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Münster

Polizei kontrollierte Nuradi A. nach Tat gegen Malte C. noch zwei Mal

Hätte der 20-Jährige, der trans Mann Malte C. tötete, noch am Tattag festgenommen werden können? Vor Gericht sagte ein Polizist aus, dass Nuradi A. am 27. August noch zwei Mal mit der Polizei zu tun hatte.


Am vierten Verhandlungstag im Prozess gegen Nuradi A. kamen neue Details ans Licht (Bild: WilliamCho / pixabay)

Der vierte Verhandlungstag gegen den Lagerarbeiter Nuradi A., der Malte C. beim Münsteraner Christopher Street Day tödlich verletzte, brachte Medienberichten zufolge ein bislang unbekanntes Detail ans Licht.

Am 27. August vergangenen Jahres hatte der 20-Jährige zunächst einige CSD-Teilnehmer*innen sexuell belästigt und sie dann frauen- und lesbenfeindlich sowie transphob angepöbelt. Als Malte C. die Teilnehmer*innen gegen die Attacke Nuradi A.s verteidigte, soll der ihm zunächst "Du bist kein richtiger Mann" entgegen gerufen haben. Auch der Ausdruck "Trans-Schweine" soll während der Auseinandersetzung gefallen sein. Dann schlug er den transgeschlechtlichen jungen Mann mit zwei Schlägen nieder.

Einige Tage später war Malte C. an den beim Sturz zugezogenen Verletzungen verstorben (queer.de berichtete). Die Polizei konnte den Tatverdächtigen am selben Tag festnehmen (queer.de berichtete).

Mehrfacher Polizeikontakt am Tattag

Zwar flüchtete Nuradi A. nach der Tat. Doch jetzt wurde bekannt, dass er womöglich am selben Tag hätte festgenommen werden können. Denn: Noch am Abend geriet der ehemalige Meister im Jugendboxen mehrfach mit der Polizei aneinander. Am Donnerstag berichtete ein Polizist, dass er etwa eine Stunde nach der tödlichen Attacke auf Malte C. den später Tatverdächtigen und zwei Begleiter kontrolliert hatte.

Nuradi A. sei dem Beamten sehr aufgebracht, aggressiv und distanzlos erschienen, wie er vor Gericht erzählte. Zudem habe er zwar angetrunken gewirkt, sich aber verständlich artikulieren können. Wohl auch wegen dieses Verhaltens hatten die Beamten den drei Kontrollierten einen Platzverweis für ihren Aufenthaltsort, das Cineplex-Kino, erteilt. Doch den Platzverweis habe Nuradi A. erst nicht befolgen wollen. Schließlich habe er sich widerwillig gefügt.

Damit war das auffällige Verhalten des jungen Mannes an jenem Tag jedoch noch nicht beendet. Zwei weitere Stunden später, gegen 23 Uhr, war es am Servatiiplatz zu einem Polizeieinsatz gekommen. Dieser Einsatz wurde dann von Nuradi A. gestört. Die Folge: Ein weiterer Platzverweis.

Das Verhalten Nuradi A.s könnte auch an dem liegen, was der beste Freund des Angeklagten zuvor vor Gericht ausgesagt hatte. Demnach nahm er an jenem Tag eine große Menge Drogen zu sich. Der 20-jährige Zeuge hatte erklärt, er habe seinen gleichaltrigen Freund am Tattag getroffen, um mit ihm Drogen zu besorgen – nämlich Gras und "Lyrica"-Tabletten.

Die verschreibungspflichtigen Pillen mit dem Wirkstoff Pregabalin werden bei Nervenschmerzen und Angststörungen angewandt, werden aber auch wegen ihrer euphorisierenden Wirkung abseits ihres eigentlichen Zwecks konsumiert. Auf dem Rückweg vom Einkauf sei die Gruppe dann am Christopher Street Day vorbei gekommen. Nuradi A. soll da neben "zehn Tabletten" auch "eine Flasche Wodka" intus gehabt haben.

Was ist ein Hassverbrechen?

Im Prozess gegen Nuradi A. sind zehn Verhandlungstage angesetzt. Weil der Täter die Tat gestanden hat, geht es nur noch um die Aufklärung der Tatumstände. Ein Punkt: Die Motivation des jungen Mannes. Denn eine vom Gericht bestellte Gutachterin will wegen einer unterdrückten Homosexualität in den Schlägen kein Hassverbrechen erkennen (queer.de berichtete).

Während der CSD-Parade war eine Schweigeminute abgehalten worden, wozu sich die Teilnehmer*innen zu Boden gesetzt hatten. Weil Nuradi A. und seine Begleiter jedoch stehengeblieben waren, hatte ein Fotograf bei seiner Arbeit ungewollt Aufnahmen der drei jungen Männer angefertigt. Nuradi A. soll sich dann seinen Schilderungen vor Gericht zufolge an den Fotografen gewandt und ihm um Löschung der Aufnahme gebeten haben. Begründung: Sein Vater könne die Fotos sehen und ihn für schwul halten.

Der mutmaßliche familiäre Druck auf Nuradi A. wird auch vor dem Hintergrund gedeutet, dass die Familie aus Tschetschenien stammt. In der muslimischen russischen Teilrepublik herrscht eine besonders aggressive Queerfeindlichkeit vor. Die staatlichen Stellen gehen mit tödlicher Gewalt gegen diejenigen vor, die sich nicht in das vorgesehene Weltbild von Geschlecht und Sexualität fügen können oder wollen.

Vor der Tat soll Nuradi A. seit acht Jahren mit seiner Mutter in Deutschland gewohnt haben. Sein Vater aber soll noch immer in Tschetschenien leben. 2018 hat Nuradi A. in Münster einen Hauptschulabschluss gemacht. Zuvor hatte er sich als begnadeter Jugendboxer einen Namen gemacht – bis sein Boxstall ihn wegen seines Verhaltens vor die Tür gesetzt hatte. (jk)

#1 FennekAnonym
  • 10.03.2023, 10:30h
  • Leider sieht man in Deutschland allzu oft bei Gewalt weg oder drückt ein Auge zu. Ich weiß nicht, wieso man in Deutschland bei schweren bis schwersten Gewalttaten immer so "tolerant" bis luschig ist. Da wird immer was über "schwere Kindheit", psychische Probleme oder was auch immer geredet, so als ob dann die Tat für das Opfer und dessen Angehörige und Freunde weniger schlimm wäre. Und als "Strafe" gibt es dann nur eine Verwarnung, ein paar Sozialstunden o.ä.

    Man hat oft das Gefühlt, das Schicksal der Täter interessiert mehr als das Schicksal der Opfer.

    Sorry, aber viele Menschen haben ihre Päckchen zu tragen oder ihnen geht es nicht gut; aber die lassen das dennoch nicht an anderen Menschen aus.

    Wir reden hier nicht über einen Ladendiebstahl, weil jemand kein Geld und Hunger hat. Sondern wir reden über Gewalttaten. Sowas muss frühzeitig mit aller Konsequenz und Härte sanktioniert werden. Nicht nur als Strafe für die begangene Tat, sondern auch um solchen Menschen frühzeitig klar zu machen, dass das nicht toleriert wird. Das schützt potentielle zukünftige Opfer, aber auch die Täter selbst, ehe sie noch schlimmeres tun und ihr Leben endgültig versauen.
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#2 EchseAnonym
  • 10.03.2023, 10:34h
  • "Feststellen", dass eine lesben- und transfeindlich pöbelnde Schrankschwester, die einen trans Mann zu Tode prügelt, nicht queerfeindlich gehandelt hat: ein Gutachter reicht, der Typ wird es wohl nicht so gemeint haben.

    Feststellen, dass man aber auch wirklich richtig trans ist und sich nicht einfach auf Frauenparkplätze stellen will: zwei selbst zu zahlende psychiatrische Gutachten bitte, sonst müssen wir sie weiter deadnamen.

    Fuck you, Deutschland.
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#3 FennekAnonym
  • 10.03.2023, 10:56h
  • Antwort auf #2 von Echse
  • Ja, es ist wirklich ein Trauerspiel, wenn man sieht, wie Brutalos mit Samthandschuhen angefasst werden, während Menschen, die einfach nur sie selbst sein wollen und frei und selbstbestimmt leben wollen, immer und immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen werden.

    Und dann kann man sich auch noch von der Regierung immer neue Ausreden anhören, warum es noch mal und noch mal und noch mal verzögert wird.
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#4 Julian 80Anonym
  • 10.03.2023, 11:44h
  • Antwort auf #1 von Fennek
  • Ich habe mir auch schon öfter Gedanken gemacht, warum man gerade in Deutschland so nachlässig bei der Verfolgung und Bestrafung von Gewaltverbrechen ist.

    Ich glaube, das ist eine Mischung aus (zu Recht) empfundener Scham für die staatlichen Gewalttaten der deutschen Geschichte und einem falsch verstandenen Mitleid.

    Wohin das führt, sehen wir leider nur zu genau. Und wir LGBTI sind - wie andere Minderheiten (Juden, Schwarze, etc.) auch - die ersten, die das am eigenen Leib zu spüren bekommen.
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#5 Carsten ACAnonym
  • 10.03.2023, 12:45h
  • Antwort auf #4 von Julian 80
  • Nicht das einzige, wo Deutschland nachlässig ist.

    Nur mal fünf Beispiele:

    1. Die Regierung ist in den Wahlkampf gezogen mit dem Versprechen, durch Förderung pro Jahr (!) 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Die können froh sein, wenn sie überhaupt die Hälfte schaffen.

    2. Angeblich sollte auch die Digitalisierung voranschreiten. Selbst in Städten haben nicht mal 10% der Haushalte einen Glasfaser-Anschluss. Vom Land ganz zu schweigen. Dabei ist schnelles Internet heute genauso Teil der Grundversorgung wie Elektrizität und Wasser.

    Auch die Netzabdeckung der Handys sollte verbessert werden. Da war Deutschland jahrelang auf dem vorletzten Platz in Europa. Nur Rumänien war noch schlechter. Was die Ampel geschafft hat: dass jetzt sogar Rumänien uns überholt hat. Jetzt liegt Deutschland in Europa auf dem letzten Platz bei der Netzabdeckung.

    3. Das Gesundheitssystem und die Pflegeversicherung sollten endlich auf solide Beine gestellt werden. Beide stehen kurz vorm Kollaps. Genau wie die Rente.

    4. Deutschland sollte endlich wieder eine gute, saubere, zuverlässige, pünktliche und schnelle Bahn bekommen. Jetzt ist davon die Rede, dass das noch 30-40 Jahre dauern soll.

    Und auch bei maroden Straßen und Brücken tut sich einfach mal gar nichts.

    5. Das Steuerrecht sollte radikal vereinfacht werden, weil diese Bürokratie nicht nur die Bürger und Unternehmen nervt, sondern schlichtweg das ganze Land lähmt. Was passiert da? NICHTS. Was ist für die nächsten Jahre diesbezüglich geplant? NICHTS.

    Und ich könnte noch fortfahren...

    Das passt es ja gut ins Bild, dass man Straftäter gewähren lässt. Wenn schon Versagen, dann auch richtig und in allen Bereichen...
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#6 Tom3kAnonym
  • 10.03.2023, 15:06h
  • Kein Hassverbrechen, weil der Täter selber schwul sein könnte??
    Was ist das für eine Logik? Auch Schwule können homophob und definitiv auch trans*phob sein. Bei welchen, die mit ihrer Homosexualität glücklich im reinen sind, ist ersteres vermutlich unwahrscheinlich. (kann sich aber immer noch gegen 'zu tuntige', 'zu ...' richten). Statistisch hoffentlich gering; aber kein Ausschlussargument.

    Kein Hassverbrechen, weil der Täter aus einer hasserfüllt queerphoben 'Kultur' kommt, die womöglich in seiner Familie noch fortwirkt?
    Was wäre das für eine Logik?? Das wäre doch eher ein Argument für eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Hass im Spiel war.
    (Dass es Gewalt war, steht ja wohl außer Frage).

    Auch falls wegen des Substanzkonsums auf 'eingeschränkt schuldfähig' o.ä. plädiert werden sollte, ändert das nichts. Die Drogen mögen Hemmschwellen u/o Selbsteinschätzung verschieben - eine Hasstat bleibt eine Hasstat.
    (Zumal ich das mit der verminderten Schuldfähigkeit schon fraglich finde, wenn jemand die Substanzen bewusst und freiwillig eingenommen hat).
    Letztendlich gehts auch nicht nur drum, was er evtl. wollte (z.B. durch den Hass auf andere sein eigenes "Normalsein verteidigen") - sondern darum, was er getan hat.

    Gibt es irgendeine andere Erklärung dafür, warum der Täter erst die Frauen und dann Malte C. angegriffen haben soll?
    Nein?
    Bleibt Hass.
    Vor welchem Hintergrund auch immer.
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#7 FinalmSposato
  • 10.03.2023, 16:00h
  • Antwort auf #6 von Tom3k
  • Danke Tom für diese Ausführungen. Ganz deiner Meinung.

    Hass gibt es auch unter uns. Meine Devise ist deshalb immer, man hüte sich wenn möglich vor Schrankschwestern Die können unberechenbar werden. Sie mögen ganz und gar nicht, wenn andere selbstbewusst und offen mit ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität umgehen. Das kann bei denen Neid und leider manchmal auch Hass und Gewalt triggern.
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#8 Tom3kAnonym
  • 10.03.2023, 17:37h
  • Antwort auf #7 von FinalmSposato
  • Naja... es gibt auch Menschen mit, ich sag mal gleichgeschlechtlichen Interessen (um ihnen keine Bezeichnung überzustülpen), die sich der Thematik aber erstmal vorsichtig als Allies nähern.
    Und es gibt solche, die bewusst verstecken, aber deswegen mit Sicherheit einen großen Bogen um einen CSD machen würden.
    Um überhaupt etwas, das einen - aus welchem Grund auch immer - unangenehm berührt, aktiv anzugreifen, muss schon noch etwas dazukommen.

    Die gesellschaftliche Bestätigung/Vorbild, das Recht oder die Macht dazu zu haben bzw. daraus ziehen zu dürfen, halte ich für problematischer.

    Deswegen ist mir so wichtig, dass Hass Hass genannt wird und nicht mit "Abgrenzungsbedürfnis" o.ä. entschuldigt wird.

    Eigentlich könnte sich jeder mit "Ich bin nicht schwul" abgrenzen. Jdf. wenn wir endlich mal auf Selbstbestimmung und Selbstaussage setzen würden, statt ständig für/über andere zu befinden, was sie sind, sein, tun oder zeigen dürfen.
    Dann bräuchte sich niemand auf so absurde Art 'beweisen' und auch nicht andere bekämpfen, die eben "schwul sind" (oder trans*/sonstwie queer).
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#9 la_passanteAnonym
  • 11.03.2023, 17:56h
  • Deutschland hat fix und fertig, schon sehr lange. Und wird sich in Jahrzehnten nicht ändern. Ich weiß warum ich schon vor langer Zeit ausgewandert bin.
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#10 PrideProfil
  • 11.03.2023, 19:50h...
  • Das Gutachten, daß der Typ nicht queerfeindlich ist, weil selbst homosexuell, ist Blödsinn und geht in keinen Menschenverstand. Es gibt mit dem Fotografen und den Polizisten Zeugen, die wohlmöglich teils nah um den Zeitpunkt des Verbrechengeschehens einen Eindruck vom der Verfassung des Typen wiedergeben können. Mensch hätte mit dem Typen reden können, ist schon mal eine Zeugenaussage, die den Typen noch relativ klar im Kopf erscheinen läßt. Insbesondere aber der Fotograf, zu dem der Typ ja wohl klaren Kopfes hinging, sollte doch noch mal befragt werden, wie zurechnungsfähig er ihm erschien. Mit allem gibt es aber insbesondere auch noch die vielen Zeug*innen, die unmittelbar das Verbrechen einschließlich der ganzen queerfeindlichen Schimpftiraden erfahren haben und insbesondere auch Eindrücke von der Verfaßtheit des Typen machen können. Und die Aggressivität des Typen, insbesondere bei der ersten Begegnung mit der Polizei, vielleicht zeitlich sogar noch unmittelbar nah am begangenen Verbrechen, wenn nicht auch der zweiten, könnte ja wohl auch weiter noch mit der Queerfeindlichkeit des Typen im Zusammenhang stehen.
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