge Freiheit muss man ja sowieso nicht eingehen, die WELT unter Poschardt und Alexander versteht sich als christliches Propagandablatt und Wahlkampfgehilfe für die CSU, was Poschardt selbst bestätigt hat und der Spiegel war und ist, entgegen seiner landläufigen Fehldeutung, schon immer ein queerfeindliches Blatt, das in der Hochphase von AIDS eine ganze Strecke von menschenverachtenden Magazinen auf den Markt brachte, die die im Sterben liegenden Menschen als geistes- und verhaltensgestörte Widerlinge darstellte, die selbst Schuld an ihrem Verrecken sind. Wer es jünger braucht: Erst Ende 2022 hat deren Haupstadtredakteur Veit Medick in einem Gespräch mit Sigmar Gabriel die bundesrepublikanische Homosexuellenverfolgung durch die gleichen, ehemaligen Nazipolizisten und -Richter als "hinterwäldlerische Jahrzehnte der alten Bundesrepublik" verharmlost. Nachfolgend eine winzige Auswahl an Links:

    Sigmar-Gabriel-Interview: SPIEGEL verharmlost deutsche Homosexuellenverfolgung:

    >
    www.nollendorfblog.de/?p=12984

    Die WELT erklärt die Bedeutung der Diffamierung von Homosexuellen für den CSU-Wahlkampf:

    >
    www.nollendorfblog.de/?p=2519
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#3 ungleichAnonym
  • 06.03.2023, 12:33h
  • Mal so als Rechts-Laie:
    müssen sich Polizeibeamt/innen und Staatsanwaltschaften nicht an geltendes Recht halten?
    Bei offensichtlicher Zuwiderhandlung können diese dafür nicht haftbar gemacht werden?
    Nach dem Fall Sven befürchte ich allerdings eine Art faktisch rechtliche Vogelfreiheit für Polizist/innen und Staatsanwaltschaften.
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#4 PrideProfil
  • 06.03.2023, 17:29h...
  • Wenn die Ermittlungen als offensichtlich unbegründet nicht offeziell eingestellt werden, können die Behörden dann möglicherweise rechtlich belangt werden? Mit aller Unbegründetheit dürfte ein Ermittlungsverfahren doch nicht weiter in der Schwebe gelassen werden. Mit dem Hinweis eines weiter laufenden Verfahrens würde es ansonsten möglicherweise auch als ein Mittel zu Denunziation genutzt werden.
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#5 PeerAnonym
  • 06.03.2023, 19:32h
  • Wenn laufend Akten verschwinden, muss man das wahrlich als Justizposse bezeichnen.

    Dass da einfach so Ermittlungen eingeleitet werden, ohne zu prüfen, ob diese überhaupt berechtigt sind bzw. ob die anzeigende Person überhaupt zur Anzeige berechtigt ist, ist ein Skandal. Da geht es wohl gar nicht darum, ob diese Anzeige Aussicht auf Erfolg hat, sondern da geht es nur darum, wieder mal Hass zu schüren und Leute einzuschüchtern. Da lassen sich staatliche Stellen für einen Angriff auf die Freiheit der Presse missbrauchen.

    Das wäre eigentlich etwas, wo sich der Justizminister mal einschalten sollte.

    Und es ist auch ein weiteres Beispiel dafür, dass dieser Gummi-Paragraph entweder abgeschafft oder reformiert gehört. Entweder ist etwas eine Verleumdung oder Beleidigung einer Person (dann sollte es auch egal sein, ob diese Person noch lebt oder nicht) oder sie ist es nicht (und dann sollte es genauso egal sein, ob diese Person noch lebt oder nicht).
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#6 OhaohaAnonym
  • 06.03.2023, 20:13h
  • Kann mir mal bitte jemand erklären, aufgrund welcher Rechtsgrundlage die Polizeibeamtin nach der Anzeige hätte nicht weiter ermitteln sollen? Ich finde es ist nicht allgemeines Gedankengut, dass Ratzinger keine lebenden Angehörigen mehr hatte. Die Feststellung trifft man dann eben im Ermittlungsverfahren und dann liegt es an der StA, das Verfahren einzustellen.

    Was ich aber ebenfalls als Posse ansehe, ist die Übersendung oder eben nicht erfolgte, von Berlin nach Köln. Auch da würde ich nun aber nichts hineininterpretieren. Aus eigener Tätigkeit kann ich berichten, dass in den Poststellen nicht immer die hellsten Kerzen sitzen und dann Akten gerne kreuz und quer geschickt werden.

    Alles wird gut, entspannt euch!
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#7 PrideProfil
  • 06.03.2023, 21:00h...
  • Antwort auf #6 von Ohaoha
  • Die Feststellung, dass es von Ratzinger keine Verwandten mehr gibt, hätte doch wohl inzwischen auch die ermittelnde Polizei treffen und das Verfahren einstellen können. Oder es gibt da Zweifel bzw. eine Verwandtschaft, weshalb das Verfahren jetzt an die Staatsanwaltschaft weiter gegeben wurde bei allerdings aller weiteren Unbegründetheit der Ermittlungen. Wenn es eine Verwandtschaft gibt, müßte das zumindest allgemein wohl gesagt werden, was denn hoffentlich auch die Redaktion hier zur Erheiterung bringen könnte.
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#8 _Patrick_Profil
  • 06.03.2023, 22:52hRLP
  • Antwort auf #6 von Ohaoha
  • Du meinst, wir sollen von der Polizei nicht verlangen dürfen, dass eine Anzeige auf ihre Rechtmäßigkeit geprüft wird und dass Dokumente nicht einfach verschlampt werden?

    Wenn ich meinen Beruf so ausüben würde und meiner Chefin meine Arbeitsethik vollkommen egal wäre, wäre das zwar immer noch unterirdisch, geschäftsschädigend und zum fremdschämen, aber bedeutende Unterschied ist, dass ich nicht eine Säule der staatlichen Gewalt repräsentiere und dem Schutz und Grundrecht der Bundesbürger durch Amtseid verpflichtet bin.

    Gibt es einen bestimmten Grund, weshalb du deine legitimen Ansprüche gegenüber dem Rechtsstaat freiwillig abgewrackt hast?
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#9 heinzilein09Anonym
  • 07.03.2023, 18:49h
  • Da pocht ja jemand auf das Recht. Eigenartig, auf das Recht pocht niemand, wenn seit Jahren alle sog. Gutachten in den Diözesen ergeben, dass in JEDER von ihnen Verbrechen vertuscht wurden wegen sexueller Gewaltverbrechen gegen Kinder oder besser gesagt wegen Seelenmorden an Kindern, Täter versetzt wurden und kein Staatsanwalt jemals eine Bischofsordinariat von innen gesehen hat. Ich habe bei x Staatsanwaltschaften Strafanzeigen gestellt gegen Bischöfe die gegen unsereins die Todesstrafe nach dem alten Testament gefordert haben wie Vitus Huonder aus Chur. Ich habe verlangt wegen Volksverhetzung zu ermitteln, weil die Äußerung in Fulda geschah. Die StAW Fulda sah die Äußerung Huonders durch das Recht auf freie Religionsausübung gerechtfertigt. Dann habe ich mich an den GeneralStAW in Frankfurt/M. gewandt, der nach langem Warten die Ansicht aus Fulda bestätigte. Und da hältst Du die Geschichte mit Ratzinger für rechtens? Ich bin in der Lage, etliche Gründe für eine Strafanzeige für jenen Verstorbenen zu liefern und bekräftige: Der Mann war ein Hetzer gegen die Schulen. Ich kannte ihn persönlich und sage, dass ich vermute, dass auch er schwul war.
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#10 FennekAnonym
  • 07.03.2023, 21:28h
  • Antwort auf #6 von Ohaoha
  • Würde es darum gehen, dass inhaltlich geprüft werden muss, ob die Anzeige gerechtfertigt ist oder nicht, würde ich Dir zustimmen. In dem Fall würde ich auch sagen: es herrscht Gewaltenteilung, das muss in der Justiz entschieden werden und nicht von einem Polizisten vor Ort.

    ABER:
    es geht ja hier um die Frage, ob die Person, die Anzeige erstattet hat, überhaupt dazu berechtigt war, da das in dem Fall nur Angehörige dürfen. Dann müsste man meiner Meinung nach schon erwarten dürfen, dass auch die Polizei überprüft, ob die Person überhaupt Anzeige erstatten darf und ansonsten die Anzeige erst gar nicht annimmt, weil die formalen Bedingungen nicht erfüllt sind.

    Es geht hier eben erstmal nicht um eine inhaltliche, sondern um eine formale Frage. Und wenn die formalen Bedingungen nicht erfüllt sind, dann stellt sich die inhaltliche Frage erst gar nicht mehr.

    Und selbst wenn nicht:
    Dann müsste doch spätestens, wenn das zur Staatsanwaltschaft geht, dort jemand erst mal prüfen, ob die Anzeige überhaupt formal korrekt ist oder nicht. Und wenn nicht, müsste das gleich abgelehnt werden, und nicht erst noch an andere Staatsanwaltschaften gehen und zig mal Akten verloren werden. Das bindet so viel Personal, das angesichts knapper Justiz so viel dringender anderswo gebraucht würde...

    Und ja:
    natürlich wird diese Klage scheitern. Eben weil sie formal schon nicht korrekt ist, aber wohl auch inhaltlich scheitern würde.

    Das Problem ist nur, dass das bis dahin (und wohl auch noch danach) noch munter zur Hetze missbraucht wird. Und selbst einige populistische Blättchen, denen Einnahmen wichtiger sind als journalistische Standards, machen munter mit, wenn man dadurch ein paar Ausgaben mehr verkaufen kann.

    Normalerweise würde man ja erwarten, dass sich Kollegen solidarisieren, wenn versucht wird, die Pressefreiheit einzuschränken. Und alle Journalistenverbände haben ja bereits gesagt, dass die Aussagen nicht zu beanstanden sind. Aber stattdessen wird von manchen Blättchen munter gehetzt.
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