In der katholischen Kirche Deutschlands wird es demnächst offizielle Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare geben. Nach jahrelanger Debatte sprach sich der Synodale Weg am Freitag in der entscheidenden zweiten Lesung auch mit einer Mehrheit der Bischöfe für einen Antrag mit entsprechender Handlungsempfehlung aus. Er umfasst auch Segnungen nicht oder erneut verheirateter Paare.
Das Forum zu Reformen innerhalb der katholischen Kirche trifft sich bis Samstag in Frankfurt am Main zum letzten Mal, bevor viele Beschlüsse, wie auch solche aus ähnlichen Formaten in weiteren Ländern, an den Vatikan übergeben werden. Beim Synodalen Weg müssen die Anträge eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 210 Mitglieder des Gremiums aus Bischöfen und katholischen Lai*innen erhalten, zudem müssen sie von den 67 Bischöfen mit Zwei-Drittel-Mehrheit abgesegnet werden.
Die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, die nun zunächst von Bischofskonferenz, dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken und weiteren Beteiligten aus dem Synodalen Weg vorbereitet wird und deren Formalien nach den ersten Segnungen ab März 2026 evaluiert werden sollen, gilt im Vergleich zum Ehesakrament für die Basis und viele Mitarbeitende als Minimallösung, innerhalb der weltweiten katholischen Kirche allerdings als seltener und vom Vatikan abgelehnter Schritt. Für den Antrag stimmten 116 Delegierte, 14 dagegen und 12 enthielten sich. Enthaltungen werden wie Nicht-Anwesenheit gewertet, bei der Berechnung von Mehrheiten also ignoriert. Bei den Bischöfen gab es 38 Ja-Stimmen, neun Nein-Stimmen und elf Enthaltungen. Details der namentlichen Abstimmungen sollen später veröffentlicht werden.
Eine Sperrminorität konservativer Bischöfe hatte im letzten September noch einen umfassenden Grundsatztext zur Neubewertung der katholischen Sexualmoral verhindert (queer.de berichtete), was von vielen engagierten Lai*innen, aber auch einigen reformwilligen Bischöfen als Enttäuschung aufgefasst wurde. Später stimmte die Versammlung immerhin für einen Beschluss zu einer Neubewertung von Homosexualität, die "ethisch grundsätzlich nicht anders zu beurteilen" sei als Heterosexualität (queer.de berichtete). Der Dialog mit der Basis – und die innerkirchliche Initiative #OutInChurch – sorgte unter anderem auch für Änderungen im Arbeitsrecht, wonach queere Mitarbeitende als "Bereicherung" begrüßt und nicht mehr gekündigt werden (queer.de berichtete).
Insgesamt werden einige angestoßene Reformen zumindest eine (Teil-)Umsetzung in Deutschland erfahren. Im Vatikan dürften die meisten Reformansätze trotz vieler Kompromisse allerdings auf Ignoranz und Verbote nach unten stoßen. Unter anderem gegen die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare hatte die weltweite Kirchenführung ein zunehmendes Störfeuer gestartet, auf die kirchliche Lehre verwiesen und vor Spaltungen gewarnt. "Ich kann nur hoffen und beten, dass keine Entscheidungen durchgepeitscht werden, die durch den Glauben der Kirche nicht gedeckt sind", sagte etwa Erzbischof Georg Gänswein, der langjährige Privatsekretär von Benedikt XVI., am Donnerstag der dpa. Positionen des Synodalen Weges drohten, "die katholische Kirche in Deutschland aus der Einheit mit der Universalkirche herauszuführen".
Keine Ehe, aber Segen für alle
Der Antrag für "Segensfeiern für Paare, die sich lieben" (PDF) ist eine Aufforderung allein an die deutschen Bischöfe (und letztlich deren Selbstverpflichtung), Segensfeiern unter anderem für gleichgeschlechtliche Paare (wie auch Geschiedene oder Paare nach zivilrechtlicher Eheschließung) als "diözesane Liturgie" einzuführen und entsprechende Formularien, Fortbildungen und Begleitungsmöglichkeiten der Paare vorzubereiten. Seelsorgende sollten eine entsprechende Segnung entsprechend ihrem Gewissen ablehnen können, für eine Durchführung aber auch keine Konsequenzen fürchten müssen.
Entsprechende Zeremonien hatten einige deutsche Gemeinden in den letzten Jahren auch ohne Segen des Vatikans durchgeführt, auch im Rahmen der sehr bewussten Aktion #LiebeGewinnt (queer.de berichtete). "Die Entscheidung, diesen Segen zu schenken, treffen die Seelsorgenden daher nach ihrem Gewissen und in vielen Fällen im Konflikt zu lehramtlichen Vorgaben", heißt es im Beschluss. "Diese Situation der Unklarheit und Uneinheitlichkeit wird mit dem vorliegenden Beschluss geklärt, gesichert und liturgisch geordnet."
Eine kirchliche Ehe für alle, also eine richtige Gleichstellung, fordert der Beschluss nicht. "Die Segensfeier unterscheidet sich von der Liturgie einer sakramentalen Ehe", wird sogar versucht, Kritik von konservativer Seite vorzubeugen. Die Glaubenskongregation des Vatikans hatte auch Segnungen abgelehnt. Für die weltweite Kirche verweist der deutsche Beschluss nur auf den vorherigen zur Neubewertung von Homosexualität, der unter anderem eine Abschaffung der Bewertung als Sünde, eine Anerkennung an der Mitschuld der Verfolgung und des Leids Homosexueller, eine Ablehnung von Konversionstherapien und die Annahme und Nicht-Entlassung homosexueller Mitarbeitenden fordert. Das Thema Segnung oder gar Ehe gleichgeschlechtlicher Paare ist darin nicht enthalten.
"Ich halte uns als Weltkirche für so interkulturell divers, dass wir an dieser Stelle sagen müssen: Wir müssen es in unserem Land anders beantworten als woanders. Ich achte sehr, was in Afrika geschieht", hatte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck in der Debatte zu seinem Ja zum Antrag gesagt. "Ich achte sehr, was woanders geschieht. Aber ich darf auch erwarten, dass andere das achten, was bei uns zu achten ist."
Dutzende Änderungsanträge und mehrere Bischofs-Hardliner
Zu dem Beschluss gab es dutzende Änderungsanträge aller Seiten, die zunächst nicht näher öffentlich wurden. Die Sprecherin der Antragskommission sprach von mehreren Kompromissen, die aber das Ziel, offizielle Segnungsfeiern in Deutschland zu ermöglichen, nicht in Frage stellen würden. Zu den Änderungen zählten etwa die Beteiligung der Bischöfe bei der konkreten Ausgestaltung der Feiern und beim Zeitraum zur Erstellung der Regularien. Jens Ehebrecht-Zumsande von #OutInChurch kritisierte unter anderem auf Facebook, dass Paare jetzt den Segen wollten, aber nun noch Jahre warten müssten.
Brigitte Vielhaus, Bundesgeschäftsführerin der kfd, kritiserte in der Debatte die erneuten Kompromisse als Teil-Abschwächung. Die Bereitschaft zum Kompromiss werde "überstrapaziert". Reinhard Kardinal Marx betonte, er werbe "sehr" für Zustimmung zum Beschluss. Bischof Stefan Oster sagte, er werde diesen als "Tür zur Beliebigkeit" ablehnen. Bischof Gregor Maria Hanke sprach sich ebenfalls dagegen aus und warnte vor einer "Zerissenheit" wie bei den Anglikanern, Bischof Rudolf Voderholzer warnte vor dem Ehesakrament für Homosexuelle und Leihmutterschaft als Folge der Segnung.
Reinhard Kardinal Marx während der Debatte
Bischof Franz-Josef Bode, Bischof Heiner Wilmer und Weihbischof Josef Holtkotte sprachen sich hingegen für die Segnungen aus. Weihbischof Ludger Schepers erinnerte zu seinem Ja an den Holocaust-Gedenktag und dabei auch an die bis heute anhaltende Verfolgung Homosexueller und an die unantastbare Würde der Menschen. Weihbischof Herwig Gössl betonte, erst müsse die Neubewertung von Homosexualität, die er unterstütze, durch den Vatikan im Katechismus berücksichtigt werden, um sein Ja zu ermöglichen. Er werde sich aber enthalten, um die Kompromisse zu würdigen.
Die Religionslehrerin Mirjam Gräve betonte, sie habe sich mit ihrer Ehefrau dagegen entschieden, einen kirchlichen Segen einzuholen – man wolle kein Bittsteller sein, der abgelehnt werden könne. Daher bitte sie um Zustimmung zum Antrag, die Segnungen offiziell zu ermöglichen. Mehrere Redner*innen betonten, dass bereits die Segnung ein Kompromiss ist und eigentlich das Ehesakrament das Ziel sein müsste.
Zum Abschluss berichtete Johan Bonny, der Bischof von Antwerpen, über den letztjährigen Beschluss der Bischofskonferenz in Flandern, gleichgeschlechtliche Paare zu segnen (queer.de berichtete). Man habe sich informell mit dem Vatikan und Papst Franziskus abgestimmt. Der Papst habe zu ihm nur gesagt: "Das ist Ihre Entscheidung." Es sei ihm wichtig gewesen, dass alle Bischöfe dahinter gestanden hätten.
Kritik: Kompromisse mit Macht durchgesetzt
Die Synodalversammlung ist das zentrale Gremium des Reformprozesses Synodaler Weg, der Ende 2019 begonnen worden ist und nun vorerst zum Abschluss gebracht werden soll. Angestrebt wurden Reformen in vier Bereichen: Position der Frau, Umgang mit Macht, katholische Sexualmoral und Pflichtzölibat der Priester. Der Reformprozess begreift sich als Reaktion auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Papst Franziskus und die römische Kurie – die Zentralverwaltung im Vatikan – haben deutlich gegen die geplanten Reformen Stellung bezogen, was in Deutschland einige Bischöfe in ihrer konservativen Haltung bestärkte und viele Laien an der Sinnhaftigkeit des Dialogs zweifeln ließ.
Ein entsprechender Showdown zwischen Reformern und Konservativen war am Donnerstag zum Beginn der fünften Versammlung allerdings zunächst ausgeblieben. Stattdessen einigte man sich in der Frage des Pflichtzölibats für katholische Priester auf eine vergleichsweise vage Formulierung: Die Synodalversammlung bat Papst Franziskus, eine Aufhebung der priesterlichen Verpflichtung zur Ehelosigkeit zu prüfen. Eine schärfere Fassung mit der Forderung, die Pflicht aufzuheben, wurde verworfen.
Auch am Freitagmorgen war es beim Text "Verkündung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament" zu Debatten über Änderungsanträge gekommen. Letztlich setzten sich aber die Bischöfe mit Änderungen durch, so dass laut Medien die Passagen als Prüfanträge und nicht Beschluss verstanden werden. Die jeweiligen Änderungsanträge lassen sich über die Webseite und Auftritte des Synodalen Wegs in sozialen Netzwerken nicht direkt nachvollziehen.
Beym Synodalen Weg könne man "im Livestream verfolgen, wie die Bischöfe weiterhin ihre Macht missbrauchen und die Synodalversammlung bei jedem Text (mit Änderungsanträgen auf den letzten Drücker) erpressen, die Texte abschwächen und verwässern", kritisierte Jens Ehebrecht-Zumsande von #OutInChurch in sozialen Netzwerken. Am Ende kämen Texte heraus, "die das bestehende System nicht in Frage stellen, nur minimal erweitern und keinerlei Paradigmenwechsel bedeuten".
Beschluss zu geschlechtlicher Vielfalt folgt
Im späteren Verlauf des Freitags (Update: am Samstagmorgen) soll das Gremium noch weitere Beschlüsse fassen, in zweiter Lesung unter anderem über das Thema Frauen in sakramentalen Ämtern und über den Antrag "Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt" (PDF). Dadurch sollen unter anderem in Deutschland inter- und transgeschlechtliche Menschen in Taufregistern anerkannt werden und ihnen je nach Partnerschaft eine Ehe oder eine Segnungsfeier ermöglicht werden. Menschen sei wegen ihrer Geschlechtsidentität keine Einstellung zu verweigern oder Kündigung auszusprechen. Beschäftigte sollten für das Thema geschlechtliche Vielfalt ausgebildet werden und Diözesen LSBTI*-Beauftragte stellen.
Auf weltweiter Ebene "empfiehlt" der Antrag dem Vatikan, seine Erkenntnisse und Lehren zu den Geschlechtern der Wissenschaft anzupassen und "geschlechtliche Vielfalt als Teil der Schöpfung" anzuerkennen. "Die Abwertung trans- und intergeschlechtlicher Menschen insbesondere durch die Unterstellung einer 'Gender-Ideologie' ist zu unterbinden", so der Text, auch sei unter anderem eine Vatikan-Forderung, intersexuelle Kinder medizinisch auf ein Geschlecht festzulegen, zurückzunehmen. (cw/dpa)
Also stimmen sie für weitere Diskriminierung.
Denn alles, was nicht 100% Gleichstellung ist, ist per definition Diskriminierung.
Interessant auch, dass es erst mit immer mehr Austritten an deren Einnahmen gehen muss, ehe die mal auf die Idee kommen, dass man Menschen nicht den Segen verweigern kann, wenn man Tiere, Gebäude, Spielzeuge, Fahrzeuge und sogar Waffen segnet... Ist also nur etwas, was lange überfällig war, aber kein Schritt zu voller Gleichstellung. Denn genauso wie die niemals Tiere, Fahrzeuge oder Waffen verheiraten werden, werden die auch bei Schwulen und Lesben an dieser Diskriminierung festhalten.