2023 scheint ein gutes Jahr für deutsche non-fiktionale trans Literatur zu werden. Nach Linus Gieses "Lieber Jonas" erschien kürzlich "All die brennenden Fragen – Ein Gespräch über trans Erfahrungen" (Amazon-Affiliate-Link ) im jungen Berliner Katalyst Verlag. Der Band stellt eine Kooperation zwischen Henri Maximilian Jakobs und der Fernseh- und Radiomoderatorin Christina Wolf das. Wolf gestaltete bereits den erfolgreichen Podcast "Transformer" über ihre Freundschaft zu Jakobs, der als Schauspieler, Musiker und Autor in Berlin lebt und Sänger und Bass-Spieler der Bands Tubbe, Finna und The Toten Crackhuren im Kofferraum ist.
Das Buch in Form eines Interviews, also eines Gespräches zwischen den beiden, zu gestalten, stellt sich als gelungener Kunstgriff heraus. Somit bildet "All die brennenden Fragen" einen Diskurs ab, eine respektvoll geführte Diskussion zwischen einer cis und einer trans Person. Gerade mit ihrem Podcast als Hintergrund sind Jakobs und Wolf als Redner*innen geübt und bringen ihre Argumente präzise auf den Punkt. Sie machen klar, dass sie miteinander sprechen, um zu beweisen, dass es eben möglich ist: das respektvolle Gespräch, welches immer von trans Personen gefordert und so selten gekonnt umgesetzt wird.
Zu jedem Kapitel gibt's eine Anekdote
"All die brennenden Fragen" ist im Katalyst Verlag erschienen
Was die Themen angeht, deckt "All die brennenden Fragen" die klassischen Aufklärungs-Bereiche ab: Begrifflichkeiten, gesellschaftliche Schwierigkeiten, Transphobie, Erfahrungen in Beziehungen. Hier wird verhandelt, was standardmäßig in Aufklärungs-Literatur vorkommt. Jedem Interview-Kapitel ist dabei eine Anekdote aus Jakobs' Leben vorangestellt. Einen tiefergehenden Einstieg in Theorien und Diskurse bietet das Buch nicht – muss es aber auch nicht.
Jakobs schreibt und spricht gerne bildlich, wobei ihm hin und wieder wahre Blüten gelingen, wie die Beschreibung von Trans-Sein für ihn als: "Man ist nur die schlecht gezeichnete Version der Person, die in einem vergraben ist." Gleichzeitig ist er sich aktuellen Schlagabtäuschen bewusst genug, um ab und zu beispielsweise zu betonen, dass das Internet ihn nicht trans gemacht hat, und zu thematisieren, dass Trans-Sein eben kein moderner "Hype" ist. Was Jakobs fordert, ist dabei mitunter angenehm radikal formuliert, wie sein Wunsch, sich "in allen Räumen bewegen zu dürfen und nicht bloß in den Nischen, die man uns um des guten Gewissen willens freiräumt."
Weitere queere Expert*innen kommen zu Wort
Um auch zielführend über weitere Themen, zum Beispiel nicht-binäre Identität, sprechen zu können, holen Jakobs und Wolf in der zweiten Hälfte des Buches noch viele weitere Personen in ihren Gesprächskreis – so zum Beispiel Louie Länger, schriftstellerisch ("Re-thinking Gender") und illustrierend tätig, oder Publizistin und trans Aktivistin Nora Eckert. Diese kleinen Interviews bilden ein breites Spektrum an trans, nicht-binärer und queerer Identität ab und ergänzen das Buch hervorragend, genau wie das Glossar für queeres Vokabular am Ende des Bandes.
Insgesamt bietet "All die brennenden Fragen" eine unterhaltsame, angenehm herausfordernde Leseerfahrung – und liefert einen hervorragenden Ausgangspunkt, um sich tiefer mit verschiedenen Themenfeldern zu beschäftigen.
Infos zum Buch
Henri Maximilian Jakobs mit Christina Wolf: All die brennenden Fragen. Ein Gespräch über trans Erfahrungen. Sachbuch. 120 Seiten. Katalyst Verlag. Berlin 2023. Taschenbuch: 19 € (ISBN: 978-3-94931-528-2).
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