Auch in Baden-Württemberg sammeln Gegner*innen geschlechtergerechter Sprache Unterschriften gegen das "Gendern". Ihr Ziel: Ein Volksbegehren, ähnlich wie in Hamburg durch den Verein Deutsche Sprache e.V. anvisiert (queer.de berichtete).
Seit Anfang der Woche sammelt der Heidelberger Rechtsanwalt und CDU-Mitglied Klaus Hekking im Internet bereits Unterschriften zur Unterstützung der Initiative.
Mit Zwang gegen den Zwang
Auch bei der süddeutschen Initiative geht es bei der Frage von Zwang und Freiheit zweideutig zu. So betont Hekking, dass es nicht darum gehe, "Gendern zu verbieten". Man wolle aber auch keinen Zwang. Wer die geschlechtergerechte Sprache "freiwillig" nutzen wolle, könne dies gerne tun. Und trotzdem – oder gerade deshalb – lässt der Name der Initiative wenig Spielraum für Freiwilligkeit: "Stoppt Gendern" nennt sie sich, und Hekking nennt die Bemühungen um sprachliche Geschlechtergerechtigkeit öffentlich "Firlefanz".
Geht es nach seinem Willen, so sollen die Landesregierung, die ihr nachgeordneten Behörden "und alle übrigen Einrichtungen des Landes" sowohl bei der externen als auch bei der internen Kommunikation das Amtliche Regelwerk "Deutsche Rechtschreibung, Regeln und Wörterverzeichnis" verwenden und "auf Vorgaben zum Gebrauch geschlechtsneutraler Änderungen und Zusätze" verzichten.
Dem angestrebgten Zwang sogar bei der Kommunikation unter Kolleg*innen in Behörden setzen die Initiator*innen ihre ganz eigene Sicht auf Zwänge entgegen: Man lehne "entschieden Bestrebungen öffentlicher Institutionen und bestimmter Lobbygruppen ab", die den Menschen das "Gendern" aufnötigen wollten – "entgegen ihrem Willen". "Eine Vorgabe, so zu sprechen und zu schreiben, ist ein nicht akzeptabler Eingriff in die Meinungsfreiheit", findet er. Anders als bei der Hamburger Volksbegehrens-Anführerin Sabine Mertens ist der Aufruf im Süden aber an die "Bürgerinnen und Bürger" gerichtet. Man findet also Beidnennungen von Männern und Frauen richtig – etwas, das die nördlichen Mitstreiter*innen im Geiste bereits ebenfalls für "Gendern" halten und es deshalb genau so abgeschafft wissen wollen.
"Behörden, Universitäten, Schulen und Rundfunkanstalten" wären "auch in Baden-Württemberg" gegenwärtig dabei, "die Gendersprache von oben herab zu verordnen", meint Hekking. Man glaube aber nicht daran, dass sich Gleichberechtigung durch Sprache verwirklichen lasse. Andersherum glaubt er sehr wohl an eine große Wirkung von Sprache. Er möchte, dass "Gendern" mit dem erfolgreichen Ausgang seines Volksbegehrens kein Thema mehr sei. Warum? Dann könnten sich die Regierenden "um die richtigen Themen kümmern".
Die deutsche Sprache biete "mit ihrer Vielfalt und Klarheit alle Möglichkeiten, diskriminierungsfrei zu kommunizieren". Geschlechtsneutrale Formulierungen würden demgegenüber "aus Männern und Frauen geschlechtslose Wesen machen". Und auch für Migrant*innen und sehbehinderte Menschen, findet die Gruppe, sei die geschlechtergerechte Sprache ein Problem, heißt es auf der Webseite der Initiative. Dort kann man auch die offizielle Unterschriftenliste herunterladen, um sie händisch ausgefüllt wieder zurück zu senden.
Ziel: Volksabstimmung
Nach Baden-Württembergischem Recht müssen Initiator*innen eines Volksbegehrens auch einen Gesetzesentwurf vorbereiten und unterschreiben lassen. Knapp 3.000 Unterschriften will man bereits gesammelt haben, 10.000 brauche man – allerdings müssen die von in Baden-Württemberg Wahlberechtigten stammen. Gelingt die Sammlung, müssen die Aktiven innerhalb einer Frist von drei Monaten noch mal 0,5 Prozent der Wahlberechtigten von einer Unterschrift überzeugen. Stimmt der Landtag dem Gesetz dann nicht zu, kommt es schließlich zu einer Volksabstimmung.
Im Februar war die Landtags-FDP im Ländle mit einem Antrag gegen geschlechtergerechte Sprache gescheitert. Menschen dürften durch geschlechtergerechte Sprache nicht "verwirrt" werden, so FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ganz im AfD-Jargon. "Deshalb hat die Gendersprache in Schulen und Behörden nichts verloren."
Rülke gilt bei Bürgerrechtsfragen als Wackelkandidat: Er hatte vor neun Jahren für Empörung gesorgt, als er im Streit um den Bildungsplan Homosexuellen attestierte, nicht "gleichwertig" mit anderen Menschen zu sein ("Wir betrachten andere Lebensformen als tolerabel, aber nicht als gleichwertig"). Das erinnert wiederum an die Hamburger Anti-Gender-Initiatorin Sabine Mertens, die ihrer zunächst sehr erfolgreich gestarteten Initiative einen massiven Dämpfer versetzte, als sie das Volksbegehren ohne jede Not mit homo- und transphoben Sprüchen in Verbindung brachte (queer.de berichtete).
Der Grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte sich allerdings ebenfalls aufseiten der "Gender"-Gegner*innen positioniert – zumindest, wenn es um Schulen geht (queer.de berichtete). (jk)