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Interview

"Wissen noch zu wenig über queere Obdachlosigkeit"

In Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe werden Queers gerne übersehen. Die Berliner Initiative queerhome versucht, die Lage in der Hauptstadt zu verbessern – und Wissen zu generieren.


Kathrin* Schultz vom Projekt queerhome (Bild: Barbara Dietl)

Kathrin* Schultz arbeitet in der neu gegründeten Berliner Initiative queerhome. Das Projekt arbeitet zu Wohnungs- und Obdachlosigkeit speziell unter Queers und wird vom Senat gefördert. Mit Schultz haben wir uns über die besonderen Bedarfe von Queers in der Wohnungslosenhilfe, sozialisationsbedingte Hemmnisse beim Zugang zu Hilfsangeboten bei FLINTA und Lesben* und den Ausblick auf die Wohnungslosenpolitik der "Regenbogenhauptstadt" unterhalten.

queer.de: Aus den USA weiß man aus Studien, dass bei Queers eine deutlich erhöhte Gefahr zur Wohnungs- und Obdachlosigkeit besteht. Was ist dazu eigentlich aus Deutschland bekannt?

Schultz: Das ist ein großes Manko. In Deutschland fehlen hierzu tatsächlich noch die Zahlen. Die Berliner Landesstelle für Gleichbehandlung will zu Queers und queeren Lebenslagen jetzt eine Studie machen. Daran wird queerhome auch maßgeblich beteiligt sein. Aber wir wissen noch nicht genau, wann die Studie dann tatsächlich erscheint.

Natürlich sind auch für eine Stelle wie unsere solche Zahlen sehr wichtig. Wir können bisher immer nur spekulieren. Aber selbst wenn wir nur von den offiziellen Zahlen ausgehen, wonach 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung queer sind, läuft das schon auf sehr hohe Zahlen hinaus.

Wichtig ist es immer, die Unterscheidung zwischen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit zu machen. Wir sprechen von 6.000 bis 10.000 Obdachlosen in dieser Stadt, also Menschen, die wirklich auf der Straße stehen. Dann hätten wir mindestens 600 queere obdachlose Personen. Bei Wohnungslosen, also Menschen, die kein festes Mietverhältnis haben, sind die Zahlen aber noch wesentlich höher. Da sprechen wir von 200.000 Personen. Wir wären dann also bei mindestens 20.000 Queers.

Wir hoffen, dass abseits solcher Schätzungen nach dem Querschnitt bald belastbarere Zahlen kommen. Das würde unsere Arbeit sehr erleichtern.

Müsst ihr bei Politiker*innen für Verständnis werben, dass queere Wohnungs- und Obdachlose besondere Bedarfe haben, oder möchte die Politik das gerne in die allgemeine Obdach- und Wohnungslosenhilfe eingemeindet sehen?

Schultz: Wir leisten auf diesem Feld tatsächlich Öffentlichkeits-, Vernetzungs- und Lobbyarbeit. Die Stelle queerhome ist bei einem Selbsthilfeträger gelandet und das ist sehr gut. Wir verstehen uns als Schnittstelle zwischen sozialer Wohnhilfe, queer finanzierten Projekten sowie Einzelinitiativen und Personen, die im politischen Kontext im Bereich Wohnen aktiv sind. Wir können dadurch politisch anders agieren, als würden wir selbst zur Wohnhilfe gehören, zu diesem Verwaltungsapparat. Das war uns sehr wichtig.

Seit November vergangenen Jahres wird queerhome jetzt von der Landesstelle für Gleichbehandlung finanziert. Das Projekt steht unter der Trägerschaft des queeren Sonntagsclubs, der eine fünfzigjährige Vereinsgeschichte abseits der Wohnraumfrage hat.

Und wie sieht eure Arbeit darüber hinaus aus?

Schultz: Neben dem genannten Strang gibt es die Beratung von Klient*innen und Angehörigen. Zu denen, die von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit betroffen sind und mit denen wir arbeiten, zählen übrigens auch queere Aktivist*innen sowie Gewerberäume, in denen queere Initiativen sitzen.

Der dritte Punkt ist die Sensibilisierung von Fachkräften. Wir beraten Mitarbeiter*innen in der sozialen Wohnhilfe und auf den Ämtern. Aber auch bei queeren Trägern gibt es noch fehlendes Wissen über die besonderen Bedarfe von queeren Wohnungs- und Obdachlosen.

Es gibt bei euch einen Schwerpunkt für die Zielgruppe der FLINTA-Personen. Was muss man sich unter dem vorstellen?

Schultz: Ich arbeite seit sechs Jahren mit queeren Wohnungslosen. Früher war ich in der sozialen Wohnhilfe tätig. Wir haben dort ziemlich schnell gemerkt, dass es sehr viele Grenzen in der Tätigkeit gibt. Wir können hier zum Beispiel Menschen ohne Berliner Meldeadresse nicht beraten oder solche, bei denen der Aufenthaltsstatus nicht klar ist. Und was hier auch bekannt ist, ist, dass speziell Frauen* später als andere in Beratungsstellen landen, öfters zu spät.

Zu lesbischen, nichtbinären, intergeschlechtlichen und transgeschlechtlichen Personen gibt es da keine Studien, aber speziell bei Frauen* wissen wir, dass es sehr oft eine verdeckte Wohnungslosigkeit gibt. Sie stehen etwa oft im Zusammenhang mit ihrer Wohnung in starken Abhängigkeitsverhältnissen. Es gibt da auch bestimmte Sozialisationsgründe.

Wir vermuten, dass das bei Transweiblichkeiten ähnlich ist, also bei transgeschlechtlichen Frauen und in Richtung Weiblichkeit transitionierten, nichtbinären Personen. Aber dazu gibt es ebenfalls keine Datengrundlage. Uns geht es hier nicht um ein Ranking. Aber Queers haben einfach besondere Bedürfnisse. Und auch innerhalb dieser Gruppe gibt es Abstufungen davon, wer was benötigt.

Unser zweiter Schwerpunkt liegt übrigens bei Menschen, die in der Sexarbeit tätig sind. Die sind ebenfalls sehr häufig von Wohnungs- und eben auch von Obdachlosigkeit betroffen. Hier bauen wir gerade ein neues Kooperationsnetzwerk von Projekten auf, die bisher bereits tolle Arbeit leisten.

Das Thema Wohnen spielt in Berlin darüber hinaus schon seit vielen Jahren in vielen Beratungsstellen eine große Rolle. Oft waren Queers dabei aber so eine Art Randthema. Niemand hatte so richtige Expertise. Das Ziel von queerhome ist es, hier zu bündeln, Projekte zusammen zu führen und Allianzen zu bilden.

Mit welchen Problemen haben queere Personen denn in den bisherigen Angeboten der Wohnungs- und Obdachlosenhilfe zu kämpfen?

Schultz: Queere Personen sind unserer Einschätzung nach überhaupt erst ein mal häufiger davon betroffen, wohnungs- oder obdachlos zu werden. Nicht selten bricht durch ein Coming-out oder eine Transition das familiäre Netzwerk weg. Das wird, glaube ich, noch oft unterschätzt.

Hinzu kommt: Viele der Menschen verlassen ihre Dörfer oder Kleinstädte, weil sie dort nicht gut leben können, und kommen zum Beispiel nach Berlin. Und in dem großen Pool von Menschen mit Fluchthintergrund ist es ebenfalls so, dass hier queere Personen eher versuchen, nach Berlin zu kommen.

Die Bezirksämter – sozusagen die Berliner Entsprechung der Kommunen – sind verpflichtet, Menschen möglichst vor Obdachlosigkeit zu bewahren. Sie halten dazu in der Wohnhilfe sogenannte Wohnunterkünfte vor – auch, weil es keinen Rechtsanspruch auf Einzelzimmer gibt.

Notunterkünfte und Wohnheime aber, wo wirklich auch auf trans, nonbinäre oder queere Belange eingegangen wird, gibt es nicht. In den Unterkünften, die es gibt, haben wir oft Mehrbettzimmer. Die Toiletten- und Duschräume sind baulich nicht so gegeben, um Rückzugsräume zu ermöglichen.

Notunterkünfte und Wohnheime sind davon ab unserer Meinung nach sowieso nicht besonders queerfreundlich. Aber wir müssen eben mit dem arbeiten, was wir haben.

Bei den Vereinen, die in der sozialen Wohnhilfe die langfristige Beratung machen, damit die Betroffenen ebenfalls langfristig wieder in Wohnraum gelangen können, fehlt häufig queerspezifisches Wissen. Alle, die wiederum länger in der queeren Arbeit unterwegs sind, kennen diese Dinge. Es muss natürlich immer gekämpft werden, dass die besonderen Bedarfe gehört und nicht einfach weggewischt werden. Hier setzen unsere Sensibilisierungsmaßnahmen an.

In New York wurden Unterkünfte speziell für transgeschlechtliche Personen juristisch erkämpft. In San Francisco gibt es solche speziellen Unterkünfte, die sich nur an trans Personen richten, seit 2019 von der Kommune aus (queer.de berichtete). Ein Modell für die Regenbogenhauptstadt Berlin?

Schultz: Ja, definitiv. Es gibt hier zwei, drei Sachen in diese Richtung. Etwa die Zufluchtswohnungen der AWO für LSBTIQ, die von Gewalt betroffen sind. Die haben jedoch nur vier Plätze. Jüngst gab es da eine Ausschreibung für ein neues Haus. Dann gibt es ein eigenes Flüchtlingswohnheim für Queers. Da soll noch ein zweites entstehen.

Es bräuchte aber ein eigenständiges ASOG-Wohnheim, also ein Wohnheim nach dem Allgemeinen Ordnungsgesetz – jenem Gesetz, nach dem die Bezirksämter Menschen vor unfreiwilliger Obdachlosigkeit zu schützen haben.

Gleichzeitig ist es wichtig, die Mitarbeiter*innen in den bestehenden Heimen und Unterkünften zu schulen. Denn auch für solche neuen Initiativen wie einem eigenständigen ASOG-Wohnheim speziell für Queers gibt es in Berlin kaum Gewerbeflächen. Gut ist, dass sich Projekte, die eine ehemalige Frauenförderung haben, sich inzwischen häufiger für trans und nichtbinäre Personen öffnen.

Wir haben in Berlin also ein breites Feld, auf dem auch was passiert. Nur geschieht das zu langsam. Dass die Politik das Thema jetzt erst entdeckt hat, kann leider als Beispiel dafür gelten.

Wir haben bei queerhome zwei 40-Stunden-Stellen, aber jetzt schon so viel Arbeit, dass wir noch 20 neue Leute einstellen könnten. Es gibt ein Bekenntnis der Politik, etwas zu machen. Aber noch sind das Tropfen auf heißen Steinen.

Wo wir schon bei der Politik und bei den Frauen sind: Der Sozialdienst der katholischen Frauen nimmt an den ersten Berliner "Housing First"-Projekten teil. Wäre das nicht ein Vorbild für die queere Wohnungslosenhilfe, die immer so viel mit Problemen in den Unterkünften zu kämpfen hat?

Schultz: Housing First ist ein großes Thema in dieser Stadt. Es geht hier darum, erst ein mal die Leute in Wohnraum zu bringen und die große Maschinerie eines Beratungskonzeptes nicht vorzulagern.

Der Ansatz wird immer so ein bisschen als Allheilmittel verkauft, auch von der Politik. Ich finde, dass es eine sehr interessante Herangehensweise als Beratungskonzept ist. Auf der anderen Seite stehen die klassischen – wir sagen immer: 67er-Hilfen – die es ja auch gibt und die ebenso wichtig sind.

Was heißt das, 67er-Hilfen?

Schultz: Das bezieht sich auf den §67 des zwölften Sozialgesetzbuches. Das ist eine bestimmte Rechtsform, nach der viele Projekte in Berlin arbeiten, auch große Träger wie die Caritas, Internationaler Bund, Albatros und so weiter. Der Paragraph besagt: Menschen, die von besonderen sozialen Schwierigkeiten betroffen sind, bekommen von ihrem Bezirksamt eine Beratungsmaßnahme finanziert – entweder mit Trägerwohnung oder auch ohne.

Das Ziel: Diese Schwierigkeiten langfristig abzubauen. Wohnen ist hier aber nur ein Teil. Es müssen immer noch andere Sachen hinzukommen. Es wird sehr intersektional gedacht, was ja erst ein mal gut ist: Es geht um Gesundheit, um Schulden, um Beruf.

Viele fallen hier aber einfach aus dem Raster, wie ich zuvor bereits erwähnte: Wer nicht gemeldet ist, wer keinen Aufenthaltsstatus hat, hat gar kein Anrecht auf diese Sozialleistung.

Und für viele Leute, mit denen ich in diesem 67er-Konzept auch gearbeitet habe, ist diese Beratung wirklich eine Überforderung. Man muss riesige Anträge stellen, jedes mal die Lebensgeschichte erzählen. Viele wollen das auch gar nicht.

Gerade queere Personen...?

Schultz: Genau. Housing First ist, denke ich, als weitere Möglichkeit sehr wichtig. Aber es wird auch sehr stark in der Stadt und bei der Wohnungslosenhilfe selber diskutiert. Hier gibt es glaube ich auch bei den Trägern viele Ängste.

Es gibt bei Housing First eine neue Ausschreibung über 6 Millionen Euro. Viele auch neue Träger werden sich da bewerben. Wir wiederum werden versuchen, mit denen zu kooperieren. Interessant wird dann aber: Woher sollen die Wohnungen kommen?

Die Träger, die sich auf die Projekte bewerben, sind ja selber für die Akquise zuständig, sie müssen den Wohnraum für ihre Housing-First-Angebote also selbständig auf dem Wohnungsmarkt beschaffen. Es wäre nun die Aufgabe der Verwaltung, auch die städtischen Wohnungsgesellschaften mehr in die Pflicht zu nehmen, bei Housing First mitzuarbeiten.

Gibt es spezielles Wissen zum Zusammenhang von Lesben und Obdachlosigkeit?

Schultz: Wir wissen wirklich zu wenig. Meine Erfahrung zeigt, dass es schwer ist, Lesben* mit solchen Angeboten zu erreichen.

Bei queerhome ist das Verhältnis ausgeglichener als in meinen vergangenen Erfahrungen etwa beim Humanistischen Verband. Lesben* fragen vermehrt an. Aber ich würde sagen, dass es vom Verhältnis her immer noch zu wenig Lesben* sind im Vergleich zu trans und schwulen Wohnungs- und Obdachlosen. Und das, obwohl ich selber 25 Jahre in dem Bereich gearbeitet habe und weiß, wie man Ansprachen an das Zielpublikum gestaltet. Ich bin ja auch Vorstandsfrau im Lesbenring e.V.

Wir müssen uns das alles genau anschauen und wir brauchen auch Zeit für die Kooperationen, zum Beispiel mit dem LesLeFam e.V. Auf unserer Agenda steht jedenfalls, dass queerhome irgendwann auch bundesweit arbeiten soll.

Ich bin selber lesbische alleinerziehende Mutter und weiß, wie schwierig es an manchen Stellen gerade auch finanziell ist. Auch, wenn zwei Frauen zusammen wohnen: Wir kennen ja den Gender Pay Gap. Es ist dann einfach weniger Geld da. Weiblich sozialisierte Personen neigen dazu, wie vorhin schon angesprochen, eher zu spät um Hilfe zu fragen. Sie versuchen eher, irgendwelche Zwischenlösungen zu finden.

Was die genauen Zahlen angeht, sind wir eine Kooperation mit der Fachhochschule Neubrandenburg eingegangen. Die Forscher*innen wollen in dem Bereich eine kleine Studie machen. Auch in der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe versuchen wir, das Thema weiter voran zu bringen.

Was uns noch wichtig ist: Wir wollen uns nicht nur auf die Politik verlassen. Wir fragen auch speziell die Community an. Wir brauchen Unterstützung von Ehrenamtlichen, von Leuten, die sich für das Thema interessieren, aber auch von privaten Vermieter*innen und Leuten, die WGs anbieten.

Uns geht es auch um Empowerment der queeren Community und nicht nur darum, darauf hinzuweisen, was fehlt. Wir wollen neue Bündnisse und Netzwerke schaffen und würden uns wirklich freuen, wenn Leute sich melden.

Ein großes Thema dabei sind auch die Randgebiete Berlins, die wir stärken wollen. Viele Queers wollen natürlich lieber im innerstädtischen Bereich wohnen, aber ich glaube, diese Zeit ist einfach vorbei. Aktivist*innen aus den Randgebieten sollen sich herzlich eingeladen fühlen, sich zu melden.

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#1 VestigeAnonym
  • 11.03.2023, 13:22h
  • Das wird interessant, das werde ich als ex wohnungslose trans Frau sehr sorgsam beobachten. Es gibt da noch sehr viel mehr Probleme, als in dem Interview angesprochen werden, was aber schlicht am Format 'Interview' liegt, das ja erst einmal in eine oft und gern ausgeblendete Problematik einführen soll - oft und gern ausgeblendet nicht zuletzt seitens der 'community'.

    Noch kann ich nicht entscheiden, wie ich mit meinem Erfahrungswissen umgehen soll, denn ein nicht unerheblicher Teil davon ist, wie in dem Sektor tätige Leute, Männer zumal, aber nicht ausschließlich, die sich als links und queer etikettieren, mit ihrer Macht über wohnungslose Frauen umgehen, cis und trans, und welche Folgen das hat. Und ich befürchte nicht unbegründet, daß genau diese Leute zu dieser Initiative laufen, wenn sie nicht schon dort sind, und diesen Leuten geglaubt wird und nicht den wohnungslosen und ex-wohnungslosen Frauen, denn das ist immer so.

    Was sich nämlich unter solchen Bedingungen abspielt, glauben sowieso nur diejenigen, die vergleichbare Erfahrungen selbst gemacht haben. Ich deute hier nur sehr, sehr vorsichtig an, wohlweislich.

    Aber ich will doch sehen, was ich tun kann, wenn sich das so entwickelt wie oben skizziert.
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#2 RebeccaProfil
  • 11.03.2023, 14:31hBerlin
  • Antwort auf #1 von Vestige
  • Gerade Transfrauen, die noch am Anfang ihrer Transition stehen, werden sehr oft auf dem Wohnungsmarkt sehr oft abgelehnt.

    Dazu kommt, dass gerade die Transfrauen meist keine Arbeit bekommen oder je nach Alter auch auch keine Ausbildung einer Arbeit haben, denn die transition ist es, die nach dem heutigen TSG erforderlich macht, sich erst zu erkennen, dass man eine Frau ist und dann auch noch zu den Gutachtern muss, die meist ihre Termine zu Zeiten machen, an dem man eigentlich Arbeitszeit hat.

    Dazu kommen auf dem Arbeitsmarkt auch noch Fehlzeiten hinzu, denn die GA-OP, die erst nach endlosen Gutachtern Terminen und dem Besuch bei dem MDK genehmigt wird, bedingt eine Fehlzeit von mehreren Monaten.

    Wenn die Brust-OP auch noch dazu kommt, auch Fehlzeiten von 6 Monaten.

    Um das alles zu vermeiden sind in der Regel die meisten Trans-Frauen erst einmal Arbeitslos und daraus folgt dann auch noch eine Wohnunglosigkeit.

    Und dann auch noch eine Arbeit nach dem allen zu finden ist auch sehr schwer, denn meist sind Transfrauen den Arbeitgebern geradezu unheimlich, was mit der patrialischen Haltung, der meisten Arbeitgeber, die von Männern geleitet werden, liegt.

    Ich will nicht sagen, dass die Transmänner es einfacher haben, aber da sind die Akzeptanz eher höher und die Wahrscheinlichkeit auch Arbeit zu bekommen, höher.
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#3 VestigeAnonym
  • 11.03.2023, 15:06h
  • Antwort auf #2 von Rebecca
  • Ja, Rebecca, das weiß ich - aber gut, daß du das hier schilderst, denn allzu viele wissen das nicht. Oder wollen es nicht wissen. Das Ganze kann noch sehr viel schlimmer verlaufen, aber ich glaube, das reicht erst einmal.

    Was im Zusammenhang des Artikels ganz interessant sein dürfte: im Hilfesystem und bei den Behörden, mit denen Wohnungslose zu tun bekommen, gibt es auch TERFs und andere trans Hasser.

    Noch gruseliger wird es, auch in diesem Zusammenhang, wenn die Psychiatrie ins Spiel kommt - aber, so wichtig das ist, damit überspanne ich hier den Bogen.

    Ich finde nichts dabei, zu erwähnen, daß ich zu diesem Thema, Wohnungslosigkeit als trans Frau, unter heftigen flashbacks schreibe.

    Es ist für die, die hier mitlesen und denen das Thema nicht egal ist, sehr wichtig, folgendes zu verstehen: sie werden ihre Rosa Brille, oder, wie eine kluge Frau mal geschrieben hat, ihr Leben in Happyland einbüßen, wenn sie sich ernsthaft mit dem Thema einlassen. Das, so mein Eindruck, ist der Grund, warum nur sehr wenige das tun. Die das nicht tun, wollen eben die Rosa Brille aufbehalten und in Happyland bleiben.

    Beides, denke ich, geht nicht, es ist eine Entscheidung.
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#4 StrukturAnonym
  • 11.03.2023, 19:42h
  • Strukturelle Diskriminierung sorgt dafür das für das Minderheiten erhöhte Wahrscheinlichkeiten haben in Armut zu laden und soziale Probleme zu habe. Dafür gibt es tausend Statistiken. Das es in Amerika mehr Obdachlose in dem Bereich gibt liegt, stark an deren extrem schlechten Sozialsystem bei dem es kaum Auffangnetze gibt und Polizei unfreiwillig Sozialarbeit ersetzt. Das ist hier zum Glück wirklich anderes.
    Grundeinkommen, soziale Absicherung von der man gut Leben kann sind eigentlich zentral und entscheidend im Kampf gegen Diskriminierung.
    Das das (auch hier) trotzdem selten Thema ist zeigt strukturelle Diskriminierung.
    Ich kann es mir als Informatiker ziemlich gut leisten ungewöhnlich zu sein, ich finde trotzdem einen Job. Ich habe zwar Nachteile, aber wenn ich ehrlich bin, sind sie vergleichsweise harmlos.
    Diskriminierung hat dort verheerende Konsequenzen von Menschen wenig ökonomisches und soziales Kapital haben. Die Leute befinden sich mental und auch sozial in Situationen in welchen sie z. B. antidiskriminierungs Gesetzt ohnehin nicht abrufen können.
    Und wer klagt, wenn er den Job braucht und vielleicht keinen anderen findet?
    Symbolische Anerkennung fällt ihnen nicht selten auf die Füße. Die Arbeiter-Kollegen halten Gendersternchen Akademiker-Dünkel.

    Aber wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Wer weder Bildungs- noch ökomisches Potential vorweisen kann wird schnell als Lumpenproletariat entwertet. Auch LGBTQ+ aus der Oberschicht schrecken hiervor nicht zurück. Menschen aus der Unterschicht sind Häufig ängstlicher und dadurch Konservativer.
    Da wird dann häufig nur die Maße gerümpft weil jemand nicht zwischen trans und transsexuell Unterscheidet oder es heißt "für den ist eh zu spät"
    Dabei wären hier genau die Menschen die die Hilfe bräuchte und nicht gehört werden.
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#5 Elena
  • 11.03.2023, 21:29h
  • Ich könnte bei dem Thema schreien.

    Wohnen ist nicht so kompliziert und für was zu essen sorgen, auch nicht. Hat schon in der Steinzeit supergut funktioniert.

    Ich bin dafür, dass der Herr Habeck die Klappe hält. Ab sofort. Und unsere Koalition

    1. dafür sorgt, dass jeder Mensch adäquat zu essen bekommt. Ja liebe Grüne, gesundes Essen (falls gewünscht, sonst halt Mc Dreck - aber selbstbestimmt).

    2. dafür sorgt, dass jeder Mensch adäquat wohnt. 20qm plus Küche und Bad reichen ja - aber das für alle.

    Wenn Ihr bauen nicht hinbekommt, kein Problem. 4 Familien in ne Protzvilla - hat 1946 prima funktioniert. 2 Familien in ne 140qm 6-Zimmerwohnung geht auch. (Ich meine hier keine Großfamilien, die benötigen mehr Platz, versteht sich).

    Wenn Ihr das zu 100% umgesetzt habt, dann darf der Herr Habeck sein Projekt - Klimaschutz - weiter verfolgen. Aber keine Sekunde früher.

    Bin ich jetzt linksradikal?
    Nö, Softwarearchitektin
    Ich kann auch Unvermögen modellieren und dokumentieren. Im Volksmund: Scheitern genannt.

    Arrgh!!!

    PS.
    Zugegeben ich wohne alleine auf 40qm und 2 Zimmer, wäre aber mit 20qm und 1,5 Zimmer auch glücklich. Ich träume eh vom rolling Tiny, darf ich hier jedoch nirgends hinstellen.
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#6 canSarahAnonym
#7 RebeccaProfil
  • 12.03.2023, 09:48hBerlin
  • Antwort auf #5 von Elena
  • Stimmt, Wohnen an sich ist kein Problem, sondern mit Arbeitslosigkeit und ALG 2 oder Bürgergeld überhaupt eine Wohnung zu finden.

    Besonders in Städten wie Berlin.

    Es sind ja gerade Großstädte, in denen die Mieten immer teurer werden, die aber auch wegen der größeren Akzeptanz, bzw. dem "Untertauchen" in der Menge von Transmenschen bevorzugt bewohnt werden.

    Und dann dort eine Wohnung zu finden, die auf der einen Seite die Transfrau ohne Diskriminierung durch die Vermieter und dazu auch noch vom jeweiligen Jobcenter von der Miethöhe akzeptiert zu werden, ist fast eine eine Unmöglichkeit.
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#8 gewolltenotAnonym
  • 12.03.2023, 10:06h
  • Antwort auf #5 von Elena
  • Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit sind meiner Ansicht nach der politische Wille in einer Leistungs-, Konsum- und Konkurrenz-Gesellschaft.
    Es ist und könnte so einfach sein.
    Ist es aber nicht.
    Die Partei, die maßgeblich über viele Jahre zur Verschärfung der Wohnungsnot beigetragen hat, bemüht sich gerade in Berlin mal wieder um eine große Koalition mit der cdu.

    Was ich persönlich jedoch für kontraproduktiv halte, ist das Ausspielen von Themen. Das ist der gleiche Mechanismus wonach queere Themen oft nachrangig behandelt werden weil es ja mal wieder so viel wichtigeres gäbe.
    Klimapolitik, Sozialpolitik und queere Themen bspw haben untereinander keine gegenseitig ausstechende Priorität. Sondern sind ohne Ausnahme nur miteinander sinnvoll denkbar.

    Wenn wir dagegen bspw mit Klimapolitik warten wollten bis alle Menschen ausreichend mit Nahrung und Wohnraum versorgt sind, dann brauchen wir uns allein des Zeitfaktors wegen erst gar nicht mehr mit Klimapolitik zu beschäftigen.
    Analoges Beispiel dazu ist die Lindner-fdp, die mal wieder im Kern argumentiert, dass wir nur mehr wirtschaftliches Wachstum bräuchten um uns Klimapolitik leisten zu können als wäre das eine nicht auch eine bedingende Ursache des anderen.
    Auf Wohnraum bezogen ist die, insbesondere von der fdp vertretene, Irrlehre wonach nur der freie Markt einer freien Wirtschaft die Bedürfnisse aller stillen könnte, der fatale Garant für vorsätzlich produzierte Not und Elend.
    Wir haben schlicht nicht mehr die Zeit alles in Ruhe und eins nach dem anderen abzuarbeiten.

    Die öffentliche Hand hat ein Vorkaufsrecht beim Verkauf von Immobilien und Liegenschaften.
    Zur Not kann enteignet werden.
    Doch das mögen spd, fdp und cdu/csu ja nur anwenden wenn es um so tolle Projekte wie Nordstream2 oder Kohleabbau geht. Obdachlose Menschen sind für spd, fdp und cdu/csu schlicht nicht im öffentlichen Interesse. Was im übrigen auch für das Thema bezahlbaren Wohnraum zutrifft.
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#9 Ith_Anonym
  • 12.03.2023, 10:54h
  • Antwort auf #2 von Rebecca
  • "Ich will nicht sagen, dass die Transmänner es einfacher haben, aber "

    ... aber du bist offensichtlich selbst nicht trans-männlich und hast keine praktische Erfahrung damit, dass wir de facto meistens als wahlweise "sowas ähnliches wie Lesben" betrachtet und behandelt werden, oder als trans Frauen eingestuft werden, also alles halt, aber nicht als männlich, denn schließlich sind wir ja keine "richtigen Männer".

    Also, ich schätze, was du eigentlich sagen wolltest, war "ich kenne meine eigene Situation und mit dem Rest habe ich halt bloß peripher zu tun, so dass es mir ziemlich leichtfällt, mir einzureden, dass die es besser haben als ich selbst".

    Ich kann dir ziemlich genau sagen, wieso ich als trans Mann in der Statistik der Obdachlosenhilfe nicht auftauchen werde, falls ich es mal nicht schaffen werde, da ziemlich knapp dran vorbeizukommen. Genausowenig wie in irgendwelchen anderen Statistiken, die mit Gewalt - häuslicher, sexualisierter etc. zu tun haben: Weil ich in diesen Statistiken als cis-Frau drinstehe, wenn zu mir etwas erfasst wird/würde.
    Das war bei dem Überfall so, den ich während meiner Transition erlebt habe, und das wäre genauso, wenn ich in meiner Familie nicht immer sehr darauf geachtet hätte, was ich sage, damit ich nicht im Zuge eines eskalierenden Streits mit einem psychisch instabilen Cis-Mann in der Küche ein Messer in den Bauch bekomme. Und selbst wenn es bei dem Streit um mein trans-Sein gegangen wäre, würde das als Femizid gelistet, und niemand würde meinen Namen auf die Liste für den TDoR schreiben. Denn für sowas wie mich gibt es keine Community, die mich da draufschreibt.

    Transfeindlichkeit ist definiert als Transmisogynie. Die Transfeindlichkeiten, die sich gegen trans-Männer richten, kommen deswegen nicht vor, weil es das gesamte Konzept überhaupt nicht gibt. Der Standard ist man in der Medizin, in der deutschen Sprache, im Patriarchat generell, wenn man männlich zugewiesen ist.
    Das ist bei trans-Männern schon bei der Geburt nicht der Fall, bei trans Frauen kommt die Herabstufung später erst.

    Deswegen ist Gewalt, die trans Frauen betrifft, Gewalt, die sich gegen jemanden richtet, der zumindest mal als vollwertiger Mensch betrachtet wurde und damit als wertvoll genug, statistisch erfasst zu werden. Die Ausgangssituation hat man als trans-Mann gar nicht erst. Deswegen ist man nicht der Standard und man ist nicht wichtig und man kann rein vom Konzept her nicht vorkommen.

    Im Titel hätte ehrlicherweise stehen müssen "wissen zu wenig über Obdachlose, die keine cis-Männer sind".

    Aber hey, immerhin, Glückwunsch. Dass unter den trans Personen die trans Frauen wohl ähnlich behandelt würden wie cis Frauen, wird ja wörtlich anerkannt, also sehr schön, dass man das Narrativ da von dir übernommen hat. Statt, um beim Prinzip von Vestige zu bleiben, Leute zu fragen, die es betrifft. Als trans Mann kannst du dann dich selbst misgendern und hoffen, dass sie Leute wie dich auf dem Radar haben, solange du noch nicht out bist, was aber gleichzeitig heißt, dass sie dich nicht als trans-Mann auf dem Radar haben, sondern als cis-Frau. Du warst bei den cis-Frauen mitgemeint, oder du warst nicht gemeint. Und dadurch existierst du auf dem Radar und in der Statistik dann einfach nicht.

    Nicht zu existieren, ist ja so eine Sache, an die man sich als trans Mann gewöhnt, und ich hatte eigentlich angefangen, hier etwas zu schreiben und beschlossen, das deswegen zu lassen, denn ich bin an einem Punkt angelangt, für mich persönlich, an dem ich nicht mehr daran glaube, dass sich das überhaupt ändern lässt.
    Aber wenn man jetzt diese statistische Nicht-Existenz als Beleg dafür nimmt, dass es keine Betroffenheit gäbe, geht das selbst mir noch zu weit. Mir ist klar, dass die meisten Menschen das so sehen, mir haben auch schon trans Frauen ins Gesicht gesagt, dass es keine Transfeindlichkeit gegen Menschen wie mich gäbe, aka ich ja gar keine Transfeindlichkeit erlebe. Machen kann man wenig dagegen. Aber irgendwo ist auch mal gut.
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#10 Ith_Anonym
  • 12.03.2023, 10:59h
  • Antwort auf #7 von Rebecca
  • "Und dann dort eine Wohnung zu finden, die auf der einen Seite die Transfrau ohne Diskriminierung durch die Vermieter"

    Tst, du hast aber auch Ansprüche. Nein, natürlich bekommt man als trans Person keinen Mietvertrag ohne Diskriminierung.
    Nein, nicht nur trans Frauen.

    Man bekommt außerhalb der Sparte "Berufsqueer", also die Handvoll Leute, die im weiteren Sinne Stars und Sternchen sind und ihr Queersein so erfolgreich vermarkten, dass sie davon leben können, ja auch keinen Arbeitsvertrag ohne Diskriminierung, genausowenig wie einen Arztbesuch o.ä.

    Und um damit auf deinen anderen Beitrag zurückzukommen: Du glaubst doch nicht im Ernst, dass irgendeine der genannten Parteien darauf verzichten würde, mich transfeindlich zu diskriminieren? Glaubst du echt, ne?
    Tja. Ist ein Märchen.
    Wenn du trans bist, wirst du diskriminiert. Ist so. Muss man sich mit abfinden. Wird sich auch nicht ändern. Ist einfach .. Deutschland.
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