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Prozess in Münster

Fall Malte C.: Anklage fordert fünf Jahre Jugendstrafe

Wegen Körperverletzung mit Todesfolge soll Nuradi A. nach dem Willen der Staatsanwaltschaft fünf Jahre hinter Gittern erhalten.


Der Tod von Malte C. erschütterte letztes Jahr die Community in Münster und bundesweit (Bild: Facebook / KCM e.V.)

  • 21. März 2023, 14:43h 33 3 Min.

Im Prozess um den gewaltsamen Tod des trans Mannes Malte C. beim Christopher Street Day in Münster hat die Anklage am Dienstag eine Jugendstrafe von fünf Jahren für den Angeklagten Nuradi A. gefordert. Man werde beantragen, den 20-Jährigen in einer Erziehungsanstalt unterbringen zu lassen, sagte der Vertreter der Staatsanwaltschaft am Dienstag bei dem Verfahren vor dem Landgericht. Dem Angeklagten wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen.

Er soll Malte C. beim CSD im August 2022 gegen den Kopf geschlagen haben, als dieser sich schützend vor CSD-Teilnehmende stellte. Der 25-Jährige fiel mit dem Hinterkopf aufs Pflaster und starb Tage später an den Folgen eines Schädelhirntraumas (queer.de berichtete). Verteidiger Siegmund Benecken sprach sich für eine "angemessene Jugendstrafe" aus, nannte aber kein genaues Strafmaß. Am Mittwoch will die Kammer ihr Urteil verkünden.

Kein Tötungsvorsatz und Entwicklungsverzögerung beim Angeklagten

Der Staatsanwalt sagte, der Angeklagte habe keinen Tötungsvorsatz gehabt. Zur Tatzeit sei er Heranwachsender gewesen, es sei zudem von einer deutlichen Entwicklungsverzögerung auszugehen. Nuradi A. habe ein vollumfängliches Geständnis abgelegt – "von echter Reue getragen". Eine alkoholbedingte Enthemmung sei nicht strafmildernd zu bewerten. Der Mann habe gewusst, dass er unter Drogenkonsum zu Gewalt neige.

Die Anklage geht davon aus, dass der 20-Jährige in Zukunft weiter Gewalttaten begehen wird. Er sei immer wieder durch Fälle von Körperverletzung aufgefallen, einmal verurteilt worden. Im Jugendstrafrecht steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund.

Die Schwere der Tat solle entsprechend strafverschärfend gewertet werden, verlangte die Staatsanwaltschaft. Sie sieht bei dem Angeklagten keine homophobe, trans- oder queerfeindliche Grundeinstellung – auch wenn seine Beleidigungen gegenüber CSD-Teilnehmenden diesen Charakter gehabt hätten. Er soll unter anderem die Begriffe "lesbische Huren" und "Trans-Schweine" verwendet haben.

Angeklagter ist "noch nicht gefestigte" Person

Eine Vertreterin der Jugendgerichtshilfe sprach von einem "noch nicht gefestigten" Menschen. Sie verwies auf eine schwache, psychische Stabilität, erhebliche familiäre Belastungen von Kindheit an und eine schwierige Eingewöhnung vom tschetschenischen in den neuen deutschen Kulturkreis mit etwa zwölf Jahren. Nuradi A. habe Angst vor einer Abschiebung und Bedrohung seiner Familie in die russische Teilrepublik Tschetschenien.

Die psychiatrische Gutachterin Martina Redeker meinte, der 20-Jährige brauche noch viel Zeit, um "nachzureifen". Nach ihrer Einschätzung waren die Schläge gegen Malte C. "sicher platziert", trotz Alkoholkonsums gebe es keine Anzeichen für eine Bewusstseinsstörung, sein Erinnerungsvermögen sei gut. Er sei abhängig von Cannabis, Alkohol und missbrauche ein Arzneimittel. Die Sachverständige beschrieb eine extrem schwierige Kindheit mit einem gewalttätigen Vater, einer schwerstkranken Schwester, bis heute präge ihn ein "depressiver Modus". Nur sein zeitweises Boxen in Deutschland habe ihn vorübergehend stabilisiert.

Redeker attestierte dem Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung, er sei aber "zu Empathie und Perspektivwechsel" fähig. Er habe angegeben, schwul zu sein und fast paranoide Angst davor, dass seine Homosexualität für ihn und seine Familie schwere Folgen haben könnte. Der Mann habe "glaubwürdig negiert", dass er eine homophobe oder transfeindliche Haltung habe, schilderte die Psychiaterin mit Blick auf seine mutmaßliche Tat beim CSD. Der Vorfall hatte bundesweites Entsetzen ausgelöst.

Die Anklage geht auch davon aus, dass der 20-jährige Tschetschene schwul sei. Wäre er heterosexuell, würde ihm nach Verbüßen der Strafe die Abschiebung in sein homophobes Heimatland drohen (queer.de berichtete). (dpa/cw)

#1 PetterAnonym
  • 21.03.2023, 15:47h
  • Ich finde es unsäglich, dass ein Täter, der jemanden getötet hat und der auch bei der Tat bereits volljährig war, nach Jugendstrafrecht bestraft werden soll.

    Wenn der danach wieder sowas macht, braucht keiner überrascht zu tun und scheinheilig zu fragen, wie das passieren konnte.

    Bei Tötungsdelikten Volljähriger sollte grundsätzlich nur Erwachsenenstraftrecht zum Tragen kommen.
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#2 PrideProfil
  • 21.03.2023, 15:53h...
  • Nach diesen aber genauer zu analysierenden Zusammenhängen und und einer Strafe von da doch weit über fünf Jahren sollte gesehen werden, inwieweit der Täter ohne Weiteres dann danach schon in die Gesellschaft entlassen werden kann.
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#3 BetreuungAnonym
  • 21.03.2023, 15:59h
  • Antwort auf #1 von Petter
  • Bedeutet Jugendstrafrecht in diesem Fall nicht das er entsprechende pädagogische Betreuung und Begleitung bekommt ? Mindert das nicht eher die Gefahr einer erneuten Tat ? Auch nach Erwachsenenstrafrecht wäre er ja irgendwann wieder draussen...

    Und wird nach so einer Tat nicht unabhängig vom Strafrecht vor Entlassung ein erneutes Gutachten erstellt ?
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