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Jetzt im Kino
Die Vorreiterin weiblicher Lust und sexueller Entfaltung
Erica Jong, Feministin und für ihre Romane zur "Königin der Erotik" geadelt, blickt in einem neuen Dokumentarfilm auf ihr Leben zurück. Das Wichtigste fehlt dem Film leider – die Erotik.

Erica Jong veröffentlichte vor 50 Jahren den Bestseller "Angst vorm Fliegen" (Bild: Rise and Shine Cinema)
23. März 2023, 03:27h - 3 Min. Von
Eine Nahaufnahme voller Lippen, leicht geöffnet, nur die Spitzen von zwei Schneidezähnen sichtbar – das Stöhnen erklingt fast automatisch, wenn man das Coverfoto von "Angst vorm Fliegen" betrachtet. Auf einer anderen Ausgabe ein überbelichtetes Schwarz-Weiß-Foto einer nackten Frau, ein Busen sichtbar, auch hier der Mund leicht geöffnet. Ein anderes Cover zieren lediglich zwei Beine, wieder schwarz-weiß, in die Höhe gestreckt, das eine im rechten Winkel zum anderen.
"Angst vorm Fliegen", das ist der erste und wohl wichtigste Roman der US-amerikanischen Schriftstellerin Erica Jong. Der Klassiker der weiblichen erotischen Literatur wurde in 27 Sprachen übersetzt, über 20 Millionen Mal weltweit verkauft. Ein Meilenstein, der Erica Jong schlagartig berühmt – und berüchtigt – machte. 50 Jahre ist das her.
"Das Ficken so fade wie Schmelzkäse"

Poster zum Film: "Erica Jong – Breaking the Wall" startet am 23. März 2023 im Kino
Dementsprechend pünktlich hat der Schweizer Dokumentarfilmer Kaspar Kasics einen Film über die heute 81-jährige Autorin gedreht. Eine Doku über Erica Jong, die dank ihrer Werke zur "Königin der Erotik" geadelt wurde – doch wo bleibt die Erotik?
Einzig den "zipless fuck" erwähnt der Film "Erica Jong – Breaking the Wall". Gemeint ist das, was heute auf Dating-Apps mit NSA abgekürzt wird – no strings attached, ohne weitere Verpflichtungen: Sex zwischen zwei Menschen einzig um des Geschlechtsverkehrs willen, bei dem niemand eine emotionale Bindung erwartet. "Zipless fuck" hat es in die Alltagssprache geschafft, Erica Jong sei Dank. Und weil Sprache auch Realität erzeugt, wurde nicht nur über "zipless fucks" geredet, sie wurden auch gemacht. Oder wie die Autorin in einem Interview erläutert: Zehn Jahre zuvor wären Frauen nicht einmal darauf gekommen, sexuelle Fantasien zu haben. Das hat sich verändert.
Mehr Erotik will die Doku den Zuschauer*innen jedoch nicht zumuten. Da geht selbst der "Spiegel"-Artikel über die deutsche Übersetzung des "schockierenden Romans" 1976 weiter. Unter dem Titel "Phallisch und narzißtisch" lautet schon der erste Satz: "Die Dame phantasiert von der 'Traumnummer', sie träumt vom 'optimalen Spontanfick'." Isodora Wing, die Hauptfigur des Romans, die erstaunlich viele offenkundige Parallelen zur Autorin hat, zitiert der Artikel mit dieser kühnen Feststellung: "Selbst wenn man seinen Mann liebt, kommt unweigerlich die Zeit, wo das Ficken so fade wie Schmelzkäse wird. Und man sehnt sich nach einem überreifen Camembert..."
Zum vierten Mal verheiratet
Erotisch, spitzzüngig, selbstbewusst, lustig, feministisch: All das ist das Werk von Erica Jong, doch der Dokumentarfilm spart es aus. Stattdessen zeigt er die Autorin im Gespräch mit ihrer Schwester, ihren Enkelkindern, beim Treffen mit einer ägyptischen Aktivistin, begleitet sie mit einem Trainer zum Yoga im Park. Wir erfahren mehr über ihre Familie, ihren Umgang mit Gleichgesinnten. Eine interessante Frau, die ziemlich alltägliche, uninteressante Dinge tut, so scheint es. Dabei ist sie unprätentiös und ruhelos, sie will Menschen immer noch mitnehmen und aufrütteln.
Die alten Interviews, von denen der Film viele zeigt, beweisen ihre Kraft und Ausdauer, den Humor und das Talent, ihren Gesprächspartner*innen zu entlarven. Das sind wertvolle, unterhaltsame Einblicke, wie sie zur damaligen Zeit als Autorin wahrgenommen wurde. Auch den Umgang mit ihrem vierten Ehemann Kenneth David Burrows fängt der Film herzlich ein. Doch ein wirklich stimmiges Bild gibt "Erica Jong – Breaking the Wall" dennoch nicht ab.
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Erica Jong – Breaking the Wall. Dokumentarfilm. Schweiz 2022. Regie: Kaspar Kasics. Laufzeit: )& Minuten. Sprache: englische Originalfassung mit deutschen Untertiteln. FSK 0. Verleih: Rise and Shine Cinema. Kinostart: 23. März 2023

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