Der deutsche Luganer Theologieprofessor Manfred Hauke muss sich vor Gericht verantworten. Gegen den Herausgeber der Zeitschrift "Theologisches" erhob die Tessiner Staatsanwaltschaft Anklage wegen Diskriminierung und Aufstachelung zum Hass.
In der in Deutschland herausgegebenen Zeitschrift hatte ein polnischer Autor schwule Priester unter dem Titel "Über die Notwendigkeit, homosexuelle Cliquen in der katholischen Kirche zu begrenzen" als "Parasiten" und "Plage" bezeichnet und als "Krebsgeschwür, das sogar bereit ist, seinen Wirt zu töten". Seine Argumentation: Homosexuelle sind für die sexuelle Gewalt verantwortlich, die innerhalb der katholischen Kirche ausgeübt worden ist. Deshalb müssten Schwule aus dem Priesteramt entfernt werden.
Gegen einen Strafbefehl erhob Hauke zunächst Einspruch, weshalb es nun zu dem öffentlichen Prozess kommt. Der Herausgeber wollte eine Geldstrafe auf Bewährung nicht akzeptieren.
Verfahren gegen andere Beschuldigte eingestellt
Der Aufsatz des polnischen Theologieprofessors Dariusz Oko war im Januar 2021 erschienen. So wie Oko hatte auch der Chefredakteur der Zeitschrift, Johannes Stöhr, Einspruch gegen einen zunächst erteilten Strafbefehl erhoben, so dass es zum Prozess vor dem Amtsgericht Köln kam. Ermittlungen gegen Hauke hatte die Staatsanwaltschaft abgelehnt.
In einem zweiten Teil des Artikels hatte Oko außerdem von "homosexuellen Raubtieren" und im Zusammenhang von Homosexualität von einer "Krankheit" gesprochen (queer.de berichtete).
Oko und Stöhr konnten im Mai 2022 je eine Einstellung des Verfahrens vor dem Amtsgericht erreichen – gegen Auflage von Zahlung von 3.150 Euro im Falle Okos und 4.000 Euro im Falle Stöhrs (queer.de berichtete). Der Verzicht auf eine Verurteilung lag zudem unterhalb der ursprünglich auf 4.800 Euro gegen den Autor bzw. 9.100 Euro gegen den Redakteur ausgestellten Strafbefehle.
Hauke verteidigte Artikel auch inhaltich
Doch Manfred Hauke ist nicht nur als Herausgeber der Zeitschrift mitverantwortlich für die Verbreitung des Hassartikels. Er verteidigte ihn später offensiv in einem Interview auf dem Portal kath.net.
Der Autor habe lediglich "die Alarmglocken läuten" wollen, so Hauke in dem Interview (queer.de berichtete). Kritik an einer "kriminellen Mafia", die Oko unter homosexuellen Priestern erkannt haben will, sei keine Volksverhetzung. Ferner erklärte Hauke, dass es in Okos Artikel nicht um "Homosexuelle im Allgemeinen und nicht einmal pauschal um Kleriker mit gleichgeschlechtlichen Neigungen" gehe, sondern "um kriminelle Aktivitäten".
Die Vorwürfe seien nur zustande gekommen, weil der Anzeigenersteller, der Münchner Priester Wolfgang F. Rothe, die Passagen "aus dem Gesamtzusammenhang herausriss". "Er hat damit in der Öffentlichkeit gegen die Professoren Oko und Stöhr, dann aber auch gegen 'Theologisches' und gegen meine Person als Herausgeber, Hass gesät und Diffamation betrieben."
Nur über die genaue Wahl der Begrifflichkeiten könne man streiten, denn: "Selbst Verbrecher haben eine Menschenwürde, die zu respektieren ist." Man werde "die Freiheit des Glaubens, der Meinung und der Wissenschaft gegen Übergriffe verteidigen" hatte sich Hauke in dem Interview noch kämpferisch gegeben. "Wir wollen nicht vor dem degenerierten Zeitgeist auf die Knie fallen. Nur tote Fische schwimmen stets mit dem Strom." Dass es zu einer Anzeige durch einen Priester gekommen sei, liege auch daran, dass "Regenbogenfahnen in unseren Pfarreien" hingen.
Diplomatische Scherereien
Die Regierung in Warschau hatte nach Bekanntwerden des Strafbefehls gegen Oko Vorwürfe gegen die deutsche Justiz erhoben. Vize-Justizminister Marcin Romanowski sah die Meinungsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.
Er erkenne "freiheitsfeindliche Tendenzen im deutschen Rechtsschutzsystem", sagte der Politiker der nationalkonservativen Partei Solidarisches Polen der Deutschen Presse-Agentur damals. "Die Verhängung von Strafen für wissenschaftliche Tätigkeiten stellt eine Bedrohung der Grundfreiheiten und europäischen Standards dar." (queer.de berichtete)
Neues Verfahren findet in der Schweiz statt
Ins Rollen war das Verfahren durch die Anzeige des Münchner Priesters Wolfgang Rothe gekommen. Für Hass und Hetze dieser Art dürfe in der katholischen Kirche kein Platz sein, hatte der der dpa damals zur Begründung gesagt. Zeitweise stand der Münchner nach eigenen Angaben im Zentrum eines Shitstorms, wurde von polnischen Konservativen angefeindet und bedroht. Sicherheitshalber habe er sein Namensschild von der Wohnungstür abgenommen.
Die Kölner Staatsanwaltschaft wollte aber auf eine weitere Anzeige Rothes auch gegen den "Theologisches"-Herausgeber Manfred Hauke nicht ermitteln. Zwar bewerte man seine später erschienene Verteidigung von Oko unter der Nutzung von Begriffen wie "Verbrecher" als "heftige Schmähung und einen Angriff auf individuelle Persönlichkeitsrechte" schwuler Priester. Die Grenze zur Volksverhetzung sei in diesem Text aber nicht überschritten worden.
Dagegen wandte sich aber die Schweizer Organisation Pink Cross, die im Tessin ebenfalls Anzeige stellte (queer.de berichtete). Die Gruppe hatte die Auffassung vertreten, dass Hauke als Herausgeber der Zeitschrift, in der der Hetzbeitrag erschienen war, eine Mitverantwortung trage. Das sah nun wohl auch die Staatsanwaltschaft so.
Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross, freute sich über die nun erhobene Anklage. Er erwarte eine rechtskräftige Verurteilung. Auch der Arbeitgeber von Hauke, die unter dem Namen "Theologische Fakultät Lugano" firmierende Hochschule, müsse dann reagieren und Konsequenzen gegen Hauke ziehen. Hauke dürfe nicht länger an einer öffentlichen Hochschule lehren. Hauke lehrt gegenwärtig Dogmatik und Patrologie.
In einer Stellungnahme verurteilte die Hochschule Diskriminierung und Aufstachelung zum Hass. Man vertrete Werte wie Offenheit. Zur Forderung nach einer Entlassung Haukes aber äußerte sich die Hochschule nicht. (jk)