Ein König in Bonbonrosa. Heinrich der IV. von Frankreich war 1606 auf einem Gemälde in einem pinken Gewand zu sehen. Dies war keine Parodie durch seine Gegner. Es war Ausdruck seiner Stärke. Denn Rosa galt damals als Symbolfarbe der politischen Durchsetzungskraft. Während Rot für Macht durch Gewalt stand, bedeutete Rosa demgegenüber Macht, gepaart mit Verstand und diplomatischem Geschick. Und dies, lange bevor Rosa zur "weiblichen" Farbe wurde, als die sie vielerorts heute immer noch gesehen wird.
Das Buch "Rosa" (Amazon-Affiliate-Link ) der Kunsthistorikerin Hayley Edwards-Dujardin versammelt 40 Kunstwerke, in denen die Farbe Rosa eine zentrale Bedeutung hat. Die Autorin präsentiert Gemälde und Kunstinstallationen und gibt dazu spannende Informationen aus der Kunst- und Kulturgeschichte. Das Buch entstammt der Reihe "Farben der Kunst", die sich mit der Bedeutung einzelner Farben in der Kunstgeschichte befasst. Ursprünglich auf Französisch erschienen, gibt es bisher in deutscher Übersetzung neben "Rosa" schon die Ausgabe zur Farbe Blau.
Die Farbe selbst ist in ihrer Herstellung ein Konstrukt
Das Buch "Rosa" ist Anfang des Jahres im Midas Verlag erschienen
Ob nun Puderrosa, Lachs, Veilchenrosa oder Magenta – die vielen Varianten dieses Farbtons machen auch die Spannbreite deutlich, wofür Rosa stehen kann. Wissenschaftlich betrachtet jedoch, so Hayley Edwards-Dujardin, gebe es die Farbe Rosa gar nicht. Denn wo etwa Blau aus dem Stein Lapislazuli gewonnen wird, muss Rosa erst aus verschiedenen Farben gemischt oder das Pigment chemisch erstellt werden. So sehr, wie die Bedeutungen von Rosa in der Gesellschaft immer wieder, etwa als weiblich, sozial konstruiert wurden, so sehr ist auch die Farbe selbst in ihrer Herstellung ein Konstrukt.
Am weitesten verbreitet ist heute noch die Zuschreibung von rosa als "weiblich" und blau als "männlich". Diese Zuordnung fand jedoch erst im frühen 20. Jahrhundert statt, erklärt Edwards-Dujardin. Davor galt rosa als abgeschwächte Form von rot als Farbe von jungen Männern. Blau wurde sehr lange als Farbe der Mutter von Jesus verwendet und wurde mit Weiblichkeit in Verbindung gebracht. So wurde Jesus als Kind oft in rosa Gewändern gezeigt.
Rosa als geistiger und spiritueller Schutzraum
Der Heilige Franziskus verleugnet seinen irdischen Vater (Bild: wikipedia)
In der christlichen Bildsprache spielt die Farbe Rosa eine prominente Rolle. In der katholischen Tradition steht rosa für Freude und Hoffnung. Ein im Buch ausgewähltes Bild zeigt die Szene, als der Heilige Franziskus seinem irdischen Besitz entsagt, und er in einer ganz in rosa gemalten Kirche Schutz findet. Rosa wirkt hier als geistiger und spiritueller Schutzraum. Auch Johannes der Täufer wird in dem im Buch abgebildeten Gemälde von El Greco in einem rosa Mantel dargestellt.
Im 17. Jahrhundert wird dann rosa Kleidung unter adeligen Männern sehr beliebt. Seinen Höhepunkt fand dies im Rokoko in Frankreich. Zu einer Zeit, als ausladende Kleidung, Verzierungen, Pomp und Pastellfarben in Adelskreisen beliebt waren. Mit der Französischen Revolution jedoch änderte sich dies. Die Männer drückten sich in einer schlichten und dunklen Kleidung aus. So wollten sie sich von den Eskapaden des Adels abgrenzen. Frauen sollten sich stattdessen über ihr Äußeres definieren. So stand rosa nun in Westeuropa für Zartheit, Sinnlichkeit und Zurückgenommenheit. Natürlich auch für die Verfügbarkeit gegenüber Männern.
Im 19. Jahrhundert drehten Frauen den Spieß um. Rosa wurde von nun an mit Feminismus in Verbindung gebracht. So wurde die Farbe zum Ausdruck des selbstbewussten Kampfes. Gleichzeitig wird Weiblichkeit in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg in der bildenden Kunst, etwa in den Gemälden der Malerin Marie Laurencin, über die Farbe Rosa mystifiziert und so symbolisch der Verfügbarkeit der Männer entzogen. Auch für das queere Kunstduo Eva & Adele, das ebenfalls im Buch vorkommt, ist die Farbe Rosa zentral. Die beiden Personen sehen sich als ständiges Kunstwerk. Sie haben rasierte Köpfe und treten oft in rosa Kleidung auf, um so traditionelle Geschlechtergrenzen zu durchbrechen.
Ein Vorteil des Buches ist es, nicht auf den europäischen Fokus beschränkt zu sein. Indem die Autorin auch Bilder aus Japan, Indien oder Mexiko auswählt, wird so die Bedeutung der Farbe Rosa in dortigen kulturellen Traditionen sichtbar und macht umso mehr den Kontrast zu Europa deutlich. Der indische Großmogul Shah Jahan aus dem 17. Jahrhundert in einem pinken Kostüm irritiert auf inspirierende Weise westeuropäisch geprägte Sehgewohnheiten.
Neben dem Spiel mit Geschlechterrollen wurden die unterschiedlichen Abstufungen der Farbe Rosa in der Malerei auch dazu verwendet, menschliche Haut wesentlich realistischer darzustellen, als dies bis dahin geschah. So wird durch rosa Nacktheit und Verletzlichkeit genauso dargestellt – wie Wärme, erotische Lust, Eifersucht und Begierde. Individualität jenseits von Klassen-, aber auch Geschlechtergrenzen findet so durch rosa ihren Ausdruck.
Das Unsichtbare sichtbar machen
Mithilfe der Farbe Rosa das Unsichtbare sichtbar zu machen, war besonders Ziel der Künstler*innen des Impressionismus. Es ginge ihm darum, "die Schönheit der Luft" zu malen, sagte Claude Monet einmal. Die flirrende Stimmung bei einem Sonnenuntergang, die nur wenige Minuten anhält, wird in seinem Gemälde besonders durch die Verwendung von Rosa festgehalten. Der Expressionismus später nutzte Abstufungen dieses Farbtons, um jenseits realistischer Abbildungen die eigenen Innenwelten darzustellen. Dis gilt etwa in Paul Signacs rosafarbenen Wolken.
Gemälde "Antibes, Le Nuage Rose" von Paul Signac (Bild: Museum of Fine Arts Boston)
Hayley Edwards-Dujardin wirft in ihrem Buch Schlaglichter darauf, wie unterschiedlich die Farbe Rosa in der Kunstgeschichte eingesetzt und gelesen wurde. Wie sie als "männliche", dann als "weibliche" Farbe und später als kritische Reaktion darauf im Feminismus und von queeren Akteur*innen verwendet wurde. Das Buch ist eine Entdeckungsreise und lädt dazu ein, bei der Betrachtung von Farben in Kunstwerken neue Perspektiven zuzulassen.
Infos zum Buch
Hayley Edwards-Dujardin: Rosa. Von Boticelli bis Christo. Farben der Kunst. 112 Seiten. Midas Verlag. Zürich 2023. Gebundene Ausgabe: 22 Euro (ISBN 978-3-03876-242-3)
In der Kirche ist die die liturgische Farbe für Marienfeiertage übrigens immer noch hellblau.