Der Lesben- und Schwulenverband Schleswig-Holstein hat am Dienstag kritisiert, dass auf der Website der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde in der 750-Seelen-Gemeinde Süderhastedt (Landkreis Dithmarschen) eine queerfeindliche Predigt veröffentlicht worden sei. Die Predigt soll bereits aus dem September 2021 stammen, wird aber nach wie vor auf der Kirchenwebsite bereitgestellt (PDF). Pastor Alfred Sinn spricht darin über Ideologien, mit denen die "Hölle" erzeugt würde; dabei bringt er Nationalsozialismus und "Genderlehre" in Zusammenhang.
Wörtlich äußert sich der Pastor über die falschen Entwicklungen in der Französischen Revolution und erklärt:
Ideologien der folgenden Jahrhunderte sind ebenfalls ein Zeugnis dafür, dass, wenn der Mensch das Paradies auf Erden schaffen will, für viele, die der Ideologie nicht folgen, die Hölle erzeugt wird. Faschismus, Nationalsozialismus, Kommunismus sind Belege dafür. Solche Ideologien propagieren, dass zum Erreichen des Ziels Opfer gebracht werden müssen. [...] Nicht anders verhält es sich im Blick auf Ideologien unserer Zeit: Klimaschutz, Genderlehre, Flüchtlingspolitik, Corona-Krise, Neue Weltordnung. [...] In der letzten Woche wurde die Klasse meiner Tochter drei Stunden von einem Transgender-Menschen zum betreffenden Thema indoktriniert. Dafür wurden drei andere Unterrichtsstunden geopfert. So werden die jungen Menschen in eine bestimmte Richtung beeinflusst.
LSVD-Landesvorstandsmitglied Andreas Witolla bezeichnete den Nazi-Vergleich als "abstoßend und besorgniserregend". "Dass sowohl die Kirchengemeinde Süderhastedt als auch der zuständige Kirchenkreis Dithmarschen diese queerfeindliche Predigt von Pastor Sinn dulden, ist mehr als fragwürdig", beklagte Witolla. Der LSVD Schleswig-Holstein und die Initiative "Westküste denkt queer" hätten sich bereits im letzten Jahr an den Kirchenkreis und die Gemeinde gewandt. "Nachdem über Monate nichts passiert ist, erhärtet sich der Verdacht, dass beide Institutionen hinter den Aussagen des Pastors Sinn stehen könnten", so Witolla weiter.
Einschreiten der Nordkirche gefordert
Nun erwarte der Verband ein Einschreiten der Nord-Landeskirche. "Es ist unverantwortlich, wenn religiöse Autoritäten zu konkreten Fällen von Diskriminierung und Gewalt gegenüber LSBTIQ* konsequent schweigen oder sie nicht eindeutig verurteilen", sagte der Aktivist.
Der Kirchenkreis Dithmarschen gibt sich eigentlich queerfreundlich: Er unterzeichnete bereits am 25. Oktober 2021 die "Lübecker Erklärung für Akzeptanz und Respekt". Mit der Erklärung verpflichtet sich der Kirchenkreis, "jeglicher Form von Diskriminierung aufmerksam entgegenzutreten" und sich für "Respekt vor lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter* und pansexuellen Mitmenschen" zu engagieren.
Die queerfeindlichen Äußerungen aus Schleswig-Holstein erinnern an die Tiraden des evangelischen Pastors Pastor Olaf Latzel aus Bremen, der sich derzeit einem Volksverhetzungsverfahren stellen muss (queer.de berichtete). Er hatte in einem im Internet veröffentlichten Vortrag unter anderem Homosexualität als "todeswürdig" und eine "Degenerationsform von Gesellschaft" bezeichnet. Auch dreieinhalb Jahre später darf er weiter uneingeschränkt in seiner evangelischen Kirchengemeinde predigen. (dk)