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Ampel-Vorhaben

Recht auf geschlechts­angleichende Operationen lässt auf sich warten

Die Bundesregierung wollte eigentlich die transspezifische Gesundheitsversorgung endlich als Regelleistung verankern. Doch wie beim Selbstbestimmungsgesetz ist unklar, wie lange Betroffene warten müssen.


Kommt diese Reform, könnten viele schon so lange wartende trans Personen hier endlich hinein geschoben werden: Der Operationssaal (Bild: Stefan Bellini / wikipedia)

Das Selbstbestimmungsgesetz, das es transgeschlechtlichen Menschen künftig erleichtern soll, ihren Namen und ihren Geschlechtseintrag zu ändern, lässt weiter auf sich warten. Doch neben der Frage der Papiere steht für trans Personen noch die medizinische Versorgung auf der Agenda.

Wie sieht es also bei der gesetzlichen Gewährleistung operativer Eingriffe aus, die von Krankenkassen bislang nur in geringem Umfang und nach aufwändigen Anträgen getragen werden? Vermutlich müssen sich Betroffene noch gedulden – und sich in der Zwischenzeit weiter fadenscheinige Ablehnungen der Kostenübernahmen vonseiten ihrer Krankenkassen anhören.

Ursprünglich enthalten, dann verschwunden

In ihrem im Jahr 2021 in den Bundestag eingebrachten Entwurf für ein Selbstbestimmungsgesetz hatten sich die Grünen neben dem angepassten Änderungsverfahren des Geschlechtseintrags auch für eine erstmalige rechtssichere Verankerung des Anspruchs auf medizinische Leistungen ausgesprochen. Und auch im Koalitionsvertrag der Ampelkoalition hatten sich die Koalitionäre eigentlich darauf geeinigt. Dort heißt es nach einer Aufzählung dessen, was das Selbstbestimmungsgesetz enthalten solle, in einem weiteren Satz: "Die Kosten geschlechtsangleichender Behandlungen müssen vollständig von der GKV übernommen werden."

Doch als Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) vergangenes Jahr die Eckpunkte zum kommenden Gesetz vorstellten, fehlten die medizinischen Aspekte (queer.de berichtete). Auf Nachfrage aus der Reihe der anwesenden Journalist*innen hatte Buschmann auf den Zuständigkeitsbereich des Gesundheitsministerium verwiesen: "Auch dieses Projekt wird die Koalition zügig angehen und ich bin mir sehr sicher, dass Karl Lauterbach uns da auch beizeiten einen Entwurf vorlegen wird".

Das aber ist auch acht Monate später noch nicht passiert. Also fragte queer.de beim Gesundheitsministerium an, wie es um die Umsetzung der Ankündigung aussieht. Die Antwort jedoch ist denkbar knapp – und enttäuschend. Die Umsetzungsmöglichkeiten würden "derzeit geprüft". Und: "Die Umsetzung bleibt insoweit abzuwarten."

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Taktische Ausklammerung

Justizminister Marco Buschmann hatte zuletzt mehrfach betont, dass es im Selbstbestimmungsgesetz um den Personenstand und den Namen gehe, nicht um medizinische Fragen. Das sei eben "etwas völlig anderes als die Frage einer geschlechtsangleichenden Operation". Die Koalitionäre versuchten damit auch, Mutmaßungen von Transfeind*innen vorweg zu nehmen.

Die hatten das Transsexuellengesetz mit seinen teuren, zeitaufwändigen und menschenrechtlich äußerst bedenklichen Begutachtungsprozessen sowie dem langen standesamtlichen Verfahren auch als Bollwerk gegen "zu frühe" geschlechtsangleichende Operationen verteidigt. Und alles, was transgeschlechtlichen Personen Steine in den Weg legt, scheint in diesem Diskurs bislang nur recht und billig zu sein.

Im Umkehrschlus könnte es durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu einer Beschleunigung bei den OPs kommen, war der Berliner Ampelkoalition vorgeworfen worden. Genauer gesagt: zu einer Verkürzung der Zeit zwischen äußerem Coming-out und Eingriff.

Also entschieden sich die zuständigen Stellen, die die queeren Gesetzesreformen aushandeln und vorbereiten, zu einer Ausklammerung der medizinsichen Aspekte aus dem Selbstbestimmungsgesetz. Das widersprach zwar der Namensherkunft des Gesetzes. Denn die spielt auch auf die reproduktive Selbstbestimmung und damit auf die medizinischen Rechte von Frauen und anderen, die schwanger werden können, gegenüber dem Gesundheitssystem an. Es brachte aber sicher Vorteile in der aufgeheizten Diskursschlacht.

Nur: Kommt die Sicherung der medizinischen Rechte transgeschlechtlicher Menschen dann auch wirklich? Die Antwort aus dem Bundesgesundheitsministerium lässt zumindest darauf hoffen.

Auch Umfang unklar

Ob das am Ende aber dazu führt, dass transgeschlechtliche Patient*innen kostendeckenden Zugang zu denjenigen Leistungen haben, die von den zuständigen Fachgesellschaften als wirksam empfohlen werden, ist damit nicht beantwortet. Auf die Frage danach ging der Ministeriumssprecher nicht ein.

In der bereits 2018 erschienenen "S3-Leitlinie Geschlechtsinkongruenz, Geschlechtsdysphorie und Trans-Gesundheit" hatten die Fachgesellschaften die Evidenzen zusammengetragen, die es zu verschiedenen verfügbaren Behandlungen wie Gesichtsfeminisierungen, der Bildung eines Penis oder der permanenten Entfernung von Körperbehaarung gibt. Nur fühlen sich Krankenkassen und die zuständigen Gremien der medizinischen Selbstverwaltung bisher nicht dazu gedrängt, aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen auch die nötigen Schlüsse zu ziehen.

Dabei weist die Forschung darauf hin, dass Patient*innen bisher zwar Angleichungen von Genitalien und Brust unter bestimmten Bedingungen bezahlt bekommen können. Eine wissenschaftliche Grundlage hat diese Eingrenzung allerdings nicht: Andere Maßnahmen zeigen ebenso große Evidenzen bei der Minderung des Leidensdrucks durch Geschlechtsdysphorie sowie Diskriminierung und werden als Teil eines individuell zugeschnittenen Behandlungskonzeptes empfohlen.

Zudem gilt der Zugang zu solchen Behandlungen als möglicher Ausweg aus einer Ausgrenzungs- und Verarmungsspirale. An deren Ende entwickeln nicht wenige transgeschlechtliche Personen aufgrund von Arbeitslosigkeit, Armut, Stigmatisierung und Gewalterfahrungen schwerwiegende Folgeerscheinungen wie Angstörungen und Depressionen.

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#1 Welch UeberraschungAnonym
  • 07.03.2023, 15:48h
  • DIESE Bundesregierung wird *gar* nichts mehr machen. Das hat sie in anderen Bereichen bereits mehrfach bewiesen, da sind wir als eh schon "nervige Randgruppe" ja noch "irrelevanter" (nach Politsicht, wohlgemerkt).

    Und man kann sich bei dem Debakel, das die Ampel gerade in allen Bereichen veranstaltet, von stümperhaft bis vorsätzlich Fakten torpedierend, sicher sein, dass SPD und Grüne gewiss NICHT der nächsten Regierung vorstehen werden (die "Hauptsache dagegen"-Partei eh nicht). Und wie "progressiv" und mit Menschenrechten auf einer Linie ein Bündnis unter Schwarz aussehen wird, weiß mensch jetzt schon (zumal ich auch die Beteiligung der Blauen mittlerweile für realistisch halte, da die Union ja wichtige ideologische Punkte mit denen teilen und eine Zusammenarbeit in einigen Punkten und Bereichen ja - trotz "Unvereinbarkeitsklausel" und "Brandmauer gegen rechts"-Gefasel) abseits der Bundes-Union durchaus passieren.
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#2 VestigeAnonym
  • 07.03.2023, 15:53h
  • Da kommt nichts, es wird schlimmer und nicht besser.

    Das ICD-11 der WHO, das trans sein aus der Liste der 'psychischen Störungen' gestrichen hat, wird in Deutschland nicht umgesetzt, weder vom Gesundheitsministerium noch vom Gemeinsamen Bundesausschuß des Gesundheitswesens. Entsprechend sind trans Personen in Deutschland immer noch 'psychisch gestört' und werden im Gesundheitssystem auch so behandelt.

    Das heißt: trans Personen mit Bedürfnis nach somatischen Maßnahmen werden von Psychomedizinern verhört und müssen Zwangstherapien absolvieren, deren Ziel: 'Versöhnung mit dem Geburtsgeschlecht (!)', also: reparative Therapien. 'Normal machen'. Scheitert das, kommt die somatische Maßnahme erst in Frage, wird aber dennoch meist abgelehnt.

    Einzig die Bundespsychotherapeutenkammmer hat sich für die Abschaffung der
    Zwangstherapien eingesetzt.

    Die erwähnte S3-Behandlungsleitlinie ist ebenso eine deutsche
    Sonderleistung: 'informierte Zustimmung' bedeutet in dieser von forensischen Psychiatern der Deutschen Gesellschaft für Sexualforschung verfaßten Leitlinie, daß eine 'Fachkraft' über die Anliegen der jeweiligen trans Person allein und nach Gutdünken entscheidet. Es ist erwähnenswert, daß die DGFS von einem Rassehygieniker gegründet wurde.

    Es ging schlicht darum, daß sich 2018 die Entscheidung der WHO, trans zu ent-pathologisieren, deutlich abzeichnete und das Transsexuellengesetz womöglich abgeschafft würde. Darum entschloß sich die in großer
    Mehrheit reaktionäre und trans feindliche deutsche Psychomedizin, so vorzugehen.

    Eigentlich gehört die ganze Geschichte des 'System trans' in Deutschland hierher.

    Das kann ich hier unmöglich leisten. Stattdessen nur ein kurzer Hinweis: im Gegensatz zu vielen anderen Ländern ist das deutsche Gesundheitssystem nicht direkt der Regierung weisungsgebunden, sondern regelt sich über den Gemeinsamen Bundesausschuß selbst, Patienten haben keinerlei Mitspracherecht. Dennoch muß das Gesundheitssystem zumindest pro forma gesetzeskonform agieren. Darum liegt die Verantwortung beim Bundesgesundheitsministerium, seitdem die Passagen zur trans Gesundheitsversorgung auf hoch interessante Weise aus dem 2021 von SPD, CDU/CSU und AfD niedergestimmten Selbstbestimmungsgesetz verschwanden.
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#3 Two SpiritsAnonym
  • 07.03.2023, 17:42h
  • Meine Ergänzung dazu, die 2018 S-3 Richtlinie ist im Jahr 2023 passé. Nun muss eine Neue Regelung her.
    Die Zeitgemäß ist und tatsächlich auf die Bedürfnisse der betroffene eingeht. Die GKV und ihr Medizinischer Dienst der Kassen hat bisher die S-3 Regelung ständig missachtet und ignoriert. Diese Missstände müssen beseitig werden. Ich habe das Persönlich erlebt. Als betroffene muss das eingeklagt werden. Da die S-3 Regelung für die GKV reine Makulatur sollte jeder betroffene klar sein. Es gibt nur den Klageweg vor Gerichten. Die Nächste Hürde erwächst nun, die Richter haben über Transgender Probleme überhaupt keinen blassen schimmer Ahnung . Lieber werden Entscheidungen auf die nächst höhere Instanz vertagt. Das kostet wiederum mehr Geld für die Klagende. Ob das System ist kann ich nicht beantworten. Ich sehen nur eines, dass es eine neue S-3 Regelung geben wird die genauso ignoriert und missachtet wird wie die 2018er Regelung. Es muss gesetzlich dagegen eingewirkt werden das es zu keinen Ping Pong zwischen den MDK und der GKV mehr kommen darf. Es wieder zusehen und beobachten bei Epilationen und vielen anderen dingen die Transgender betreffen. Mit kann man das machen da wir nur 0.01% der Bevölkerung sind und nur interesse wecken wenn eine wie wir gewaltsam Ableben.
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