Auch über eine Woche nach der Installation von gleichgeschlechtlichen Ampelpärchen an einem Fußgängerüberweg in der Mainzer Straße kommt Saarbrücken nicht zur Ruhe. Vor allem auf den Social-Media-Profilen von Oberbürgermeister Uwe Conradt entlädt sich seitdem queerfeindlicher Hass und Wut auf den CDU-Politiker, der die Vielfaltsampeln am 27. Februar gemeinsam mit dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD) enthüllte (queer.de berichtete). Auf Facebook und Instagram kochten die Emotionen "in kaum für möglich gehaltene Sphären" hoch, heißt es in einem Artikel der "Saarbrücker Zeitung" (Bezahlartikel) vom Dienstag.
Feierliche Enthüllung am 27. Februar 2023 in Saarbrücken (v.l.n.r.): Armin Backes (Straßenbauamt), Lisa Juliane Schneider (Frauenbeauftragte), Irene Portugall und Tim Stefaniak (LSVD) sowie Oberbürgermeister Uwe Conradt (Bild: Landeshauptstadt Saarbrücken)
Allein auf Conradts Facebook-Seite wurden bislang fast 2.000 überwiegend empörte Kommentare hinterlassen. "Auch auf den Social-Media-Kanälen unserer Zeitung ließen viele Nutzer ihrem Zorn und ihrem Unverständnis über die angeblich sinnlose Aktion freien Lauf", schreibt die "Saarbrücker Zeitung", die sich in einem Kommentar hinter die Vielfaltsampeln gestellt hatte. "Die Reaktionen reichen von 'unnötiges Geld verschleudert', 'Ihr seid nicht ganz dicht', 'Gott ist das krank' und 'Dachschaden hoch 16!!!!' bis hin zu 'armseliger Schwachsinn' und 'Ohh Deutschland, was ist nur aus Dir geworden?'. Häufig wird gefragt, ob es in der Stadt keine anderen Probleme gebe, und es wird ein Zusammenhang hergestellt zu Rentnern, die Flaschen sammeln müssen, oder hilfsbedürftigen Alleinerziehenden."
OB Conradt: "Es war sehr gut investiertes Geld"
Trotz des Shitstorms zeigt sich der Oberbürgermeister unbeirrt. "Ich freue mich über das große Interesse an diesem kleinen Zeichen für Toleranz, Vielfalt und für die Liebe", griff Conradt auf Facebook in die Debatte ein. "Es geht zurück auf einen Vorschlag, den ich von einem Bürger erhalten und gerne aufgegriffen habe, weil er zu unserer schönen Stadt und an diesen besonderen Ort passt."
Auch auf die vielen queerfeindlichen Hasskommentare ging der CDU-Politiker ein: "Es befremdet mich, dass dieses kleine Zeichen für sexuelle Vielfalt bei einigen Menschen so starke negative Emotionen hervorruft", schrieb der OB. "Wir leben in einem freien Land und natürlich darf Kritik auch zugespitzt sein, aber einige sollten sich die Frage gefallen lassen, was es ist, dass sie in solche diffamierenden Aussagen hineintreibt, wenn acht Fußgängerampelschilder homosexuelle Pärchen zeigen." Conradt wies zudem darauf hin, dass die Kosten zur Installation der queeren Ampeln mit 500 Euro lediglich "0,000001 Prozent des Budgets der Stadt Saarbrücken" betragen hätten. "Diese Diskussion hat nochmals gezeigt, es war sehr gut investiertes Geld."
Pressesprecher verweist auch auf "breite Zustimmung"
Auch gegenüber der "Saarbrücker Zeitung" verteidigte die Stadt die schwulen und lesbischen Ampelfiguren als Symbol für Toleranz und Vielfalt. "Die Botschaft kurz und knapp lautet: Jede Form wahrer und gleichberechtigter Liebe ist etwas Tolles", sagte Pressesprecher Thomas Blug dem Blatt. Wie sehr ein kleines Symbol "Menschen auf die Palme bringt und Menschen vor Wut kochen lässt", zeigt nach Meinung der Stadt aber auch, dass bei der Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Partnerschaften "bei so manchem noch Luft nach oben ist". Brug wies zudem darauf hin, dass es auch "breite Zustimmung" für die Ampelpärchen gebe. Tatsächlich erhielt ein Foto auf Saarbrückens offiziellem Instagram-Account fast 2.000 Herzchen.
Die ersten gleichgeschlechtlichen Ampelpärchen wurden 2015 im Vorfeld des Eurovision Song Contests in Wien installiert (queer.de berichtete). Das führte zu weltweiter Berichterstattung, was die österreichische Hauptstadt dazu brachte, die eigentlich zeitlich begrenzte Aktion fortzusetzen. In Folge galt die Aktion für viele weitere Städte auch als vergleichsweise günstige Werbemaßnahme, um Schlagzeilen zu generieren und queere Tourist*innen anzuziehen. Die Idee wurde seitdem von mehreren Städten in Deutschland, Europa und sogar in Australien übernommen (queer.de berichtete). (mize)