Seit über einem Jahr berichten wir über einen aus dem sächsischen Görlitz stammenden Fundi, der über das Internet Mordaufrufe gegen Queers sowie Hetzpredigten vor seiner baptistischen Gruppe verbreitet. In Reaktion auf die Berichterstattung wurde von User*innen, dem LSVD sowie Sven Lehmann Anzeige gegen Anselm Urban gestellt. Am 16. März vergangenen Jahres durchsuchte die Polizei schließlich dessen Wohnung (queer.de berichtete). In der Folge setzte sich Urban vor der weiteren Strafverfolgung in die Vereinigten Staaten ab und suchte Unterschlupf bei seinen Glaubensgeschwistern der Faithful Word Baptist Church in Arizona (queer.de berichtete).
Von Anfang an versuchte queer.de bei den sächsischen Behörden heraus zu bekommen, wie der Stand des Verfahrens gegen Urban ist. Nun erhielten wir endlich, nach langem Schweigen, Antwort: Die mehrfach wiederholten Mordaufrufe gegen Queers und namentlich gegen den Queerbeauftragten Sven Lehmann brachten dem Görlitzer einen Strafbefehl ein.
Der fühlt sich von der Härte der sächsischen Justiz offenbar bestätigt – und wiederholte seine Hetze im Netz. Nicht nur das: Seine fundamentalistische Gruppierung eröffnete jüngst einen Ableger der radikalen Baptist*innen im baden-württembergischen Pforzheim. In der Stadt hatte bereits die Hetzpredigt Urbans gegen Sven Lehmann stattgefunden.
Volksverhetzung, Beleidigung, Aufforderung zu Straftaten
Anfang März teilte die Staatsanwaltschaft Görlitz mit, dass das Verfahren gegen Urban seit kurzem rechtskräftig abgeschlossen sei. Der Angeklagte sei "im Strafbefehlswege wegen Volksverhetzung, Beleidigung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten zu einer Geldstrafe von 85 Tagessätzen verurteilt" worden.
Die Zustellung des vom Amtsgericht Görlitz erlassenen Strafbefehls sei über den Verteidiger des "sich offenbar im amerikanischen Ausland aufhaltenden Angeklagten" erfolgt. Zudem zogen die Behörden die bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmten Geräte ein.
Damit führten die mehrfach wiederholten Äußerungen, die auch mittels eines ins Deutsche übersetzten und im Netz verbreiteten Propagandafilms erfolgten, nicht einmal dazu, dass Urban als vorbestraft gilt. Dazu muss eine Schwelle einer Verurteilung zu 90 Tagessätzen erreicht sein. Wie die Behörden es bewerteten, dass sich Urban dem Strafverfahren entzogen hat, ist unklar.
Abschreckende Wirkung: Keine
Was Urban jedoch von dem Strafbefehl aus dem fernen Deutschland hält, lässt sich über das Netz nachverfolgen. Am 5. März fand der "Eröffnungsgottesdienst" der "Baptistenkirche Zuverlässiges Wort Pforzheim" statt, in von dieser neu angemieteten Räumlichkeiten. Offenbar online zugeschaltet: Anselm Urban aus den USA.
Der sprach vor einer Wand, vor der in der Vergangenheit immer wieder Faithful-Word-Baptist-Church-Anführer Steven Anderson gehetzt hatte. Anderson wurde in verschiedenen Staaten Europas die Einreise verweigert. Außerdem erhielt er ein Verbot, in den Schengen-Raum einzureisen (queer.de berichtete). In einem online verbreiteten Interview mit Urban hatte Anderson, der auch Deutsch spricht, angekündigt, dennoch einen Einreiseversuch nach Deutschland zu starten.
In seiner am Wochenende veröffentlichten neuesten "Predigt" widmet sich Urban vordergründig der Frage, ob Gott alle Menschen liebe. Es gebe durchaus Menschen, erzählt er da, die schon vor ihrer Fahrt in die Hölle die Liebe Gottes verlören: "Es gibt Leute, die jetzt schon Abfall sind, die jetzt schon Müll sind, wandelnder Müll der Gesellschaft".
"Wir glauben, dass Homosexualität Sünde und eine Schande ist, die Gott mit der Todesstrafe ahndet", bekennt Urban. Eine Folge davon, dass Gott diejenigen, die nicht mehr an ihn glaubten, verwerfe, "sind Homos, sind Schwuchteln". "Was ist mit diesen Homos heutzutage, mit diesem Müll, der da draußen rumläuft?"
Sie seien aber nicht so geboren worden. Vielmehr sei es Symptom ihres Abfalls von Gott. Urban hat auch, in Rückgriff auf den entsprechenden Bibelvers, eine "Lösung für Aids" und eine "Lösung für Homosexualität": die Todesstrafe, "keine Therapie". "Du willst Aids beenden? Todesstrafe! Sie sollen umgebracht werden! Korrekt! Ihr Blut sei auf ihnen!" Man werde nicht damit aufhören, das zu sagen – egal, was die Gesellschaft oder "die Welt" sagten. Es ist eine Ankündigung, auch trotz Strafverfolgung weiter zu hetzen.
In der Bibel-Erzählung von Sodom und Gomorrha sei die Rede davon, dass die homosexuellen Männer von Sodom "jung und alt" gewesen seien. Das interpretiert Urban dahingehend, dass gemeint sei, die Sündiger hätten "Kinder mitgebracht". Die "Perversen", "Homos", "Pädophilen" und "Transen" seien keine "Reproduzierer", sondern "Rekrutierer".
"Du willst dich mit ihnen befreunden? Weißt du was: Sie werden deine Kinder vergewaltigen! Sie werden versuchen, dich zu vergewaltigen. Sie werden vor nichts zurückschrecken." Sie würden "dich zerreißen wie einen Hund, weil sie Hunde sind", "schmutzige Tiere". Normalerweise hätte ein Mensch eine gewisse Hemmschwelle. Zur Strafe der Ablehnung Gottes hätte dieser jedoch bei ihnen die Hemmschwelle aufgehoben. "Diese Leute finden Mord toll. Sie finden Vergewaltigung toll. Sie finden jeden widerwärtigen Dreck toll, den man gar nicht aussprechen will." Urban jedoch hindert das nicht, all das auszusprechen und den Mord an LGBTI zu fordern.
Man nehme das Gesetz jedoch nicht in die eigene Hand, betont er wie auch schon in der Vergangenheit – eine Betonung, die ihn jedenfalls nach Interpretation des Amtsgerichts Görlitz nicht davor bewahrt, sich in Deutschland mit seinen Aufrufen strafbar zu machen. Die Regierung sei dafür verantwortlich, "Übeltäter" mit dem Tod zu bestrafen, "zum Beispiel auch Homos". Lesben erwähnt Urban in der Hetzrede auch einmal explizit.
Als Christen müsse man alle diese Gruppen hassen. Warum? Das klingt schon eher nach einem vielfach gehörten "Argument": "Diese Welt stopft uns diesen Dreck andauernd durch die Medien in den Hals." Man werde "mit diesem Müll bombardiert".
Ist diese Kirche eine kriminelle Vereinigung?
Laut eigenen Angaben soll sich der deutsche Ableger der US-Hassgruppe aus Arizona in der Zerrennerstraße 32 in Pforzheim befinden. queer.de hatte herausfinden können, dass auch schon die im Rahmen eines Events der Fundis gehaltene Hetzrede mit den Mordaufrufen gegen Sven Lehmann in Pforzheim stattgefunden hatte, und zwar in einem vermutlich zu diesem Zweck angemieteten Ladenlokal in der Bleichstraße. Die genaue Adresse hätten Interessent*innen nur erfahren sollen, wenn sie sich zuvor via E-Mail angemeldet hatten. Die Hauptmieterin des Ladenlokals hatte queer.de gegenüber eine Stellungnahme verweigert.
Nun besitzt die "Kirche" offenbar einen eigenen Raum in der Pforzheimer Innenstadt, in dem regelmäßig Veranstaltungen stattfinden sollen. Die Social-Media-Accounts der Vereinigung zeigen die Anhänger*innen der fundamentalistischen Gruppe bei der Eröffnung. Auch die Eingangstür der Räumlichkeiten ist zu sehen.

Urbans erneute Mordaufrufe verbreitete die Pforzheimer Vereinigung auch auf Youtube. Und: Auf Facebook, wo sie auch weiter das Video mit dem Mordaufruf zu Lehmann teilt, bekennt sich die Gruppe dazu, dass der Hetzfilm "Die LGBT-Lüge" von der Gruppierung stammt. Vor Begründung der Kirche war der Film über Internetseiten verbreitet worden, deren Impressum letztlich zu Anselm Urban führte, damals noch wohnhaft in Görlitz. Noch immer funktioniert auch die deutsche Domain, unter der der Film verbreitet wird. Die sächsischen Behörden gingen also nicht dagegen vor.
Gut möglich, dass die Pforzheimer Vereinigung mit ihrem exilierten "Prediger" und Anführer Anselm Urban auch in Zukunft weitere Straftaten zur Verbreitung ihrer hasserfüllten Ansichten begehen wird. Nun wäre es jedenfalls Aufgabe der baden-württembergischen Behörden, sich den Zweck der Vereinigungsgründung genau anzusehen.
Seit dem Jahr 2001 können auch religiöse Vereine verboten werden, wenn Ziele oder Aktivitäten des Vereins die Strafgesetze verletzen, wenn sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung wendet oder wenn er sich gegen die Völkerverständigung richtet. So war es bereits in der Vergangenheit vorrangig islamistischen Vereinen ergangen.
Das gilt für Hass-Sänger genauso wie wenn man das unter dem Deckmantel der Religion macht.
Mordaufrufe haben NICHTS mehr mit Redefreiheit zu tun. Denn alle Freiheitsrechte finden ihre Grenzen dort, wo andere in ihren Freiheiten eingeschränkt werden. Ansonsten wären es ja nur Unterdrückerrechte für wenige.