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Die Horrorkomödie "Sissy" ist unterhaltsam und bietet überraschende Tiefe: Cecilia trifft nach Jahren ihre Jugendfreundin Emma wieder und wird spontan zu ihrer "Hen Night" eingeladen. Dort eskaliert die Gewalt…
Du wirst geliebt, du bist besonders, du bist genug: Diesen Bestätigungsdreiklang sagt sich Cecilia (Aisha Dee) immer wieder mantraartig vor. Positive Selbstbekräftigungen, die die junge Frau offenbar nötig hat – und die sie als Mental-Health-Influencerin mit ihren 200.000 Follower*innen teilt. Sie verdient ihr Geld mit positiver Zusprache, mit Meditationstipps, mit Herzchen, mit denen sie Kommentare beantwortet.
Ausgerechnet in einer Apotheke begegnet sie Emma (Hannah Barlow), einer alten Jugendfreundin. Die beiden haben sich über zehn Jahre nicht gesehen, jetzt freut sich Emma umso mehr, Sissy zu treffen. Cecilia, korrigiert sie sofort, ihren alten Spitznamen – der zugleich als "Weichei"-Beleidigung dient – trägt sie schon lange nicht mehr. Man merkt, dass hier eine Geschichte lauert. Emma ist so überschwänglich, dass sie Cecilia sofort zu ihrem Junggesellinnenabschieds-Wochenende einlädt.
Regenbogenbunte "Hen Night"
Die Influencerin kommt in dem einsamen Haus im Wald an, es wartet eine regenbogenbunte, glitzernde Party auf sie. "Same Vagina Forever" steht in Luftballonbuchstaben über dem Esstisch, die Gäste fast schon klischeehaft netflixdivers: Emmas Verlobte Fran (Lucy Barrett), die asiatischstämmige Freundin Tracey (Yerin Ha), der überdreht-schwule Jamie (Daniel Monks) und Emmas Trauzeugin Alex (Emily De Margheriti).
Rund die erste Hälfte dreht sich "Sissy" vor allem um die Jugendstreitigkeiten zwischen Cecilia, Emma und Alex: Cecilia schwelgt in Erinnerungen an die ach so enge Freundschaft mit Emma, zeigt alte Videos der beiden, in denen sie sich ewigen Zusammenhalt versprechen. Alex zischt Emma immer wieder zu, dass Cecilia irre sei, und fragt sich, weshalb sie überhaupt eingeladen wurde. Dass dahinter mehr als Gezicke steckt, zeigt eine Rückblende – damit ist auch klar, woran die Freundinnenschaft der drei zerbrach.
Plötzlich wird die Teenie-Tragikomödie zum Horrorfilm
Der australische Film von Hannah Barlow und Kane Senes, die gemeinsam das Drehbuch schrieben und Regie führten, ist lange Zeit eine zwar hochwertig gefilmte und gut gespielte, aber eher seichte Teenie-Tragikomödie, wie man sie dutzendfach auf Streaming-Portalen findet. Diversität ist hier weder handlungsentscheidend noch -treibend, aber auch nicht nur bloße Dekoration. "Sissy" hat einen sehr queeren Cast, ist aber kein queerer Film.
Doch das Warten lohnt sich. Denn sobald Cecilia und Alex mal alleine im Wald sind, zeigt die sonst so achtsame Influencerin mit der weichen Stimme sich von einer ganz anderen Seite. Alex hat mit ihrer Vermutung gar nicht so Unrecht – es dauert nicht lang, bis Cecilia sie brutal umbringt und nur halb im Wald verscharrt.
"Sissy" entwickelt sich dann umso schneller zu einem actionreichen, blutspritzenden und gewaltvollen Horrorfilm, dem viele Zufälle helfen, um zum überraschenden Ende zu kommen. Manchmal ist nicht ganz klar, ob die Komik eher unfreiwillig oder bewusste Satire ist – aber beides würde auf seine Weise funktionieren. Außerdem bemüht sich der Film sogar, an ein paar tiefsinnigeren Fragen rund um Authentizität und Gerechtigkeit zu kratzen – im Vergleich zu anderen Filmen des Genres wird hier also sogar Tiefe erzeugt, wo man sie gar nicht erwartet hätte.
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Mehr queere Kultur:
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