Diese Artikelserie wurde gefördert von der Homosexuellen Selbsthilfe e.V., www.hs-verein.de
Kopfbedeckungen – Männlichkeit, Schutz und Scham
Neben Funktionen wie Schützen, Kühlen und Wärmen kann eine Kopfbedeckung auch dem "Ausdruck der Persönlichkeit seines Trägers dienen und die Zugehörigkeit […] zu einer Gesellschaftsschicht, Berufsgruppe oder ähnlichen Vereinigung symbolisieren" (Wikipedia). Der Cowboyhut hat in den USA eine besondere Bedeutung und verweist als Symbol von Männlichkeit auf den historischen amerikanischen Machismo, auf den in Westernfilmen und der Schwulenszene regelmäßig Bezug genommen wird. Kopfbedeckungen können wie die Krone (= Herrschaft) weitere Bedeutungen haben.
Die Krone – Herrschaft und das Spiel mit der Herrschaft
Die Krone als Herrschaftssymbol ist in den Filmen zu sehen, in denen die Homosexualität realer schwuler Könige aufgegriffen wird, wie Luchino Viscontis "Ludwig II." (1972) über den bayerischen "Märchenkönig" und Derek Jarmans Film "Edward II." (1991) über den gleichnamigen englischen König.
An diese Herrschaftssymbole erinnert in neueren Filmen, in denen das Motiv der Krone aufgegriffen wird, nur noch sehr wenig. Einem Schwulen wird in "Another Gay Sequel" (2008) nach einer gewonnenen Sex-Wette eine Krone aufgesetzt. In "Queer as Folk" wird Justin in der Schwulendisco Babylon mit einer Krone zur Königin des Abends erklärt (Folge 1/20), was er später im Zusammenhang mit seinem Sexpartner noch einmal aufgreift ("Ich sollte ihn ficken und dabei die Krone tragen"). Eine ähnliche "Krönungs"-Szene in einer Schwulenbar ist in "Bulgarian Lovers" (2003) zu sehen und mit einer Krone als Motiv wird die Kurzfilmsammlung "Lieb mich! Gay Shorts. Vol. 7" (2018) beworben. In diesen Filmen ist die Krone nur noch ein spielerisches Fun-Accessoire und von der Herrscherwürde für die genannte Könige sehr weit entfernt.
Justin ist mit einer Krone die Königin des Abends in "Queer as Folk" (Folge 1/20)
Cowboyhüte – im Western und seinen Subgenres
Im Mittelpunkt des Filmgenres Western steht der US-amerikanische Mythos von der Eroberung des "Wilden Westens" im 19. Jahrhundert. Es gibt wenige klassische Western, in denen Schwule vorkommen. In der Dokumentation "The Celluloid Closet", 1995, 32:10 Min., hier online) wird gut der homoerotische Subtext des Western "Red River" (1949) erläutert. Zu sehen sind Matt Garth (D: Montgomery Clift) und Cherry Valance, die sich gegenseitig ihre als Phallus-Symbole inszenierten Revolver zeigen.
Montgomery Clift (r.) mit Cowboyhut und Pistole in "Red River" (1949)
Zu den Subgenres des Western gehört der Italowestern, der auch "Spaghettiwestern" genannt wird, wie "Töte, Django" (1967), der – zu dieser Zeit recht außergewöhnlich – von schwulen Cowboys handelt, die einen Jüngling vergewaltigen.
Ein weiteres Subgenre ist die Westernkomödie. Weil Schwule in der Vorstellung vieler Menschen das Gegenteil eines "männlichen" Cowboys verkörpern, erschien es wohl als passend, sich über sie lustig zu machen, wie in "The Soilers" (1923, 19:28 und 23:10 Min., hier online), wo der Humor nur in dem Kontrast zwischen einem schwulen Cowboy und den sich prügelnden heterosexuellen Cowboys besteht. Eine andere Westernkomödie ist "Zwiebel-Jack räumt auf" (1975) mit zwei schwulen Ersatzsheriffs, die ihren Humor ebenfalls nur durch den Kontrast zur "Männlichkeit" erreicht.
Cowboyhüte und das kultivierte Cowboy-Image
Schon ab den Dreißigerjahren wurde in den USA eine nostalgische, romantisch-verklärte Version der Figur des Cowboys zu einer Modeerscheinung. So etablierte sich ein bestimmtes Image des Cowboys als Inbegriff eines "männlichen", harten Mannes am Rande der Zivilisation. Dies spiegelte sich z. B. in der Werbung (Marlboro-Mann), in der Country-Musik, in der Mode (vor allem Cowboyhut und -stiefel) und im Film wider. Wie andere subkulturelle Szenen kultivierte und reproduzierte auch die US-Schwulenszene dieses Cowboy-Image, das viel mit erotisch gefärbtem Männlichkeitskult zu tun hat.
Die vielen Filmbeispiele reichen von "Asphalt Cowboy" (1969) mit seiner schwulen Nebenhandlung bis zur US-Serie "Queer as Folk" (2000-2005, hier online), wo in jedem Intro Männer mit Cowboyhüten zu sehen sind. Hinweisen lässt sich auch auf "Cowboy forever" (2006, hier online) und die Cowboy-Party in "Adam & Steve" (2005). In der Anfangsszene von "Longhorns" (2011) hat Kevin die visualisierte sexuelle Wunschvorstellung, von einem Cowboy mit Cowboyhut "geritten" zu werden.
Der berühmteste schwule Cowboyfilm ist wohl "Brokeback Mountain" (2006), auch wenn die beiden Männer – was aufgrund sozialer Hierarchie nicht unerheblich ist – keine Kühe, sondern "nur" Schafe hüten. Dieser Film schaffte es, das gängige Stereotyp vom Cowboy und das dahinterstehende Männlichkeitsideal in einigen Punkten deutlich zu relativieren.
Sexuelle Phantasien mit Cowboyhüten in "Longhorns" (2011)
Hoodies mit hochgezogener Kapuze – sich aus Scham verstecken
Seit diesem Jahrtausend gibt es eine neue Kopfbedeckung, die in ihrer Bedeutung allen anderen den Rang abläuft: den Kapuzenpullover, auch Hoodie genannt. Er schützt nicht nur vor Kälte und Regen, sondern auch vor den Blicken anderer, z. B. wenn sich die Träger ihrer sexuellen Identität unsicher sind. So wird die Kapuze der Hoodies in schwulen Filmen dann hochgezogen, wenn der Betreffende auf dem Weg zum Cruisingplatz ("Same Blood", 2004), zu seinem Liebhaber ("Zwei Gesichter", 2014), zu einem Stricher ("Dirty Love", 2006) oder zu einem Freier ("Strapped", 2010) nicht erkannt werden möchte. Der Spielfilm "Aus der Haut" (2015, hier Trailer online) wurde sogar mit zwei unterschiedlichen Hoodie-Motiven beworben – mit einem nachdenklichen und einem schreienden Milan, der im Film mit seinem Coming-out kämpft.
Der schwule Milan steckt im Coming-out und in einem Hoodie: "Aus der Haut" (2015)
Hoodies mit hochgezogener Kapuze – Geheimnis
Hoodies werden in Filmen auch dann eingesetzt, wenn es um Spannung geht und die schwulen Protagonisten als geheimnisvoll erscheinen sollen. Das ist in "Wild Tigers I Have Known" (2006) der Fall, wenn Logan nachts in die Rolle eines Mädchens schlüpft. Auch in anderen Filmen steht der Hoodie im Kontext von Nacht und Dunkelheit wie in "Perfect Day" (2010) und "Amor Electrico" (2014). Andere Filme bringen Hoodies mit Drogen ("Wrecked", 2009, und "Violine", 2012), mit der Entführung eines Menschen ("Provoke", 2010, und "Brace", 2013), mit der Entführung eines Hundes ("Kein Freund fürs Leben", 2015, 1:10 Min., hier online), mit Psychiatrie ("The Last Time I Saw Richard", 2014), mit einem tödlichen Unfall ("Your Every Day and Night", 2014) oder mit einem unbekannten Mann aus der Zukunft ("The Invention", 2013) in Verbindung.
Die besondere Bedeutung von Hoodies ist zu spüren, wenn Filme mit ihnen beworben werden. Bei dem Kurzfilm "Ruben" (2012) steht das Motiv auf dem DVD-Cover in Verbindung mit dem Freitodversuch des Protagonisten. Das Poster von "Chapô" (2012) zeigt den Protagonisten mit einem Hoodie in der Dunkelheit (in den englischsprachigen Ländern wurde dieser brasilianische Kurzfilm unter dem Titel "Hoodie" vermarktet). Auch das DVD-Cover des Thrillers "The Dark Place" (2014) zeigt die schwulen Protagonisten mit ihren Hoodies.
Der Thriller "The Dark Place" (2014)
Hoodies mit runtergezogener Kapuze – sich outen
Einige Filme sind symbolisch etwas deutlicher, weil sie unterschiedliche Umgangsweisen mit Hoodies zeigen: In der Schlussszene von "Dummer Junge" (2004) scheint sich Loïc auf einer Kirmes in einen anderen Mann mit einem ähnlichen Hoodie zu verlieben. Als der andere seine Kapuze herunterzieht, wirkt dies ein wenig wie ein Outing. In "Omar" (2009) zieht sich Omar vor dem Treffen mit seinem Liebhaber Arthur die Kapuze hoch, während Arthur dies unterlässt und sich dadurch den Pöbeleien anderer aussetzt. In "Freier Fall" (2013) setzt sich in einer Szene Kay dem unangenehmen Regen aus, während der auch hinsichtlich seiner Homosexualität vorsichtiger agierende Marc die schützende Kapuze aufbehält.
In der Doku "I am Gay and Muslim" (2012) tragen sowohl der Interviewer als auch der von ihm Interviewte einen Hoodie. Beim Interviewer ist die Kapuze heruntergezogen, beim interviewten schwulen Muslim, der unerkannt bleiben möchte und nur von hinten zu sehen ist, ist die Kapuze hochgezogen. Das muss nicht symbolisch inszeniert worden sein, sondern ist in dieser Doku vielleicht nur ein Zufall. Es passt aber zumindest gut zum Anfang, wo ein schwuler Maskenball gezeigt wird, auf dem Masken nicht aus erotischen, sondern aus Gründen der Anonymisierung getragen werden. Dies verdeutlicht die symbolische Nähe hochgezogener Hoodie-Kapuzen zu →Masken und → Sonnenbrillen (beides Folge 13).
Zwei Hoodies in der Doku "I am Gay and Muslim" (2012)
"Hut ab" vor dem Mut, seine Homosexualität zu verteidigen
Vor einem anderen Menschen seinen Hut zu ziehen, geht als Geste von Anerkennung und Respekt auf das 13. Jahrhundert zurück. Sie ist heute – abgesehen von der Formulierung "Hut ab!" in gleicher Bedeutung – aus der Mode gekommen.
Vor mehr als 100 Jahren war sie üblich und so zieht – aufgrund gesellschaftlicher Konvention – Oscar Wilde in "Oscar Wilde" (1960) zunächst seinen Hut vor dem Marquess of Queensberry, der ihn später mit dem Vorwurf der Homosexualität vor ein Gericht zerrt. Jahrzehnte später erscheint mit "Oscar Wilde" (1997) ein weiteres Biopic zum selben Schriftsteller. Hier zieht Robbie Ross den Hut als Zeichen des Respekts vor Oscar Wilde (D: Stephen Fry), nachdem dieser 1895 erfolglos versucht hatte, seine Homosexualität vor Gericht zu verteidigen.
Hut ab vor Oscar Wilde (in: "Oscar Wilde", 1997, Ausschnitt), der seine Homosexualität verteidigte
Kopfbedeckung aus religiösen Gründen – Demut und Respekt
In verschiedenen Religionen gibt es einen unterschiedlichen Umgang mit Kopfbedeckungen. In Kirchen ist es üblich, die Kopfbedeckung abzunehmen, um damit Gott Demut und Ehrerbietung zu zeigen. Auch gläubige Juden bezeugen mit der Kippa Ehrfurcht und Demut gegenüber Gott. Allerdings muss diese Kopfbedeckung in Synagogen und auf Friedhöfen in umgekehrter Symbolik für diesen Zweck aufgesetzt werden. Neben der Kippa kennt das Judentum noch andere traditionelle Kopfbedeckungen wie bestimmte schwarze Hüte, die für orthodoxe Juden üblich sind.
"Das Kuckucksei" (1988) von und mit Harvey Fierstein ist immer noch sehr sehenswert, auch und vor allem wegen der Filmszene, in der sich Arnold (D: Harvey Fierstein) mit seiner Mutter (D: Anne Bancroft) auf dem jüdischen Friedhof über ihren fehlenden Respekt vor ihm als schwulem Sohn streitet.
Einige Filme über jüdische Schwule werden mit deren traditionellen Kopfbedeckungen beworben, wie der Spielfilm "Du sollst nicht lieben" (2009) über die Liebe zweier ultraorthodoxer Juden und die Dokumentation "Trembling Before G-D" (Aka "Zittern im Angesicht des Herrn", 2001) über orthodoxe Schwule und Lesben.
Zwei traditionell-jüdische Kopfbedeckungen in der Doku "Trembling Before G-D" (2001)
Pornos – Cowboys, Könige und Konservative
In Schwulenpornos ist der Cowboyhut die am weitesten verbreitete Kopfbedeckung. Er wird von als "maskulin" inszenierten Männern gemäß dem amerikanischen Cowboymythos getragen ("Bucking Broncos"), wobei der Cowboyhut manchmal das einzige Kleidungsstück ist, das überhaupt getragen wird ("Down on the farm", "Exposed").
Hoodies bzw. Kapuzenpullover werden in manchen Schwulenpornos als Kleidungsfetisch bzw. -stil aufgegriffen ("Hoodie Sluts", "Young British Hoodies 3"). Sie stehen mit anderen Kleidungsstilen offenbar in Konkurrenz ("Chavs vs. Hoodies") und ergänzen diese ("Hoodies, Boots and Jeans"). Wie Hoodies sind auch Baseballcaps ("Boy, oh Boy!", "Also made in England") elementarer Teil der Streetwear, die mit ihren Bedeutungen und Zuschreibungen einen identitätsstiftenden Charakter hat.
Auf einigen Covern werden auch Kronen als Bildsymbole im Kontext von Größe und Anerkennung verwendet ("Fit for a king", "Kyler Moss. King of Twinks", "The Black King") und zwei schwule und ein bisexuelles Porno-Label ("Reality Kings", "Magnus", "Bi Empire") verwenden eine Krone in ihrem Logo.
In den USA mit einem Strohhut in den Nationalfarben seinen Patriotismus und seine konservative politische Grundhaltung zum Ausdruck zu bringen, wie auf dem Cover von "Young Conservatives", geht als symbolischer Brauch auf das 19. Jahrhundert zurück. Auf den Covern einiger Pornos ("The Graduation", "Graduation Gay") ist als äußeres Zeichen für den Abschluss einer Promotion ein sogenannter "Doktorhut" zu sehen.
Hüte als Ausdruck einer konservativen politischen Identität: "Young Conservatives"
Halstücher und Schals – zum Wünschen, Wärmen, Würgen
Halstücher sind Mode-Accessoires, mit denen Männer als elegant und gepflegt galten und die früher Ausdruck der Ästhetisierung schwuler Männer waren. Es ist möglich, dass sie indirekt mit den Halstüchern in Verbindung stehen, mit denen in der BDSM-Szene – in den hinteren Hosentaschen getragen – eine Zeit lang sexuelle Vorlieben zum Ausdruck gebracht wurden. Schals stehen in abweichender Symbolik für Wärme, Schutz und Zuneigung, wenn es kalt ist. Die Bedeutung von Schals ist aber auch ambivalent, weil man mit ihnen Männer nicht nur wärmen, sondern auch erwürgen kann.
Halstücher in älteren Filmen
In vielen älteren Filmen werden Schwule stereotyp dadurch gekennzeichnet, dass sie ein als modisch geltendes Tuch um den Hals tragen. Hier soll das Halstuch einen (angeblichen) schwulen Lebensstil markieren und steht im Zusammenhang mit dem positiven Vorurteil, dass sich Schwule eleganter kleiden.
In "Anders als du und ich" (1957) sind Halstücher bei dem "Verführer" Boris Winkler und später bei dem "Verführten" Manfred Glatz mehrfach zu sehen. Sie sind auch in "Mit Pistolen fängt man keine Männer" (1968), "Unter der Treppe" (1969), "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" (1971), in der Serie "All In The Family" (Folge 1/5, 1971) und in "Ein irrer Typ" (1977) zu sehen. Das Halstuch als stereotypes Accessoire schwuler Männer findet sich auch in Sex-Komödien der Siebzigerjahre, wie in "Engelchen macht weiter – hoppe, hoppe Reiter" (1969), "Prostitution – heute" (1970), "Das Stunden-Hotel von St. Pauli" (1970), "Das gelbe Haus am Pinnasberg" (1970) und "Das Liebeshotel in Tirol" (1978).
Der schwule Manfred Glatz mit Halstuch in "Anders als du und ich" (1957, Ausschnitt)
Auch bei der Darstellung älterer Schwuler in Filmen ab den Achtzigerjahren wird das Halstuch als Accessoire eingesetzt, wie in "Coming Out" (1989), "Abschiedsblicke" (1986), der Serie "Durchgehend warme Küche" (1990-1994) und "Lola und Bilidikid" (1999). Auch die Darstellungen Schwuler mit Halstüchern in Filmen seit dem Jahr 2000 können authentisch sein, wenn sie in früheren Jahrzehnten spielen, so etwa "Tropfen auf heiße Steine" (2000) und "The Disco Years" (1994) in den Siebzigerjahren und "Dem Himmel so fern" (2002) in den Fünfzigerjahren.
Halstücher in neueren Filmen
In anderen neueren Filmen wirken Halstücher als schwules Erkennungsmerkmal ein wenig anachronistisch, wie in der Folge "Vertrauensbeweis" der Serie "Beverly Hills, 90210" (Folge 4/26, 1994), in der "Archer"-Folge "Der Honeypot" (Folge 1/5, 2010), in zwei "Simpsons"-Folgen (Folgen 11/18, 14/4), in den Spielfilmen "Eating Out 2" (2006) und "Atomic Age" (2012) und in "Den Tod vor Augen" ("Soko Wismar", Folge 11/6, 2021). Der Film "Hooked" (2017) wird mit dem Motiv eines Mannes mit einem Halstuch beworben.
Ein Schwuler (rechts) mit rotem Halstuch in "Die Simpsons" (Folge 14/4)
Dass die schwule Wirkung eines Tuchs von den Drehbuchschreibern beabsichtigt war, ist in der "Tatort"-Reihe nachweisbar: In "Der doppelte Lott" bezeichnet eine Polizistin das Einstecktuch von Frieder Lott als "voll schwul" (Folge 615, 2005). Im "Tatort" ist das Halstuch auch in neueren Produktionen zu sehen, wie bei Julian Siebert, der in "Grabenkämpfe" ein Verhältnis mit dem Ermordeten hatte (Folge 798, 2011).
Frieder Lott mit seinem "schwulen Tuch" ("Tatort", Folge 615)
Hanky-Code für die Hose – sexuelle Vorlieben
Ab den Siebzigerjahren brachten einige Schwule über die Farbe von Halstüchern, die in den hinteren Hosentaschen getragen wurden, ihre sexuellen Vorlieben zum Ausdruck. Nur bei einigen Farben erschließt sich ihre Bedeutung intuitiv (Olivgrün = Militär-Look, Gelb = Urin, Weiß = Safer Sex, seit Mitte der Achtzigerjahre). Der sogenannte Hanky-Code mit seinen rund 20 verschiedenen Farben und ihren jeweiligen Bedeutungen lässt sich gut in Wikipedia nachlesen, wo auch betont wird, dass die Bedeutung von "aktiv" oder "passiv" (links bzw. rechts getragen) nicht einheitlich ist.
In "Saturday Night at the baths" (1975) ist ein rotes Tuch (=Fisten) zu sehen. In "Cruising" (1980) wird die Bedeutung der Tücher erklärt: "Hellblaues Tuch in der linken Arschtasche bedeutet, dass du dir einen blasen lassen willst." Das schwarze Tuch in der hinteren Hosentasche von Luke in "The living end" (1992) würde vom üblichen Farbcode her auf BDSM verweisen, es steht hier wegen der Aids-Thematik des Films aber wohl eher symbolisch für den Tod. In der Realität und im Film hat der Code schnell an Bedeutung verloren, auch wenn er in anachronistischer Form noch in "Eating Out" (2004) zu sehen ist.
Anachronistisches Hanky in "Eating Out" (2004)
Schals – Erotik, Schutz, Geborgenheit
Die Filme "Ein Leben lang kurze Hosen tragen" (aka "The Child I Never Was", 2002) und "Privatunterricht" (2008) werden mit dem Motiv beworben, dass einem Jugendlichen vor dem Sex mit einem Schal die Augen verbunden werden. Deutlicher symbolisch eingebunden ist der Schal in "No night is too long" (2002), worin Tim unter Heranziehung eines Schals wichst, den er als Kind von einem älteren Jungen feierlich und weihevoll überlassen bekommen hat. Ein weicher Schal aus Seide ist in Pedro Almodóvars "Schlechte Erziehung" (2004) ein Mittel der erotischen Verführung: Er wird dem jüngeren Juan von Señor Berenguer als Geschenk angeboten, aber nicht angenommen. Damit wird über den Schal die (noch) fehlende Erwiderung sexueller Avancen zum Ausdruck gebracht.
Facettenreich ist ein gelber Schal in "Das Bildnis des Dorian Gray" (2009) inszeniert. Er wird nicht nur in geselliger Runde homoerotisch eingebunden, sondern steht auch mit einem von Dorian Gray begangenen Mord in Verbindung.
Wie ein Schal nicht nur vor Wind und Wetter, sondern auch symbolisch schützen kann, zeigt eine Szene in "Harry und Max" (2004). Harry bekommt von seinem jüngeren Bruder Max einen Schal in Regenbogenfarben geschenkt: "Du brauchst ihn […] zum Schutz. Um geborgen zu sein."
Der Schutz durch einen Regenbogenschal in "Harry und Max" (2004)
Schals – reale Politik und surreale Himmelfahrt
Wie politisch Schals sein können, zeigt der Film "Clandestinos" (2007), der die baskisch-nationalistische Untergrundorganisation ETA behandelt und auch das Leben von Xabi zeigt, der in Madrid auf den Strich geht und mit einem sogenannten Arafat-Tuch zu sehen ist. Ein solches Tuch wurde im Zug des Nahostkonfliktes zu einem Symbol für die gegen Israel kämpfenden Palästinenser.
Ein Arafat- bzw. Palästinensertuch in "Clandestinos" (2007)
Es gibt zwei Filme, die ansonsten zwar wenig Gemeinsamkeiten haben, bei denen aber ein Schal recht bedeutungsschwanger durch die Luft fliegt und am Ende im Himmel auf mystische Weise verschwindet. In "Remington and the Curse of the Zombadings" (2011) ist ein Schal die Manifestation des (ironisch gebrochenen) Fluches einer Dragqueen gegenüber einem Jungen, dass dieser an seinem 21. Geburtstag "schwul wird". In "The Danish Girl" (2015, 2:55 Min., Schlussszene hier online) – über den Aufbruch zu einem neuen Leben nach einer geschlechtsangleichenden Operation – steht der Schal, den der Wind in der Schlussszene in den weißen Himmel trägt, offenbar für das Loslassen können des alten Lebens.
Pornos – Tücher und sexuelle Vorlieben
Ein rotes und stereotyp schwul konnotiertes Halstuch ist in "The Score" (1974) – einem der bekanntesten Filme des "Golden Age of Porn" – zu sehen, wo es wie ein Phallus zärtlich in die Hand genommen und auch beim Sex nicht abgelegt wird. Einige Pornos zeigen schon auf dem Cover Männer mit einem roten ("Gutter Punks", "Gang Bang Rodeo"), gelben ("Twin Dicks of Hazzard") oder hellblauen Halstuch ("Tightropes Thirty"). Die in Pornos um den Hals getragenen Tücher stehen, im Gegensatz zu den Spielfilmen, offenbar auch in Verbindung mit dem jeweiligen Farbcode.
Der Hanky-Code wird in schwulen Pornos nur selten aufgegriffen ("White Hanky", "Red Hanky"). Der Titel "Fist Bus" ist auch die Erklärung für das rote Hanky in der linken Gesäßtasche eines Mannes auf dem Cover. Die Pornos "Red and Yellow Fuckers" und "Code Red. Asshole Emergency" beziehen sich indirekt auf den Hanky-Code. Ein schwules Pornolabel trägt den Namen "Dark Green Hanky".
Die Bedeutung des rotes Hankys in der Gesäßtasche wird durch den Titel des Pornos "Fist Bus" erklärt
Gürtel – Blick auf die und Phantasie unter der Gürtellinie
Je nach Größe und Form kann und soll ein Gürtel die Aufmerksamkeit auf den Genitalbereich lenken. Dabei hat der Gürtel auch eine ambivalente sexuelle Bedeutung, weil er nicht nur ein erotisches Reizmittel ist, das bei Männern mit Phantasien von Potenz, Kraft und Macht in Verbindung steht, sondern im Falle des Keuschheitsgürtels auch auf jungfräuliche Unberührtheit verweisen kann. Die Redensart, dass etwas "unter die Gürtellinie" geht, verweist auf etwas Unanständiges und oft auf etwas Sexuelles. Einen Gürtel zu lösen oder einen Gürtel anzufassen kann in Filmen bereits auf Sex verweisen.
Keuschheitsgürtel – weniger Sex
Ein Keuschheitsgürtel in "Die nackte Kanone 33⅓" (1994)
In den Filmen der heutigen Zeit ist ein Keuschheitsgürtel selten zu sehen. In "Katharina und ihre wilden Hengste" (1983) trägt eine trans* Person einen Keuschheitsgürtel, der bei einer Person mit sexuellem Interesse, aber anderer Erwartungshaltung einige Irritationen auslöst. In der kommerziell erfolgreichen Komödie "Die nackte Kanone 33⅓" (1994) kann sich Frank Drebin (D: Leslie Nielsen) im Gefängnis mit einem solchen Gürtel gegen einen sexuellen Übergriff eines anderen Mannes wehren. In "Cucumber" (Folge 1) wird ein Keuschheitsgürtel verwendet, um zwei Wochen lang freiwillig auf Sex zu verzichten.
Fokus auf den Gürtel in "Nicht der Homosexuelle ist pervers …" (1971)
Ein Gürtel und die dazugehörige Gürtelschnalle lassen sich recht leicht sexualisieren. Schon in "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" (1971) fokussiert die Kamera beim langsamen Ausziehen eines Mannes lustvoll den Gürtel mit seiner großen Schnalle. Ähnlich fokussiert wird der Gürtel des schwulen Egi Kühl (D: Werner Röglin) in "Drei Bayern im Bangkok" (1976) und in "Kopfüber" (1998).
Spielen mit der Schnalle in "Brokeback Mountain" (2005, Ausschnitt)
In "Brokeback Mountain" (2005) spielt Jack kurz nach dem Pinkeln vor Ennis auffordernd anmutend mit seiner Gürtelschnalle herum, wobei die Aufmerksamkeit auf Jacks Genital gelenkt wird. In der "Tatort"-Folge "Der doppelte Lott" (Folge 615, 2005) tritt der offen schwule Chansonnier Tim Fischer auf, der hier Tom Linden, den Lebenspartner eines Ermordeten, verkörpert. Dass Tim Fischer hier eine gute Figur abgibt, liegt nicht zuletzt an seinem hautengen Anzug und seinem tief sitzenden Gürtel in Katzenform.
Man findet den Gürtel auch manchmal im Bereich von BDSM, wie in "The Everlasting Secret Family" (1988) und "Secrets" (2007).
Gürtel – Gewalt und gewaltsamer Sex
Bei Vergewaltigungen und sexuellem Missbrauch ist die symbolische Bedeutung des Gürtels ähnlich sexualisiert, wenn auch in pervertierter Form: Die große Gürtelschnalle in "Die Vergewaltigung des Richard Beck" (1985) lenkt die Aufmerksamkeit nicht nur auf das Genital des Mannes, sondern ist wohl auch als Vorverweis auf die anschließende Vergewaltigung zu verstehen. In "The Closet" (2008) verweist der abgenommene Gürtel auf die Züchtigung des schwulen Sohnes. In "Judas Kiss" (2011, nur im Bonusmaterial der DVD) schickt der Vater seinen Sohn auf sein Zimmer und zieht seinen Gürtel heraus, womit körperliche Gewalt (in Verbindung mit sexuellem Missbrauch) angedeutet wird.
"Unterhalb der Gürtellinie" – ist es niveaulos oder sexuell pikant?
Als (nicht reflektierte) Metapher ist der Gürtel im Kontext schwuler Filme offenbar nur dann relevant, wenn diese als "unterhalb der Gürtellinie" bezeichnet und dabei meistens als niveaulos kritisiert werden, wie in Axel Schocks und Manuela Kays Filmlexikon "Out im Kino" (2003, S. 84) im Hinblick auf die homophoben Witze in "Coconuts" (1986). Auch ein User auf filmstarts.de verwendet diese Formulierung im Kontext von Niveaukritik: Der Film "Boat Trip" (2003) enthalte "Fäkalhumor, jede Menge dummer Albernheiten", Kalauer und Klischees. Neben der Bedeutung "niveaulos" hat der Ausdruck "unterhalb der Gürtellinie" auch die Bedeutung von "sexuell pikant" (und mutig), wie es in den Rezensionen von "Cinema" zum Film "Queer Duck" (2006) und von filmstarts.de zum Film "Bros" (2022) erkennbar gemeint ist.
Pornos – vom Budō-Gürtel bis zum Werkzeuggürtel
Phallischer Säbel auf dem Cover von "Below the Belt"
In einer Filmszene in "Score" (1974) wird der Gürtel offenbar als Phallussymbol inszeniert. Auf DVD-Covern späterer Pornos hat der Gürtel eine symbolische Breite, die sich aus dem Titel und der bildlichen Darstellung ergeben. In einigen Pornos lenkt die Gürtelschnalle ("Buckle Roos. Part 2") bzw. der Gürtel ("Way Below the Belt") die Aufmerksamkeit deutlich auf das männliche Genital.
In einigen Pornos verweist der Gürtel auf Sport, Kraft und Männlichkeit, wie der über der Schulter getragene Sportgürtel auf dem Cover von "Black Muscles". Im Porno "Below the Belt" (1985) mit einem phallisch inszenierten Säbel ist der Titel nicht nur eine Anspielung auf die sexuellen Aktivitäten unterhalb der Gürtellinie, sondern verweist auf die Protagonisten im Film als Karate-Kämpfer mit einem Budō-Gürtel, der über seine Farbe den Fortschrittsgrad des Kampfsportlers und damit seine Stärke anzeigt. Auch die Gürtel auf den Covern von "Belts and Ladders" und "Bullring. Takin' It Below the Belt!" beziehen sich in Verbindung mit dem Bildmotiv eines Boxrings auf die sportliche Kraft eines Mannes.
In Verbindung mit einem Werkzeuggürtel wird der Penis symbolisch zu einem männlich konnotierten "Werkzeug" ("Men with Tools", "Tool Belt", "Phönix Rising", "Black Magic"). Bei einigen Pornos ("Take my belt", "Take my belt. Hard Play") steht der Gürtel für BDSM, weil er drohend in der Hand gehalten wird.
Schuhe – Anmut, Armut und Aroma
Schuhe können Standpunkte verdeutlichen und Einstellungen und Werte vermitteln. Auch Redensarten sind voll von symbolischen Bedeutungen: Man möchte nicht in den "Schuhen eines anderen stecken", es "drückt der Schuh" oder man "schiebt einem anderen etwas in die Schuhe". In Freud'scher Tradition sehen einige sogar in einem Fuß ein Phallussymbol, das, wie im Märchen "Aschenputtel", in einen Schuh (= Vagina) hineinschlüpft. Schuhe sind darüber hinaus traditionell auch ein Machtsymbol, weil teure Schuhe mit Reichtum und Barfußlaufen mit Armut assoziiert sind.
Schuhe – arm und reich
Aufbauend auf den durch teure Schuhe und nackte Füße darstellbaren sozialen Gegensätzen von Arm und Reich zeigt Bernardo Bertolucci in "Der Konformist" (1970) eine körperliche Annäherung eines Strichers, der seinen nackten Fuß auf den teuren Schuh eines Freiers stellt und ihm damit ein sexuelles Angebot unterbreitet. Mit sozialer Hierarchie arbeiten auch Filmszenen, die das "Wichsen" von Schuhen zeigen und dies durch den Szenenschnitt sexualisieren. In "Another Country" (1984) hebt eine solche Szene auf die sozialen Unterschiede ab und erinnert durch den Filmschnitt an sexuelles "Wichsen".
Der Diebstahl teurer Turnschuhe und mann-männliche Prostitution prägen den Film "La partida – Das letzte Spiel" (2013) und verdeutlichen den von Armut geprägten Alltag in Havanna. Die Protagonisten können nur träumen von einem Leben, wie es der schwule Entertainer "Liberace" (2013, D: Michael Douglas) geführt hat, der im Film mit goldenen Pantoffeln zu sehen ist.
Schuhe als Ausdruck von Arm und Reich in Bernardo Bertoluccis "Der Konformist" (1970)
Schuhe – "Weiblichkeit" und Geschlechterrollen
In "Ein Fleck in der Sonne" (aka: "A Raisin in the Sun", 1:12 h., 1961, hier online) macht sich Walter Lee Younger (D: Sidney Poitier) über die "tuntigen" (OF: "faggot") weißen Schuhe eines anderen Mannes lustig. Auf diese kurze Szene weist der Filmhistoriker Vito Russo ("Die schwule Traumfabrik", 1990, S. 106) zu Recht besonders hin. 27 Jahre später macht sich eine andere Filmszene zwar ebenfalls über das Schuhwerk lustig, nun können aber auch Schwule herzhaft mitlachen: In "Das Kuckucksei" (1988) trägt Arnold (D: Harvey Fierstein) rosa Pantoffeln – als "weiblicher" Part in einer schwulen Beziehung. In "Durchgehend warme Küche" (Folge 1/10) – ebenfalls unterhaltsam und stereotyp in der Darstellung – bekommt der heterosexuelle Frits von seinen schwulen Kollegen rosa Pantoffeln geschenkt.
Auch Männer in Pumps stellen über das Schuhwerk gängige Geschlechterrollen in Frage. Die Schuhe einer trans Person in "The Shoes of Aristeu" (2009) und die "Kinky Boots" (2005) einer Dragqueen im gleichnamigen Film sind nicht nur identitätsprägend, sondern das Wichtigste am ganzen Film und bestimmend für den Filmtitel. In "Mascara negra" (2010) trinkt ein Mann aus einem Damenschuh und hat später Sex mit seinem Träger. Mit dem Interesse des schwulen Waylon Smithers an roten Pumps in Schuhgröße 45 ("Die Simpsons", Folge 10/5) wird – auch in Verbindung mit dem Wort "fabulous" (OF) – in stereotyper und unterhaltsamer Form dezent auf seine Homosexualität angespielt.
Rote Pumps bestimmen die Handlung und den Filmtitel von "Kinky Boots" (2005)
Schuhe – Mode und Farbe
Einige Filme heben auf das positive Stereotyp ab, dass sich Schwule überdurchschnittlich für modische Schuhe interessieren. Bei dem Interesse des Schwulen in "Bitterer Honig" (1961) an italienischen Schuhen kann Italien außerdem für sexuelle Freiheiten stehen. Das Klischee lässt sich auch gut umdrehen. In "Just shoot me" (Folge 2/13) wird Dennis von seinem Vater für schwul gehalten, andere widersprechen ihm mit einer einleuchtenden Begründung: "Wir halten dich nicht für schwul. Nicht mit solchen Schuhen."
Der junge Luke in "The Young Prime Minister" (2009) möchte unbedingt pinke Turnschuhe haben. Was folgt, ist jedoch keine erwartbare Geschichte von einem schwulen Jungen, der danach gemobbt wird, sondern die von einem nicht angepassten Jungen, der später ein guter Politiker werden möchte und sich dabei selbstbewusst mit seinen Vorstellungen vom Recht auf Individualität zu positionieren weiß.
Das Recht auf Individualität und pinke Turnschuhe in "The Young Prime Minister" (2009)
Schuhe – Phallus, Fetisch, Verbundenheit
Die metaphorische Bedeutung von Schuhen wird u. a. in "Unter der Treppe" (1969) deutlich, worin der schwule Charles Dyer (D: Rex Harrison) sich selbst als einen "ausgelatschten alten Schuh" und ein "vergammeltes Phallussymbol" bezeichnet. Ausdruck von Nähe und Verbundenheit ist es, wenn in "Le Fil" (2009) Bilal in die Schuhe seines Freundes Malik schlüpft und Malik wiederum an Bilals Schuhen riecht. In "Mum" (2013) verabreden sich zwei Männer durch Nachrichten in Schuhen, wobei Gefühle auch dadurch zum Ausdruck kommen, wie der Schuh bedächtig in den Händen gehalten wird. In der "Tatort"-Folge "Endspiel" (Folge 500, 2002) sind Turnschuhe nicht nur eine Erinnerung an die Kindheit und ein persönlicher Glücksbringer für Jesiah, sondern auch ein sehr persönliches Abschiedsgeschenk.
Demut bzw. Demütigung wird in erster Linie durch das Küssen von Füßen ausgedrückt, kann aber auch durch das Lecken von Schuhen wie in "Flexing with Monty" (2010) erreicht werden.
Schuhe als Metapher – in den Schuhen der Eltern
Schuhe werden auch als Metapher eingesetzt: Im Filmtitel der Doku "In my Shoes. Stories of Youth with LGBT Parents" (2005) fungieren Schuhe als Symbol einer generationsübergreifenden Verbundenheit. Vergleichbar ist die deutsche Redensart "in die Fußstapfen eines anderen treten".
Dorothys Schuhe
Seit mehr als 80 Jahren ist ein Paar Damenschuhe unvergesslich: Die rubinroten Schuhe von Dorothy in "Der Zauberer von Oz" (1939), die im Film für die magische Kraft der Psyche stehen, einen Menschen in ein Phantasiereich zu führen. Für viele Schwule war diese Geschichte der perfekte Ausdruck ihrer eigenen Sehnsüchte. Weil Dorothy durch die Schwulenikone Judy Garland verkörpert wurde, verwundert es nicht, dass sich Referenzen zu Dorothys Zauberschuhen in mehreren schwulen Filmen wie "Judas Kiss" (2011) finden lassen. In "Ruby Slippers" bzw. "Rote Absätze" ("The Mentalist", Folge 4/21) prägen die rubinroten Schuhe als Referenz an Judy Garland den Inhalt und den Titel dieser schwulen Folge, einschließlich des Songs "Somewhere over the Rainbow", der ebenfalls aus dem Film von 1939 bekannt ist.
Dorothys magische Schuhe in "Der Zauberer von Oz" (1939)
In "The Dead Boys' Club" (1993) geht es um die magische Kraft von gewöhnlich wirkenden Schuhen, die einen Schwulen aus den Neunzigerjahren in die Siebzigerjahre zurückversetzen, in die verklärte Zeit der sexuellen Freiheiten vor Aids. Der Film zeigt, wie man sich von Straßenschuhen verzaubern lassen kann, und ist vielleicht ebenfalls eine abstrakte Referenz zu den Schuhen aus "Der Zauberer von Oz".
Pornos – Stiefel und Unterwerfung
Mehrdeutiges Wichsen von Schuhen in "Proud"?
In neueren Schwulenpornos sind eigentlich nur zwei Arten von Schuhen relevant: zum einen Turnschuhe, die zwar Fetisch sind ("Big & Thick", "Man Size Sex Pack"), aber keine symbolische Bedeutung haben. Zum anderen schwarze Lederstiefel, die zu den Fetischen der BDSM-Szene gehören ("Too Hot in Tel Aviv", "Boot Black Blues"). Im Filmtitel können die Stiefel mit anderen Symbolen verknüpft werden ("Bears in Boots") – wozu auch eine Verwendung pars pro toto gehört ("Black Boots Diaries").
Das Bildmotiv des Stiefelleckens ("Boot Black II") ist als Geste des Dienens und der Unterwerfung zu sehen. In einigen Filmen wirkt es so, als sollten sexuelle Bezüge durch das Wichsen (= Putzen) von Stiefeln erreicht werden ("Proud", "Boot Boy"), wobei die Doppeldeutigkeit des Verbs nur im Deutschen funktioniert. Hier lässt sich gut an den älteren Porno "Die neuen Abenteuer des Sanitätsgefreiten Neumann" (1978) erinnern, in dem der einzige schwule Protagonist, im Gegensatz zu allen anderen Männern und Frauen, als Witzfigur inszeniert ist und nicht beim Sex, sondern nur beim Schuhewichsen gezeigt wird.

Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de
Nicht zu vergessen : die Bedeutung des Helms im Film im fz Film "Equation à un inconnu" aus dem Jahr 1979.
salzgeber.de/gleichungmiteinemunbekannten