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Nuradi A.

Dem Täter kein queer­feindliches Motiv zu attestieren, heißt, selber queer­feindlich zu sein

Das Landgericht Münster will in Nuradi A.s tödlichen Schlägen gegen Malte C. keine Queerfeindlichkeit erkennen. Redakteur*in Jeja Klein hatte bereits befürchtet, dass es so kommen würde.


Malte C. zu gedenken heißt, weiter gegen Queerfeindlichkeit zu kämpfen, meint Jeja Klein – auch gegen die der Justiz (Bild: MAGO / NurPhoto)

Gestern wurde Nuradi A. in Münster wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt (queer.de berichtete). Ich muss gestehen: Ich habe mich erst heute getraut, die Artikel anzuklicken, die über das Urteil geschrieben worden sind.

Nicht, weil ich das schon in den Überschriften verkündete Strafmaß irgendwie zu gering gefunden hätte oder der Meinung wäre, dass es sich hier doch mit Sicherheit um Mord handeln müsse. Zum Beispiel, weil ich den Tod von Malte C. so schlimm finde. Das tue ich. Sondern weil sich bereits in den vergangenen Wochen etwas abgezeichnet hatte.

Das nämlich, was nun in verschiedenen Medien darüber zu lesen war, wie sich das Gericht die Tat erklärt und wie es sein Urteil begründet: Nuradi A. soll nicht aus Queerfeindlichkeit heraus gehandelt haben, als er Malte C. niederschlug und so mittelbar seinen Tod auslöste.

Auf Queerness angesprungen

Zum Hergang: Nuradi A. versuchte am Tattag zunächst, drei als solche für ihn erkennbaren CSD-Teilnehmerinnen durch sexuelle Belästigungen zu demütigen. Dann, als die sich wehrten, beschimpfte er sie sowohl lesbenfeindlich ("lesbische Huren!", "Scheiß-Lesben!") als auch transfeindlich ("Scheiß-Transen!"), drohte ihnen mit Schlägen und der Ermordung ihrer Familien.

Als Malte C. dazu kam, um die Frauen bei der Gegenwehr zu unterstützen, sprang Nuradi A. sofort wieder auf dessen Queerness an: Er solle das Maul halten, er sei sowieso "kein richtiger Mann".

Auch der Oberstaatsanwalt interpretiert die Begegnung mit dem oberkörperfreien Malte C., dessen frische Mastektomie-Narben zu sehen waren, dahingehend, dass der Täter Malte C.s Transgeschlechtlichkeit durchaus erkannt habe. Ich halte das im Übrigen für zweitrangig.

Trotz dieser sehr eindeutigen Beschimpfungen leugnete Nuradi A. gegenüber einer als Gutachterin bestellten Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und später auch im Gericht eine queerfeindliche Einstellung.

Diese Selbsteinschätzung, die den Täter vor einem höheren Strafmaß oder gar der Aufstufung zum Totschlag schützt, nahm man ihm ab: Sein Motiv solle vielmehr in einer dissozialen Grundaggressivität und Streitsucht liegen, zudem in seiner Drogen- und Alkoholsucht. Berauscht von Wodka und Lyrica-Tabletten sei er wie so oft aggressiv geworden.

Die Sache mit der Angstregulation

Doch von der Gutachterin wissen wir auch, dass Nuradi A. mit 14 Jahren sein inneres Coming-out gehabt haben soll. Der Junge soll in Tschetschenien unter der Gewalttätigkeit seines Vaters gelitten haben. A. fürchtet demnach auch, sein Vater könne ihn wegen seiner Homosexualität umbringen.

Nach der Migration der Familie nach Deutschland, wo eine Leukämie-Erkrankung der Schwester behandelt werden konnte, habe Nuradi A. schließlich irgendwann Ängste entwickelt, beinahe Paranoia.

Er habe zeitweise kaum noch das Haus verlassen und sich vor Ausgrenzung gefürchtet. Das sei dann noch schlimmer geworden, als ihm seine homosexuellen Gefühle klar geworden sind. Erst Alkohol und Cannabis, dann die zunächst zur Angstlinderung verschriebenen und später überdosiert konsumierten und illegal beschafften Lyrica-Tabletten hätten ihm Linderung verschafft.

Es ist ein Weg zur Angstregulation, der Nuradi A. ganz offensichtlich in ein tiefgreifendes Abhängigkeitsverhältnis gestürzt hat. Zugelassen ist Lyrica zur Behandlung von generalisierten Angststörungen. Es hat aber auch euphorisierende Wirkung, zumal in Kombination mit den erheblichen Mengen Alkohol, die der Täter konsumiert haben soll.

Keine Abwehr der eigenen Homosexualität?

Noch vor dem Prozess war in den Medien der Inhalt des Gutachtens einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie bekannt geworden, wonach Nuradi A. selbst homosexuell sei. Diese Homosexualität soll er demnach aber nicht leben. Die in den Medien daraufhin diskutierte Deutung, dass Nuradi A. auf die CSD-Teilnehmer*innen so aggressiv reagiert habe, um seine eigene Homosexualität zu verbergen, nannte die Gutachterin vor Gericht wiederum "spekulativ".

Ihre vor dem Prozess gebildete Auffassung, dass es keine Hinweise auf ein queerfeindliches Motiv gebe, hielt sie aufrecht. Eine solche Interpretation aber ist, Verzeihung, beeindruckend naiv. Auch und gerade vor dem Hintergrund der sexual- und sozialpsychologischen Forschung, die zu Männlichkeit, männlicher Geschlechtskonstruktion, sexueller und sexualisierter Gewalt sowie spezifisch männlicher Homophobie nicht erst seit Neuestem vorliegt.

Das Problem: Solche Forschung wird vom Mainstream der Psychologie gerne ignoriert. Der begreift sich nämlich lieber als vermeintlich unpolitische Naturwissenschaft. Als solche kann er vor allem die "Kranken" verstehen, ihnen helfen und dabei Geld verdienen. Einen kritischen Blick auf die Normalität aber muss er sich dafür untersagen.

Im Angesicht herrschender Ungerechtigkeit und Unterdrückung positioniert sich dieser Mainstream vermeintlich "neutral". Und was könnte neutraler sein als die Annahme einer irgendwie ziel- und anlasslosen Aggressivität eines erst ein mal geschlechtslos gedachten Individuums, verursacht durch innere Spannungen und Alkohol, womöglich durch eine dissoziale Persönlichkeitsstörung?

Der Exorzismus des Bösen

Hinzu kommt: Die öffentliche Verurteilung von Homo- und Transphobie oder Queerfeindlichkeit hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Dass man Queers gefälligst nicht zu hassen hat, ist inzwischen genau so Teil der öffentlichen Moral wie das offizielle Verbot von Rassismus oder Sexismus. Nur: Durch die bloße kulturelle Ächtung sind all diese Phänomene nicht weg. Sie bestehen unter dem öffentlichen Radar fort und toben sich aus, zumeist völlig unbewusst.

Queerfeindlichkeit, Homophobie, Transphobie oder eben auch Rassismus und Sexismus werden stattdessen, weil sie als böse und verurteilenswert gelten, bei Extremist*innen gesucht und manchmal auch gefunden. Solche Extremist*innen kann man dann als Stellvertreter*innen für die eigenen, öffentlich unerwünschten Persönlichkeitsanteile verurteilen und bestrafen, sie zum Beispiel ins Gefängnis stecken.

Es ist, als wollte man auf gesellschaftliche Probleme mit Ritualen der Teufelsaustreibung reagieren: Die Probleme bleiben bestehen. Aber wenigstens sind die Exorzist*innen dann von jedem Verdacht befreit.

Doch entspricht Nuradi A. dem Bild eines solchen Extremisten, des mutwillig bösartigen Mannes, der gegen unsere Moral verstößt und mit unserer "normalen" Lebenswelt nichts zu tun hat? Sicherlich nicht. Spätestens mit der Einsicht in A.s zugrunde liegende Angstproblematik wird aus dem bösartigen "CSD-Killer" ("Bild", "B.Z.", ZDF) vor Gericht eine irgendwie auch tragische Figur.

Und die ist er ja auch: Seine Taten hängen natürlich mit all den Momenten zusammen, in denen er von klein auf Opfer geworden ist. Für die wird im Übrigen niemals jemand vor einem Gericht stehen.

Aber ist er deswegen nicht von Queerfeindlichkeit motiviert? Kann Nuradi A., weil er eben auch ein ängstliches, traumatisiertes, suchtkrankes Opfer ist, kein böser Queerfeind sein, Täter? Kann er das womöglich wegen seines eigenen Schwulseins gar nicht sein? Ganz nach dem einfältigen, aber vielen Menschen noch immer einleuchtenden Motto: Wie soll er denn Schwule hassen, da könnte er sich doch gleich selbst verprügeln?

Männlichkeit, Patriarchat und Abwehr

Schon Nuradi A.s Reaktion auf die erblickten CSD-Teilnehmerinnen, diese sexuell zu belästigen und völlig aussichtslos mit Fragen nach sexuellen Handlungen zu bedrängen, müsste als starker Hinweis darauf gelesen werden, wie sehr Nuradi A. eben doch von Queerfeindlichkeit motiviert war.

Denn das sogenannte "Catcalling", sexuelle Belästigung zur Demütigung, stellt eine klassisch männliche Abwehrstrategie zur prekären Wiederherstellung einer stets vom Zerbrechen bedrohten Männlichkeit und Identität dar. Frauen begehen solche in Deutschland übrigens noch immer nicht illegalen Taten praktisch nicht.

Damit ist aber nicht gemeint, dass es einige wenige "toxische Männer" gibt, die auf derlei primitive Strategien zur Selbstregulation angewiesen sind: Vielmehr stellt die Kopplung von männlicher Sexualität an negative Gefühle wie Angst, Unlust und Wut eine Grundkonstante männlicher Gefühlswelten im Patriarchat dar – einem System, das von Männern verlangt, vor allem Frauen, aber auch Schwulen und Trans gegenüber gefälligst überlegen zu sein. Obwohl sie es nicht sind.

Es ist eine Anforderung, die spätestens in Fragen der Sexualität zu einer tiefgreifenden Ambivalenz zwischen Großartigkeitsrausch und Unterlegenheitsangst führt.

Formen sexualisierter Gewalt, wie sie Nuradi A. gegen die drei Frauen angewandt hat, sind also bereits untrennbar verknüpft mit (unbewusster) Angst und projektiver Bekämpfung dieser Angst an dem, was sie auslöst. Die Frauen werden so zu Aggressorinnen – einfach nur, weil sie die Unverschämtheit besitzen, sich als Frauen im öffentlichen Raum aufzuhalten und dadurch Assoziationen und Gefühle aus dem Feld des Sexuellen auszulösen.

Das Mittel der Gegenwehr gegen derlei weibliche Aggression ist die sexualisierte Demütigung. Die soll die Frauen auf den Platz zurück verweisen, an den sie aus Sicht dieser Täter gehören, damit die sich von ihnen nicht bedroht fühlen brauchen. Heterosexuelle Handlungen, nach denen Nuradi A. vordergründig gefragt hat, werden genuin als etwas verstanden, das Geschlechterhierarchie herstellt: Aufgewertet wird, wer fickt – und abgewertet, wer gefickt wird.

Auch Süchte gelten in der Forschung nicht vorwiegend als Ausdruck der suchterzeugenden Eigenwirkung eines Suchtmittels, sondern als Ausdruck des Versuchs der Bewältigung unerträglicher Gefühle. Wer sich diesen unangenehmen Gefühlen nicht stellt und den zugrunde liegenden Konflikt löst, ist auf Mittel angewiesen, das körpereigene Alarmsystem immer wieder auf "stumm" zu stellen. Wie bei Nuradi A.s Angstproblematik. Wie bei so vielen Männern und im Vergleich dazu viel weniger Frauen.

Queerness als Bedrohung "richtiger" Männlichkeit

Hinzu kommt die offene Queerness der Frauen – eben dasjenige, was Nuradi A. sich verbieten muss, um als Mensch existieren zu können. Es ist unter den genannten, katastrophalen Umständen des jungen Mannes schlicht undenkbar, dass sich seine Wut nicht eben auch an dieser Queerness entfacht hat.

Die lesben- und transfeindlichen Worte, die ihm spontan und "im Eifer des Gefechts" in den Sinn kamen, wären für diese Feststellung nicht ein mal nötig. Und doch haben sie ausgesprochen, was im Täter in dem Moment vorging: Wut darauf, dass die queeren Frauen qua Existenz eben jene übersichtliche heterosexuelle Ordnung der Geschlechter unterlaufen, in die sich Nuradi A. so gerne einfügen würde.

Nur gelingt das eben schmerzhafterweise nicht. So wird in der Queerness der Frauen der Grund wiederentdeckt, aus dem sich Nuradi A. nicht geliebt fühlen kann. Das aber ist kein Mechanismus, den man bei psychisch Kranken feststellen kann. Wir alle funktionieren so – mal mehr, mal weniger stark.

Dass der Täter Malte C. absprach, ein "richtiger Mann" zu sein, beweist indes nicht gleich eine in der Tat zum Ausdruck kommende, spezifische Transfeindlichkeit: Aus Sicht der heterosexuell-cisgeschlechtlichen Norm sind sowohl Homosexualität als auch Transgeschlechtlichkeit Ausdruck davon, "kein richtiger Mann" zu sein.

Gut möglich also, dass Malte wegen seiner Anwesenheit beim CSD zunächst "nur" für schwul gehalten wurde. Aber spezifisch transfeindliche Hetze, wie wir sie seit einigen Jahren verstärkt wahrnehmen müssen, erlaubt eben nicht nur Hass gegenüber transgeschlechtlichen Personen, sondern gegenüber allen Queers.

Doch egal, was jetzt wahr ist: Nuradi A. muss an das Ideal glauben, dass es erstrebenswert ist, ein "richtiger Mann" zu sein, um überhaupt das Gefühl haben zu können, aus diesen Worten ließe sich eine Beleidigung, eine Abwertung konstruieren!

Gesellschaftliche Strukturen, die durch Individuen handeln

Tatsächlich sind nicht nur, aber erst Recht Männer wie Nuradi A. auf ein ihnen entgegengesetztes, zu verwerfendes Außen angewiesen, wenn sie ihre eigene "richtige" oder "normale" Männlichkeit verwirklichen wollen.

Denn wenn die eigene Zugehörigkeit zu den "richtigen Männern" so sehr infrage steht wie bei einem, der sein gleichgeschlechtliches Begehren unterdrückt, braucht es für den erwünschten Aufstieg in der Hierarchie der Männer eben auch Verlierer dieses Aufstiegs. Man muss andere unter sich drücken, auf ihnen stehen, um weiter oben zu sein.

Erst, wenn man diese Angewiesenheit "richtiger" oder "normaler" Männlichkeit auf ihr zu verwerfendes Außen ausblendet, lässt sich die Titulierung von Malte als "kein richtiger Mann" als Ausdruck von ziel- und anlassloser Aggressivität lesen, wie dies die Gutachterin offenbar tat.

Dann aber würde daraus, dass Nuradi A. auf genau diese Beschimpfung zurückgegriffen hat, ein bloß instrumentelles Verhältnis zum Hass. Doch selbst in diesem unwahrscheinlichen Szenario wäre es immer noch die gesellschaftlich existente Queerfeindlichkeit, eine herrschende Kultur, die Malte C. als legitimes Ziel von Bestrafung markiert hätte.

Hätte er keine einzige Eigenschaft aufgewiesen, die ihn gesellschaftlich abwertet, wäre das einem Gewaltverbot gleich gekommen. Auch darum schlagen so viele Männer lieber ihre Partnerinnen, während sie sich beim eigenen Chef plötzlich so gut im Griff haben!

Und darum geht es bei all den Diskussionen um Hasskriminalität, Diskriminierung oder queerfeindliche Motive: Wie handelt eine unterdrückerische gesellschaftliche Struktur durch ein Individuum hindurch? Es geht eben nicht darum, die Bösartigkeit eines einzelnen Menschen zu betonen oder ihn als besonders verachtenswert und strafwürdig hinzustellen. Auch im Falle von Nuradi A. nicht.

Die Leugnung der Queerfeindlichkeit ist selber Queerfeindlichkeit

Für die Frage, ob der Tat ein queerfeindliches Motiv zugrunde liegt, ist im Übrigen auch die Frage danach, ob Nuradi A. nun tatsächlich im engen Sinne homo- oder heterosexuell ist, nur von zweitrangiger Bedeutung. Denn die Frage unterstellt bereits eine saubere Trennlinie zwischen homosexuellen und heterosexuellen Menschen.

Die aber entspringt selbst dem Bedürfnis, die eigene ungestüme Gefühlswelt einer eindeutigen Identität zuzuordnen, um nicht mehr von allen entgegenstehenden Impulsen heimgesucht und verunsichert zu werden.

Tatsächlich legt die Forschung zu sexuellen Gefühlen viel fließendere Übergänge zwischen dem homo- und dem heterosexuellen Pol nahe, und zwar nicht bloß im Sinne von Bisexualität. Daraus folgt aber eben auch die stetige Verunsicherung auch all jener, denen es deutlich besser als Nuradi A. gelingt, die eigene Gefühlswelt den gesellschaftlichen Anforderungen an eine gute Männlichkeit oder Weiblichkeit anzupassen.

Der Stress auslösende Input muss also nur groß genug sein, um auch bei diesen "ganz normalen" Männern und Frauen eine Kaskade psychischer Abwehrmechanismen auszulösen, die sie auf Homophobie, auf Transphobie oder Queerfeindlichkeit zurückgreifen lässt. Denn es geht Menschen prinzipiell darum, das Ich möglichst vor einer als bedrohlich empfundenen Umwelt zu bewahren.

Für Nuradi A. mag die bedrohliche Umwelt in frecherweise offen queeren, transgeschlechtlichen, gleichgeschlechtlich begehrenden Menschen gelegen haben. Wer aber Queerfeindlichkeit prinzipiell als etwas schlechtes anerkennt, dann aber leugnet, dass so offensichtlich queerfeindliche Taten wie die von Nuradi A. tatsächlich queerfeindlich motiviert sind, schützt sich eben auch selber vor einer bedrohlichen Umwelt.

Vor der Einsicht, dass nicht nur bösartige Extremist*innen irgendwo da draußen gegen die moralischen Werte verstoßen, an die man glaubt. Sondern eben auch "ganz normale" Menschen, die eigenen Partner*innen, Kolleg*innen, Freund*innen, die eigene Familie. Und, am allerschlimmsten: Man selbst.

Wenn die Ampel-Regierung vorhat, durch die Umsetzung ihres queeren Aktionsplans auch das Dunkelfeld der Straftaten gegen Queers auszuleuchten und Hasskriminalität stärker zu bekämpfen, dann werden auch in Zukunft weiterhin wir gefragt sein.

Denn was nützen all die schönen Gesetze und öffentlichen Verurteilungen von Queerfeindlichkeit, wenn die am Ende Verantwortlichen in Polizei und Justiz lieber ihre eigene Bequemlichkeit über die Einsicht stellen, wie normal und weit verbreitet Homophobie, Transfeindlichkeit, Rassismus und Sexismus sind?

#1 DankeAnonym
  • 23.03.2023, 16:58h
  • Danke für den Artikel, der wirklich dezidiert und nachvollziehbar die Problematik darlegt, die dieses Urteil bedeutet, Jeja.

    Eigentlich müssten ihn sämtliche "Besorgten", sämtliche - leider auch hier in der 'Community' zu findenden - "Wer mehr Strafmaß fordert, ist Mob mit Fackeln und Forken"-Personen, sämtliche Richter*innen, Staats- und Rechtsanwält*innen, sowie Polizist*innen und Parteien lesen. Und verinnerlichen.
    Wird nur nicht passieren.

    Verständnis dafür und somit gerechtere Rechtsprechung sehe ich auch nicht kommen.
    Ganz gewiss aber die nächsten Gewalttaten gegen uns LGBTQIA* in Gänze - und trans im Besonderen.

    Ich bin einfach nur müde.
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#2 VitelliaAnonym
  • 23.03.2023, 17:22h
  • Sehr guter Beitrag, jedem Satz kann ich nur zustimmen.
    Aber nicht der Justiz!

    Ich kann nur spekulieren:
    Münster ist kath. BISCHOFstadt.
    Ist der kath. Geist gegen alle queeren Menschen auch bei einigen Staatsanwälten und Richtern vorhanden?

    Außerdem ist der Täter seit 2 Jahren erwachsen! Kein Jugendlicher unter 18 J. kann zur Wahl gehen, kann Verträge unterschreiben, für die er verantwortlich ist.
    Der Totschläger hätte wie ein Erwachsener bestraft werden sollen.

    Nur eines würde mich interessieren:
    Wie wäre das Urteil wohl ausgefallen, wäre der Sohn des Richters erschlagen und getötet worden??
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#3 PrideProfil
  • 23.03.2023, 17:49h...
  • Ich habe hier ja schon mal geschrieben, daß wir alle gesellschaftliche Werte an sich internalisieren, verinnerlichen. Da geht es eben im Patriachat um die Verachtung der Femininität, die im heterosexistischen Rollenbild Mittel zur Aufrechterhaltung männlich zugeschriebener Macht und Bevorzugung ist. Der drohende Verlust dieser Vorzüge bzw. die Angst davor läßt alles, was in Verbindung mit Feminität bzw. heterosexistischen Rollenzuschreibungen steht wie Frauen bzw. queere Menschen zum Hassobjekt werden. Es ist auf Vorteil bedachtes Verhalten bezüglich der Männlichkeit und die Angst vor Verlust dieses Vorteils mit Konsequenz in Abgleiten in zugeschriebener Femininität und einhergehender Benachteilgung bzw. Diskriminierung. Das zu männlicher Bevorteilung und Rollenzuschreibungen nach oben Streben und allem als Femininität zugeschrieben nach unten Treten ist im Rahmen patriachaler Verhältnisse als Ansatz in jedermensch vorhanden. Da macht es keinen Unterschied, ob Queerness selbst vorhanden ist oder nicht, sondern allein der vermeintliche Bedacht auf den weiteren eigenen Vorteil und die Ablehnung gleichberechtigten Lebens der Menschen untereinander, wie er mit den Hasstiraden des Täters und seiner Tötung Maltes als Extrem zum Ausdruck kam und so denn auch hätte bestraft werden müssen. Das so nicht sehen zu wollen, ist eben Fortsetzung allgemein in Gesellschaft internalisierter Gewalt uns gegenüber.
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