Die Synodalversammlung als quasi parlamentarische Versammlung des Synodalen Wegs fand insgesamt fünf Mal statt (Bild: Synodaler Weg / Maximilian von Lachner)
Bei der vorerst letzten Synodalversammlung des Reformprozesses Synodaler Weg innerhalb der katholischen Kirche in Deutschland wurde am frühen Samstagmorgen auch der Antrag "Umgang mit geschlechtlicher Vielfalt" (PDF vor Änderungen) beschlossen.
Für den Antrag stimmten 170 Delegierte, 8 dagegen und 19 enthielten sich. Darin enthalten sind seitens der Bischöfe 38 Ja-Stimmen, sieben Nein-Stimmen und 13 Enthaltungen. Das klare Ergebnis wurde mit längerem Applaus quittiert. Beim Synodalen Weg müssen die Anträge eine Zwei-Drittel-Mehrheit aller Mitglieder des Gremiums aus Bischöfen und katholischen Lai*innen erhalten, zudem müssen sie von den 67 Bischöfen mit Zwei-Drittel-Mehrheit abgesegnet werden, was konservativen Bischöfen die Möglichkeit zur Sperrminorität bietet. Details der namentlichen Abstimmungen sollen später veröffentlicht werden.
In dem Papier empfiehlt das Gremium den Bischöfen laut der Vorlage, "konkrete Verbesserungen für inter- und transgeschlechtliche Gläubige" in den (Erz-)Diözesen umzusetzen. Unter anderem sollen in Deutschland inter- und transgeschlechtliche Menschen in Taufregistern anerkannt werden und ihnen je nach Partnerschaft eine Ehe oder eine Segnungsfeier ermöglicht werden. Menschen sei wegen ihrer Geschlechtsidentität keine Einstellung zu verweigern oder Kündigung auszusprechen. Beschäftigte sollten für das Thema geschlechtliche Vielfalt ausgebildet werden und Diözesen LSBTI*-Beauftragte stellen. Der Empfehlungsbeschluss ist keine Verpflichtung an die jeweiligen Bischöfe.
Auf weltweiter Ebene "empfiehlt" der Antrag dem Vatikan, "dafür Sorge zu tragen, dass transgeschlechtliche und intergeschlechtliche Menschen in unserer Kirche unbeschadet, ohne Anfeindungen und ohne Diskriminierung ihr Leben und ihren Glauben in ihrem So-Sein als Geschöpfe Gottes leben können". Dazu gehöre auch, "sich als Kirche explizit von Ansichten zu distanzieren, die Inter- und Transgeschlechtlichkeit als krankhafte, negative oder gar sündhaft angesehene Abweichung darstellen".
Konkret wird etwa gefordert, die Erkenntnisse und Lehren zu den Geschlechtern der Wissenschaft anzupassen und "geschlechtliche Vielfalt als Teil der Schöpfung" anzuerkennen. "Die Abwertung trans- und intergeschlechtlicher Menschen insbesondere durch die Unterstellung einer 'Gender-Ideologie' ist zu unterbinden", so der Text, auch sei unter anderem eine Vatikan-Forderung, intersexuelle Kinder medizinisch auf ein Geschlecht festzulegen, zurückzunehmen.
Kompromisse und "klare" Zeichen
Unklar blieb zunächst noch, ob und wie diese und andere Passagen durch die angenommenen Änderungsanträge geändert wurden. In den letzten Tagen war mehrfach kritisiert worden, dass Bischöfe Vorlagen durch entsprechende Anträge in letzter Minute und im Rahmen des letzten Treffens des Gremiums "verwässert" und "weichgespült" hätten.
In der Debatte hatten sich einige Bischöfe gegen den Beschluss gestellt. Weihbischof Stefan Zekorn betonte die Wichtigkeit, niemanden zu diskriminieren, aber er könne einem Text nicht zustimmen, der "auf Gender-Theorie basiert". Auch Stefan Oster sprach sich gegen den Beschluss aus. Bischof Felix Genn bat um Verständnis für seine Enthaltung, da er vieles unter anderem aus der Einleitung (noch) nicht nachvollziehen könne. Zugleich bat er um Zustimmung für seinen (mit angenommenen) Änderungsantrag, eine Arbeitsgruppe zum weiteren Dialog einzurichten.
Die diverse Lehramtsstudent*in Mara Klein betonte als Mitglied der Antragskommission, sich oft mit anderen Mitgliedern stark gestritten zu haben. "Ich habe viel mit mir gerungen, ob ich diesen Weg noch weitergehen kann, ob ich die Kraft habe." Klein verstehe, wenn nicht jeder allem zustimmen könne, verstehe Angst und Unsicherheit. "Fragen Sie sich bitte, bevor sie abstimmen, wie Sie mit dieser Unsicherheit in ihrer Macht umgehen wollen." Den eigenen Umgang damit zeige Klein mit der Bereitschaft "zu vielen Kompromissen, die den Text zustimmungsfähiger gemacht haben, meiner anhaltenden Bereitschaft, mich verletzen zu lassen, weil ich sehe, dass es uns weiterbringt."
Mara Klein während der Debatte
"In westlichen Gesellschaften stellt sich die Frage, ob wir eine Kirche werden, die den Anschluss an die wohlbegründeten ethischen Überzeugungen der Bürgerinnen und Bürger verliert, ob wir in eine rechte Ecke abrutschen", betonte der Theologe Bernhard Emunds. Eine Ecke, wie sie von der Mehrheit verachtet werde. "Ein entscheidender Punkt ist die ständige Rede von 'Gender-Ideologie', die den rechtskonservativen Kreisen in der Kirche eine unglaubliche Nähe zu Rechtspopulisten und Rechtsradikalen gibt." Der Beschluss des Textes als "klare Zurückweisung der Rede von 'Gender-Ideologie'" und als Bestätigung offenen Redens über trans Identitäten sei essenziell.
Synodaler Weg vor Abschluss
Mit der fünften Synodalversammlung in Frankfurt von Donnerstag bis diesen Samstag schließt die Kirche den quasi parlamentarischen Teil des Reformprozesses ab. Nun folgt teilweise die Umsetzung der Empfehlungen durch die Kirche in Deutschland und die Weitergabe der Beschlüsse nach Rom – der Vatikan hatte viele Vorhaben abgelehnt. Dazu gehört die offizielle Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, wie sie einige Gemeinden bereits inoffiziell durchführten. Am Freitag hatte der Synodale Weg mit großer Mehrheit aus Lai*innen und Bischöfen beschlossen, künftig entsprechende Segnungsfeiern – aber keine Ehesakramente – zu ermöglichen (queer.de berichtete).
Der Reformprozess begreift sich als Reaktion auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche und war Ende 2019 begonnen worden. Angestrebt wurden Reformen in vier Bereichen: Position der Frau, Umgang mit Macht, katholische Sexualmoral und Pflichtzölibat der Priester. Die Beschlüsse enthalten Empfehlungen und Verpflichtungen für die Kirche in Deutschland und teilweise Rückmeldungen an den Vatikan, wie er sie auch aus anderen Ländern erhält. Die Kirchenführung in Rom hatte viele Reformbestrebungen aus Deutschland, etwa zur Segnung gleichgeschlechtlicher Paare, abgelehnt. Der Synodale Weg stimmte auch für einen Beschluss zu einer theologischen Neubewertung von Homosexualität, die "ethisch grundsätzlich nicht anders zu beurteilen" sei als Heterosexualität (queer.de berichtete) – eine klare Ablehnung des derzeitigen Katechismus aus Rom.
Der Dialog mit der Basis innerhalb des Synodalen Wegs – und die innerkirchliche Initiative #OutInChurch – sorgte unter anderem auch für Änderungen im Arbeitsrecht der deutschen Kirche, wonach queere Mitarbeitende als "Bereicherung" begrüßt und nicht mehr gekündigt werden (queer.de berichtete). (cw)