Die 95. Ausgabe der Oscars ist vorbei, und zusammenfassend lässt sich sagen: "Everything Everywhere All at Once" gewinnt fast Everything und Everywhere. Aus der fürstlichen Auswahl von zehn Werken konnten die Stimmberechtigten der Academy Awards in diesem Jahr in der Kategorie "Bester Film" auswählen. Vom kleinen Indie-Film wie "Die Aussprache" über den deutschen Beitrag "Im Westen nichts Neues" von Edward Berger (53) bis hin zum absoluten Blockbuster-Kino der Marke "Top Gun: Maverick" und "Avatar: The Way of Water" stand die Kategorie in diesem Jahr wie selten zuvor für Abwechslung.
Als größter Favorit bei den Buchmacher*innen war jedoch der abgedrehte Science-Fiction-Streifen "Everything Everywhere All at Once" von Daniel Kwan und Daniel Scheinert (jeweils 35) ins Rennen gegangen – und machte seinem Namen im Verlauf des Abends alle Ehre. In der Königskategorie, das deutete sich im Verlauf der Verleihung zunehmend an, konnte der Sieger nur "Everything Everywhere All at Once" heißen. Die Academy würdigte damit dieses Jahr einen Film, der wie kein zweiter imposante Schauwerte mit wichtiger und zeitgemäßer Botschaft zu verknüpfen wusste – und das alles ohne gigantisches Budget, dafür mit umso mehr Herz. Der Film handelt von einer chinesisch-stämmigen Waschsalonbetreiberin in den USA, die im Zuge einer Steuerprüfung feststellen muss, dass sie – aber auch ihr noch Ehemann sowie die queere Tochter – in verschiedenen Paralleluniversen existiert.
Brendan Fraser kann es kaum fassen
Die begehrten Oscars für Hauptdarsteller und Hauptdarstellerin gingen in diesem Jahr an Brendan Fraser und Michelle Yeoh. Mit ihren Leistungen in "The Whale" und "Everything Everywhere All at Once" konnten sie sowohl das Publikum als auch die Academy überzeugen.
Schon bei der Verleihung der Preise für den besten Nebendarsteller und die beste Nebendarstellerin zu Beginn des Abends wurde es feucht-fröhlich. Die Gewinner*innen Ke Huy Quan (51) und Jamie Lee Curtis (64, beide für "Everything Everywhere All at Once") nahmen ihre Goldjungen unter Tränen an. Ähnlich ging es für die "Beste Hauptdarstellerin" und den "Besten Hauptdarsteller" weiter. Mit emotionalen Reden nahmen die Preisträger*innen ihre Awards entgegen. Jessica Chastain (45) und Halle Berry (56) überreichten die Goldstatuen.
Zunächst wurde Brendan Fraser (54) als "Bester Hauptdarsteller" ausgezeichnet. Zwar konnte er in den vergangenen Wochen bereits diverse Awards für seine Rolle als schwuler und schwer übergewichtiger Professor, der seine Wohnung nicht mehr verlässt, mit nach Hause nehmen, dennoch wirkte der 54-Jährige komplett geschockt von seinem Triumph. "Die Dinge waren nicht immer einfach für mich", nahm er den Oscar gerührt an. Sein Dank galt vor allem seinen drei Söhnen Griffin (20), Holden (18) und Leland (16). Das Publikum reagierte mit Applaus und Standing Ovations.
Michelle Yeoh schreibt Oscar-Geschichte
Tosenden Applaus gab es auch für die "Beste Hauptdarstellerin". Als drittes Cast-Mitglied von "Everything Everywhere All at Once" wurde Michelle Yeoh (60) mit dem wichtigen Preis ausgezeichnet. Sie ist die erste asiatische Frau, die in dieser Kategorie gewürdigt wurde. Ihre Rede widmete sie zunächst asiatischen Kindern und Jugendlichen: "Für alle Mädchen und Jungs, die so aussehen wie ich: [...] Das ist der Beweis, dass Träume wahr werden können."
Doch damit nicht genug. Die 60-Jährige legte mit einem weiteren wichtigen Statement nach. "An alle Frauen: Lasst euch niemals sagen, dass eure Blütezeit vorbei ist", rief sie ins Publikum und erhielt dafür viel Beifall. Den Award widmete Yeoh ihrer 84-jährigen Mutter und allen Müttern dieser Welt: "Sie sind die wahren Superhelden." Beim Verlassen der Bühne betonte sie noch einmal, dass "heute Geschichte geschrieben wird".
Ebenfalls in der Sparte "Beste Schauspielerin" waren Cate Blanchett (53) für das Drama "Tár", in dem sie eine lesbische Stardirigentin spielt, Ana de Armas (34) für "Blonde", Andrea Riseborough (41) für "To Leslie" und Michelle Williams (42) für "Die Fabelmans" nominiert.
Das lesbische Drama "Tár" ging leer aus
Auch in der Kategorie "Beste Regie" befand sich eine illustre Reihe an Namen auf der Nominierungsliste. Todd Field (59) für "Tár", Martin McDonagh (52) für "The Banshees of Inisherin", Ruben Östlund (48) für "Triangle of Sadness" sowie Steven Spielberg (76) für "Die Fabelmans". Doch einmal mehr war an einem Daniel-Duo kein Vorbeikommen, nicht einmal für Regie-Legende Spielberg: Kwan und Scheinert sammelten auch hier für "Everything Everywhere All at Once" die Goldjungen ein und hielten wie mit ihrem Film auch auf der Bühne ein flammendes Plädoyer für mehr Toleranz und Freude an der Vielfalt. "Drag ist für niemanden eine Bedrohung", sagte Daniel Scheinert etwa in Anspielung auf Versuche von Republikanern, Drag-Performances zu verbieten.
Im Doppelpack wurden von Andrew Garfield (39) und Florence Pugh (27) das beste Originaldrehbuch sowie das beste adaptierte Drehbuch verkündet. Was soll man sagen? Auch hier machte "Everything Everywhere All at Once" seinen Namen alle Ehre. Der Film setzte sich gegen "Tár", "The Banshees of Inisherin", "Triangle of Sadness" und "Die Fabelmans" durch und stand am Ende der Verleihung mit sieben gewonnenen Oscars da. Für elf war der Science-Fiction-Film insgesamt nominiert gewesen.
Wesentlich größer die Überraschung in Drehbuch-Kategorie Nummer zwei: Sarah Polleys (44) "Die Aussprache" hatte am Ende die Nase vorn und verwies "Im Westen nichts Neues", "Top Gun: Maverick", "Living" sowie "Glass Onion: A Knives Out Mystery" auf die Plätze.
Der deutsche Beitrag "Im Westen nichts Neues" gehört mit vier Oscars dennoch zu den großen Gewinner*innen des Abends. Er holte u.a. den Preis für den "Besten fremdsprachigen Film". (cw/spot)
Alle Gewinner*innen der 95. Oscarverleihung
Bester Film: Everything Everywhere All at Once
Bester internationaler Film: Im Westen nichts Neues (Deutschland)
Regie: Daniel Kwan und Daniel Scheinert (Everything Everywhere All at Once)
Hauptdarstellerin: Michelle Yeoh (Everything Everywhere All at Once)
Hauptdarsteller: Brendan Fraser (The Whale)
Nebendarstellerin: Jamie Lee Curtis (Everything Everywhere All at Once)
Nebendarsteller: Ke Huy Quan (Everything Everywhere All at Once)
Kamera: James Friend (Im Westens nichts Neues)
Original-Drehbuch: Daniel Kwan und Daniel Scheinert (Everything Everywhere All at Once)
Adaptiertes Drehbuch: Sarah Polley (Die Aussprache)
Schnitt: Paul Rogers (Everything Everywhere All at Once)
Filmmusik: Volker Bertelmann alias Hauschka (Im Westen nichts Neues)
Filmsong: Naatu Naatu (RRR)
Produktionsdesign: Christian M. Goldbeck und Ernestine Hipper (Im Westen nichts Neues)
Ton/Sound: Mark Weingarten, James H. Mather, Al Nelson, Chris Burdon und Mark Taylor (Top Gun: Maverick)
Visuelle Effekte: Joe Letteri, Richard Baneham, Eric Saindon und Daniel Barrett (Avatar: The Way of Water)
Animationsfilm: Guillermo del Toro's Pinocchio
Animations-Kurzfilm: The Boy, The Mole, The Fox and the Horse
Dokumentarfilm: Nawalny
Dokumentar-Kurzfilm: Die Elefantenflüsterer (The Elephant Whisperers)
Make-up/Frisur: Adrien Morot, Judy Chin und Annemarie Bradley (The Whale)
Kostümdesign: Ruth Carter (Black Panther: Wakanda Forever)
Kurzfilm: An Irish Goodbye
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Für seine Rolle als übergewichtiger Schwuler in "The Whale" bekam Brendan Fraser den Oscar als bester Hauptdarsteller.
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Eine absolut berechtigte Auszeichnung für eine hervorragende schauspielerische Leistung in einem sehr bewegenden Film.