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Folge 13 von 53
Schwule Symbole im Film: Brillen und Masken
Es ist wohl meistens das Gesicht, wo wir bei Schauspieler*innen zuerst hinsehen. Dabei können Brillen und Masken vieles verbergen – aber auch vieles verraten.

Die Forderung von Demaskierung in "Pink Pact" (2014)
26. März 2023, 04:53h 24 Min. Von
Diese Artikelserie wurde gefördert von der Homosexuellen Selbsthilfe e.V., www.hs-verein.de
Brillen – eine intelligente Form der Verletzlichkeit
Die Brille sitzt vor den Augen am Ort der größten Ausdrucksmöglichkeit. Kein "Film-Accessoire ist geeigneter, um einen Schauspieler visuell besser zu charakterisieren als eine Brille" ("Die Brille im Film", 2011, S. 6). Dabei weisen Brillen meistens auf Intellektuelle und Sonderlinge hin. Weil ein großer Teil der Brille aus zerbrechlichem Glas besteht, kann sie symbolisch auch für Verletzlichkeit stehen. Superhelden tragen keine Brille: Der schüchterne und intellektuelle Reporter Clark Kent nimmt seine Brille immer ab, wenn aus ihm der weltberühmte Actionheld wird, den jede*r kennt: Superman.
Brille – Intellektualität
Es wirkt unglaublich einfältig, einen Mann mit Brille als intelligenter als einen Mann ohne Brille einzuschätzen – aber im Film funktioniert diese Zuschreibung. Schwule Brillenträger werden meistens beim Lesen gezeigt wie in "Menschen hinter Gittern" (1971), "A Very Natural Thing" (1974), "Abschiedsblicke" (1986), "Get your stuff" (2000), "Hirsute" (2007), "Another Gay Sequel" (2008), "Dare" (2009), "Danach" (2010), "Junto a ti" (2013) und "Dirty Laundry" (2014).
Weil Brillen als äußeres Zeichen für Intellekt konnotiert sind, ist ebenso auch ein Vortäuschen von Intellekt mit ihnen möglich: In "Einsam, Zweisam, Dreisam" (1994) setzt sich Stewart in einer Bibliothek nur deshalb eine Brille auf, um ähnlich wie Stuart intellektuell zu wirken und Eindruck zu schinden.

Kluge Schwule in dem Kurzfilm "Junto a ti" (2013)
Mit und ohne Brille – soziale Kontraste
Schwule Liebesfilme arbeiten gerne mit Kontrasten und sozialen Gegensätzen, die auch über die Brille transportiert werden: Gustav Aschenbach (Dirk Bogarde) trägt in "Tod in Venedig" (1971) eine neue Brille, um für Tadzio jünger zu wirken. Der 17-jährige Stricher Jimmy (ohne Brille) bekommt in "Das Ende des Regenbogens" (1979) Hilfe von seinem reflektierten Mitbewohner Dieter (mit Brille). In "In schlechter Gesellschaft" (2000) hat der 16-jährige Guillermo einen sehr engen Kontakt zu seinem (Brille tragenden) Nachhilfelehrer. In "Alonso's Deadline" (2007) verliebt sich ein Professor (mit Brille) in eine Putzkraft (ohne Brille) und in "Cowboy" (2008) geht es um einen Städter (mit Brille) und einen Bauern (ohne Brille). Das sind nur einige von vielen Beispielen.
Ist die Entscheidung, wie man mit seiner Homosexualität umgeht und ob man selber offen schwul lebt, auch eine Frage des Intellektes? In "Maricón" (2005) trifft ein geouteter Mann (mit Brille) einen nicht geouteten Mann (ohne Brille). In "Beautiful Thing" (1996) betont Jamie, dass er nur zu Hause seine Brille trägt, weil er sie als nicht "vorteilhaft" ansieht. Die Brille ist eventuell auch ein Ausdruck davon, dass Jamie reflektierter als sein Freund Ste mit seiner Homosexualität umgeht. In "Right by me. An meiner Seite" (2005) trifft sich ein Nachhilfelehrer (mit Brille) mit einem Schüler (ohne Brille). Der Kontrast scheint sich nicht nur auf den von Schlichtheit und Intelligenz, sondern auch auf den von Verstand und Gefühl (Kopf/Bauch) zu beziehen.

Jamie mit Brille in "Beautiful Thing" (1996)
Brille – brav, schüchtern und sonderlich
Ich halte "Grandma's Boy" (1922, ab 9:20 Min., hier online) mit Harold Lloyd nicht für einen Film im schwulen Kontext. Der Filmhistoriker Vito Russo sieht dies jedoch anders und behandelt Lloyd, der "für alle Zeiten 'Brillenschlange' getauft" worden sei, im schwulen Zusammenhang ("Die schwule Traumfabrik", 1990, S. 22-23). Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass im damaligen US-Kino Homosexualität mehr als in anderen Ländern mittels Klischees von "Männlichkeit" und "Weiblichkeit" dargestellt wurde, wie zum Beispiel durch die typisch amerikanische Filmfigur der "Sissy".
Die schwulen Brillenträger in späteren Filmen sind brav und schüchtern wie in "Frühstück?" (2002), "In the Closet" (2008) und "It's Consuming Me" (2012) und manchmal ziemlich merkwürdige Sonderlinge. Nicolas wird sich in "Sitcom" (1998) durch das Coming-out nicht nur seiner sexuellen Identität, sondern auch seiner Wirkung auf andere bewusst. Das führt zu modischer Kleidung, einer anderen Frisur und zum Fortlassen der Brille. In der Werbung von "I want to get married" (2011) wird Paul, der heiraten möchte, "als tollpatschiger, wenn auch niedlicher Nerd" beschrieben und dabei passend auch seine verrutschte Brille beim Küssen in Szene gesetzt.

Paul als Nerd mit Brille in "I want to get married" (2011)
Es ist wohl selten, dass ein Regisseur es dem Zufall überlässt, ob ein Darsteller eine Brille trägt oder nicht. Der schwule Brillenträger J. Harper Lee in "Midnights with Adam" (2013) scheint einer der Fälle zu sein, bei dem die Brille zwar sehr präsent in Szene gesetzt wird, sich aber keine symbolische Bedeutung erkennen lässt.
Das Abnehmen der Brille
Der schwule Wissenschaftler Stefan Hein in "No one sleeps" (2000) kann unter einem Aspekt mit der in der Einleitung genannten (heterosexuellen) Filmfigur "Superman" verglichen werden: Auch Hein trägt eine Brille, wenn er als forschender Wissenschaftler wahrgenommen werden soll, und nimmt sie ab, wenn er als Actionheld agiert. Ein ähnliches Beispiel ist der Kurzfilm "To fall from love" (2014), in dem sich der liebeskranke Sekretär Lorne in seinen Chef Ethan verliebt und ihn später entführt. In Rückblicken wird Lorne (in der ungekürzten 20-Min.-Version) als Sekretär mit Brille gezeigt, während er in den Szenen, in denen er als Entführer agiert, keine Brille trägt. In "Available Men" (2006) wird Robert erst mit dem Abnehmen der Brille ernst genommen.
Sehr vereinfachend und sehr unterhaltsam schildert Sebastian Castro in "You're gay" (2013, hier online) – einer Mischung aus Kurzfilm und Musikvideo – die Geschichte eines schüchternen Schwulen mit Brille. Er wird selbstbewusst, woraufhin man ihn nur noch ohne Brille sieht, und findet einen Weg, um alle Männer auf dieser Erde schwul zu machen. Auch ein Lehrer seiner Schule (4:14 Min.) und ein Passant aus Mexiko (5:19 Min.) werden schwul, cool und verlieren in diesem Zusammenhang ihre Brillen.

Lieber cool und schwul als Brillenträger in "You're gay" (2013)
Es gibt auch noch andere Motivationen für das Absetzen der Brille. Es wird – in Verbindung mit dem Reiben der Augen – in "Der Club der gebrochenen Herzen" (2000) als Ausdruck von Sprachlosigkeit inszeniert.
"Another Gay Movie" – die beschlagene Brille
Recht vielschichtig wird die Brille von Griff in "Another Gay Movie" (2006) und dem Nachfolger "Another Gay Sequel" (2008) inszeniert. In "Another Gay Movie" ist Griff der schüchterne, intellektuelle Buchleser, dem in Anwesenheit eines Tänzers die Brillengläser beschlagen, was als Zeichen sexueller Erregung zu verstehen ist. Dass er beim Sex die Brille abnimmt, mag rein praktische Gründe haben. Wenn er jedoch beim Strip in einer Bar nicht nur seine Kleidung auszieht, sondern auch seine Brille absetzt, hat dies wohl damit zu tun, dass für viele Schwule Brillen als eher unerotisch gelten. Typisch für eine solche Einstellung zur Brille ist die aus Kontaktanzeigen bekannte Formulierung "BBB zwecklos", die "Bauch, Bart, Brille" als Ausschlusskriterien benennt.

Die vor sexueller Erregung beschlagene Brille in "Another Gay Movie" (2006)
In "Another Gay Sequel" wurde die Rolle von Griff neu besetzt, die klare Rollenzuschreibung blieb jedoch erhalten: Auch hier ist Griff der eher schüchterne und monogame Teil der Clique, dem vor dem Sex, vielleicht ja nur aus praktischen Gründen, seine Brille abgenommen wird.
Die Brille nimmt Schaden – Verletzlichkeit
Eine Form der Verletzlichkeit kann eine Brille dann gut symbolisieren, wenn sie nach einem homophoben Angriff gemeinsam mit dem Träger Schaden nimmt. In "Das Stunden-Hotel von St. Pauli" (1970) wird bei einem Streit zwischen einem Freier und einem Stricher die Brille des Freiers bewusst kaputtgetreten. In "Bespredel" (1989) und in "Hostel" (2011) werden Brillenträger Opfer von Vergewaltigungen. In "Hot Legs" (1995) wird ein Brillenträger im Kontext eines Flashbacks zusammengeschlagen. In "Pianese Nunzio" (1996) wird bei einem Angriff auf einen Pastor auch seine Brille beschädigt. Es ist außergewöhnlich, dass ein Schwuler mit Brille – wie in "Beneath the Skin" (2015) – zusammengeschlagen wird und die Brille dabei keinen Schaden erleidet.
Breit rezipiert wurde Gregg Arakis "Mysterious Skin" (2004), der zwei Jungen porträtiert, die vom gleichen Baseballtrainer sexuell missbraucht wurden, und der ihre sehr unterschiedliche Entwicklung vergleicht: Während Brian (ohne Brille) kaum gelitten hat und als Stricher arbeitet, ist Neil (mit Brille) an diesem Missbrauch innerlich zerbrochen.
Am eindrucksvollsten ist wohl "Brille mit Goldrand" (1987) inszeniert, der die Situation des schwulen Arztes Athos Fadigati als Opfer des Faschismus behandelt, wobei die Brillen-Symbolik facettenreich inszeniert wird: Fadigatis Brille wird im Filmtitel erwähnt, sie greift die Intellektualität des Arztes und über das Stichwort "Goldrand" seine anfänglich guten wirtschaftlichen Verhältnisse auf. Am Ende wird Fadigati ein Opfer der vom Faschismus infizierten italienischen bürgerlichen Gesellschaft und seine Brille wird zerstört.

"Brille mit Goldrand" (1987) baut ganz auf der Brillen-Symbolik auf
Pornos – Brillen und Nerds
In Pornos sind Brillenträger selten zu sehen und die Brille dabei fast immer ein Symbol, wenn auch nicht ganz so differenziert wie in Spielfilmen. So werden auch hier die typischen Brillenträger-Klischees transportiert: Sie sind intelligent ("Doctor Love"), als "Freaks" bezeichnete Außenseiter bzw. Streber ("Geek Peek"), schüchtern ("A hard dick does the trick") oder auch nerdig ("Talk nerdy to me" 1 und 2). Der Porno "Sex Psycho" zeigt auf dem Cover einen Mann mit einem kaputten Brillenglas, was offenbar eine verletzte Persönlichkeit mit einer beschädigten Brille darstellen soll.
Auch Jean Daniel Cadinot greift in seinen Pornos das Klischee vom lesenden (= intellektuellen) und schüchternen Brillenträger auf, wie in "Mon ami, mes amants" (2002) und "Portes du désir" (2006). Es ist selten, dass die Darsteller in Pornos Brillen tragen – wie in "Big Black Dick 9" und "Die heißen Träume des kleinen Bruders" -, wobei ich hier aber keine symbolische Bedeutung erkennen kann.

Die "Freaks" in dem Porno "Geek Peek" spielen mit ihren Brillen
Sonnenbrillen – Versteckspiel und "Bad Boy"-Image
Sonnenbrillen haben die Funktion, Augen vor Sonneneinstrahlung zu schützen. Sie heben sich aber nicht nur funktionell, sondern auch symbolisch von anderen Brillen ab. So werden Sonnenbrillen im Film auch erkennbar dazu eingesetzt, sich und seine Ansichten und Stimmungen zu verbergen. Darüber hinaus können sie auch als Statussymbol und Machtmittel eingesetzt werden. Im Unterschied zu anderen Brillen werden Sonnenbrillen – mit Ausnahme von Nebendarstellern – nie im ganzen Film getragen, damit die Augen als wichtigstes schauspielerisches Mittel sichtbar bleiben.
Sonnenbrille – Versteckspiel
Es gibt diverse Gründe, warum Schwule in Filmen auf die Möglichkeit der Anonymisierung durch eine Sonnenbrille zurückgreifen. Dazu gehört die Vertuschung von Straftaten, so bei den Pädosexuellen in "Boys beware" (1961) und "Family Guy" (Folge 4/3), den Schwulen nach einem Überfall in "Burnt Money" (2000) und denjenigen beim Drogenkauf in "Schlechte Erziehung" (2004). In "The War Within" ("Flashpoint"-Folge 4/8) möchte sich der schwule Ryan an Joe rächen und versteckt sein Gesicht hinter einer Sonnenbrille.
Der Umgang mit der Sonnenbrille kennzeichnet in einzelnen Fällen den Umgang mit der eigenen Homosexualität. Dann wird die Brille verwendet, um als Schwuler nicht erkannt zu werden. In "Der bewegte Mann" (1994) setzt sich der schwule Norbert (D: Joachim Król) eine Sonnenbrille auf, um auf Axels (D: Til Schweiger) Hochzeit nicht erkannt zu werden.

Der schwule Norbert (D: Joachim Król) möchte in "Der bewegte Mann" (1994) nicht erkannt werden
Männer mit Sonnenbrille sieht man in "What Grown-Ups Know" (2004) beim Cruisen auf einem Parkplatz und in "Creo que te amo" (2011) beim ersten Date mit einem Mann. In "Ricardo, Taxista Transexual" (2014) erzählt ein trans Taxifahrer mit Sonnenbrille und einem tief sitzenden Hut aus seinem Leben.
Sonnenbrille – Coolness und "Bad Boy"-Image

Steve Buscemi erreichte mit dem Kultfilm "Abschiedsblicke" (OF: "Parting Glances", 1986) seinen Durchbruch
Mit dem Kultfilm "Abschiedsblicke" (OF: "Parting Glances", 1986) erreichte Steve Buscemi seinen schauspielerischen Durchbruch. Mit einem Bild, das ihn in seiner Rolle als Nick mit einer Sonnenbrille zeigt, wurde der Film sogar beworben. Im Film selbst ist Nick im Rahmen eines Musikvideos zu sehen, dass die Sonnenbrille als Zeichen von Coolness und modischem Aussehen zeigt. Mit der gleichen Brillen-Bedeutung sind in "Priscilla – Königin der Wüste" (1994) alle drei Protagonist*innen ebenfalls kurz mit Sonnenbrillen zu sehen.
Im Kontext von Prostitution und Zuhälterei signalisieren Sonnenbrillen zwar auch Coolness, vermitteln aber außerdem, dass die sie tragenden Personen als bedrohlich wahrgenommen werden sollen, so in "Ich, Tomek" (2009). Das so ausgestrahlte Signal von Stärke, Gefährlichkeit und "Bad Boy"-Image ist weitgehend geschlechtsspezifisch und wird vor allem bei männlichen Schauspielern eingesetzt.
Das Abnehmen der Sonnenbrille – Offenheit
Durch eine Sonnenbrille kann man sich nicht in die Augen sehen und das Absetzen der Sonnenbrille ist daher vergleichbar mit dem Lüften eines Schleiers oder dem Abnehmen einer Maske. Manchmal ist eine Mischung aus diversen Gründen erkennbar. Die Bedeutungen Anonymisierung und Coolness findet man in "Dienstfrei" (1990), wo der Soldat Miller beim Cruisen im Park einen Mann trifft, der sich gegenüber Miller durch das Abnehmen seiner Sonnenbrille mehr oder weniger demaskiert. Miller weiß dies als ein Zeichen von Authentizität bestimmt zu schätzen – schließlich hat er sich kurz zuvor über seine Kameraden lustig gemacht, die auch im Winter cool wirkende Sonnenbrillen tragen.
Es ist daher klug inszeniert, dass in "Prora" (2012) ein Mann seine Sonnenbrille abnimmt, bevor es nach einem Streit mit seinem Freund wieder zu einer Versöhnung und dazu kommt, ihm wieder die Hand zu reichen.

Der Soldat Miller mit seinen Kameraden in "Dienstfrei" (1990)
Sonnenbrillen – Spiegel des Geschehens
Die Arte-Kompilation "Brillen im Film" (hier online) verweist nicht nur gut auf die Brille als Symbol für Verletzlichkeit (1:00). Sie zeigt auch anhand einiger Beispiele, wie sich manchmal das Geschehene in einer Sonnenbrille widerspiegelt (2:20 Min.), und nennt als Beispiel dafür den Film "Mala Noche" (1985) des Regisseurs Gus Van Sant – der von der unerwiderten Liebe eines US-Amerikaners zu einem Mexikaner handelt.
Zum Thema der spiegelnden Sonnenbrillen lassen sich noch gut zwei Filme ergänzen. Auf dem DVD-Cover von "Harry and Max" (2004) spiegelt sich ein Mann in der Sonnenbrille seines Bruders, was noch einmal die persönliche Nähe der beiden Brüder untermauert. In "Howl" (2010) – der spannenden Geschichte rund um das berühmte gleichnamige Gedicht des schwulen Schriftstellers Allen Ginsberg – spiegelt sich in einer Brille das Geschehen in einer Bar. Bei der spiegelnden Sonnenbrille kommt es zu einer symbolischen Überschneidung mit Spiegeln, die ich als Filmthema in der nächsten Woche behandeln werde.

Die Sonnenbrille in "Harry and Max" (2004)
Weitere Bedeutungen – Vampir-Referenzen
Auch Filme innerhalb des Vampir-Genres sind einem Wandel unterworfen und so sind die Sonnenbrillen der modernen Vampire in "House of Usher" (2008) und "Crush" (2009) nur noch ironische Referenzen auf das traditionelle Vampir-Genre, in dem Vampire empfindlich auf Licht reagieren.
Die Facetten der Sonnenbrille sind damit noch nicht erschöpft. Mit dem Ausspruch "Ich will meine Schenkel um dein Gesicht legen wie Bonos Sonnenbrille" in "Eating Out 5" (2011) wird über die Sonnenbrille des Sängers von U2 der Wunsch nach sexueller Nähe ausgedrückt.
Pornos – Sonnenbrillen als Zeichen von Coolness
In Schwulenpornos wird die Sonnenbrille vor allem als Zeichen für Coolness eingesetzt ("That's Right", "One Night with the Prince"), was sich mit der Signalisierung von "Bad Boy"-Image und Gefährlichkeit ("Hustlers", "Bad Boys, Cop Porn") überschneiden kann. Manchmal spiegelt sich in der Sonnenbrille auch das erotische Geschehen wider ("Bad Ass", "Baby Boy").

Das erotische Geschehen im Spiegel der Sonnenbrille in "Bad Ass"
Masken – verzaubern, verstecken, verführen
Masken haben nicht nur im erotischen Spiel der Verführung einen festen Platz. Masken "verfremden, verzaubern, verwandeln; sie verstecken einerseits, andererseits verdeutlichen, spiegeln sie uns etwas" (symbolonline.de). Karnevalsmasken vereinen viele dieser Elemente in sich und Karneval – mit seinem facettenreichen Masken-Spiel – wird auch dazu benutzt, um erotische Abenteuer zu suchen und sexuelle Freiheiten auszuleben. Wer seine Maske "fallen lässt", wird authentisch und gewährt seinem Gegenüber einen Blick hinter die Kulissen.
Masken – verstecken und verführen
Die größte Bedeutung haben Masken, durch die die Maskenträger*innen unerkannt bleiben. Im weiteren Sinn gehört dazu auch eine Szene aus dem Film "Der Detektiv" (1967) mit Frank Sinatra in der Hauptrolle. Hier wird eine schwule Kneipe mit dem Namen "Harlequin" gezeigt. Die Figur des Harlekin steht in enger Beziehung zu Masken und Verwandlungen. Er wurde wohl deshalb als Name für die Kneipe im Film gewählt, weil auch die Schwulen in den Sechzigerjahren ähnlich wie ein Harlekin häufig Rollen spielen mussten.
In "Pornography. Ein Thriller" (2009) tragen Männer Masken, weil sie bei der Vorführung eines Films mit "realen" Vergewaltigungen nicht erkannt werden möchten. (Dabei geht es um Snuff-Filme, die zu den modernen Mythen zählen.) Hinter einer Maske lässt sich auch explizit die sexuelle Orientierung verbergen, wie in "Mascara negra" (= Schwarze Maske, 2010), worin ein femininer Mann mit Drag und Maske einen heterosexuellen Mann "verführt".
Oft sind Masken im Film Teil eines homoerotischen Spiels, wie in "Caligula" (1979) und beim Maskentanz in "The Everlasting Secret Family" (1988). Beim Telefonsex eine Maske zu tragen, wie in "Wild tigers i have known" (2006), macht keinen Sinn, ist visuell aber wirkungsvoll. In "La clave" (2013) können die Masken von jungen, willigen Männern auch als Symbol für anonymen Sex angesehen werden, den der nicht maskierte Mann nicht möchte.
Eher im mystisch-surrealen sind zwei weitere Filmszenen angesiedelt. Pedro Almodóvar führt die Zuschauer*innen in seinem Film "Schlechte Erziehung" (2004, 0:40 Min., hier Trailer online) zum Drogenkauf in ein "Museum der Giganten und Masken" mit überlebensgroßen und scheinbar lachenden Masken, die eine irreale Atmosphäre erzeugen.

Surreales in "Schlechte Erziehung"
In "Seeing Heaven" (2010, hier Trailer online) zeigt bereits der Trailer Männer mit weißen Masken, die zu einer düsteren und surreal-spannungsgeladenen Atmosphäre beitragen und sowohl in den Träumen als auch in der Realität des Strichers Paul vorkommen. Als Produktionsfirma fungiert "Magic Mask Pictures" (0:15 Min.). Die schwule Mini-TV-Serie "Romeu and Romeu" (2016) wird mit dem erkennbar erotischen Motiv der Maske beworben.

Erotik in "Romeu and Romeu" (2016)
Geschlossene Masken – Abhängigkeit und Macht
Es gibt auch geschlossene Masken, bei denen es zum besonderen sexuellen Reiz und Spiel gehört, dass der Maskenträger nichts sieht, sondern seinen Sexualpartner nur fühlt. Als Teil eines erotischen Liebesspiels, im Kontext von Abhängigkeit und Macht, sind entsprechende Szenen im Softsexfilm "Heat and Lust" (2000) und in dem Kurzfilm "At night I was beautiful" (2010) zu sehen. Mit einer solchen Maske wird "Beatific vision" (2008) sogar beworben. Das Halsband mit der Kette daran betont den Aspekt der freiwilligen Unterwerfung.

Das erotische Spiel mit der Maske in "Beatific vision" (2008)
Augenbinden erfüllen die gleiche Funktion. Mit ihnen werden so unterschiedliche Filme wie "Ein Leben lang kurze Hosen tragen" (2002, Aka: "The child i never was"), "Privatunterricht" (2008) und "Pink Moon" (2015) beworben.
Masken-Metaphern – Authentizität
Zum Motiv der Maske gehören auch banal wirkende sprichwörtliche Redensarten, die den Umgang von Schwulen mit der eigenen Homosexualität verdeutlichen.
In bekannt provokativem Stil wird in "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" (1971, 15:15 Min., hier online) darauf hingewiesen, dass bei Schwulen unter der kulturellen Schale schnell die sexuellen Interessen deutlich würden: "In einer sinnlichen Atmosphäre überbetonter Förmlichkeiten lassen sie bald ihre Masken fallen." Günter Rohrbach, der beim WDR für diesen Film verantwortlich war, hat im "Spiegel" mit Respekt vor dem offen schwulen Regisseur Rosa von Praunheim unter der Überschrift "Ohne Maske und Tarnkappe" über ihn gesprochen ("Spiegel", 24. Januar 1972).

Respekt vor einem offen schwulen Auftreten: "Ohne Maske und Tarnkappe" ("Spiegel")
Hermann J. Huber verweist in seinem Buch "Gewalt und Leidenschaft" (1989, S. 21, 59) darauf, dass Praunheim in "Armee der Liebenden oder Aufstand der Perversen" (1972) die "Demaskierung des Machos Fred Halsted" betrieben und dass Rainer Werner Fassbinder mit seinem Film "Faustrecht der Freiheit" (1974) der Schwulenszene "die Maske vom Gesicht" gerissen habe. Vito Russo behandelt "Something for Everyone" (1970) im Kontext von "maskierte(r) Homosexualität" ("Die schwule Traumfabrik", 1990, S. 153). Auch der Sprachgebrauch in "Out im Kino" von Axel Schock und Manuela Kay (2003) ist ähnlich: In "Ein Käfig voller Narren" (1978) fliege die "Maskerade" auf (S. 189) und der Film "Menmaniacs" (1994) verstehe sich als Blick hinter die martialische und hypermaskuline "Leder-Maske" (S. 247).
Auch Zitate aus Filmen lassen sich anführen. Mr. Green outet sich in "Alle Mörder sind schon da" (DDR, 1985) lieber selbst, bevor er von anderen "demaskiert" wird. Der schwule japanische Autor Yukio Mishima veröffentlichte seine Autobiographie unter dem Titel "Geständnis einer Maske" und es entspricht diesem Bild, wenn er sich im biographischen Spielfilm "Mishima" (1985) als einen Mann beschreibt, der im Leben manchmal, wie ein Schauspieler, nur eine bestimmte Rolle spiele. Der Titel seiner (realen) Autobiographie erinnert übrigens auch an die (fiktive) Biographie "Catcher's Mask" eines schwulen Baseball-Spielers in der frühen "Cheers"-Folge "The Boys in the Bar" (Folge 1/16, 1983).
Pornos – offene und geschlossene Masken
In Schwulenpornos gibt es zum einen das erotische Spiel mit offenen Masken, die dem Maskierten Anonymität verleihen ("Hole Busters", "Games Boy Play"). Man findet sie in Pornos der Leder- und SM-Szene, wo die Maske manchmal auch noch durch den Titel betont wird ("Masked" 1-3, "Masked Masters"). Das Pornolabel "Maskurbate" – ein Kofferwort aus "mask" und "masturbate" – hat mehrere Pornos wie u.a. "Hung for Fun 1" mit einem entsprechenden Cover herausgegeben.
Zum anderen gibt es geschlossene Masken, mit denen sich der Maskierte vertrauensvoll in die Hände einer anderen Person begibt und dabei meistens passiv ist. Auch hierzu gibt es Pornos vor allem aus der Leder- und SM-Szene ("Acres of Ass 1", "Don't cross the boss"). Der Titel "What I can't see" betont schon im Titel den fehlenden Durchblick. Die Masken gibt es als Bestandteil des Rollenspiels vor allem in hart – aber auch in zart. Ein um die Augen gebundenes Tuch ("Pleasing the Boy") hat annähernd die gleiche erotische Wirkung und Bedeutung. Mit "ChaosMen" gibt es sogar ein Porno-Label, das sich mit seiner Porno-Serie "Edge" auf Männer mit verbundenen Augen spezialisiert hat.

Eine Maske im Porno "Hung for Fun 1" vom Pornolabel "Maskurbate"
Maskenbälle und Karneval – Maskerade in Gesellschaft
Bei Maskenbällen wird – ähnlich wie beim Karneval und beim CSD – aus einer privaten eine gesellschaftliche Bedeutung der Maske. In aristokratischen "Gesellschaften waren für den hohen Adel Maskenbälle ein beliebter Anlass, die herrschende Ordnung für eine kurze Weile außer Kraft zu setzen. Im Schutz der Maske konnte sich jeder jedem nähern, wobei nicht nur Standes-, sondern auch Geschlechterschranken überschritten wurden" (Planet Wissen). In übertragener Form kann so eine eingeladene Gesellschaft zum Abbild und Mikrokosmos der Gesellschaft insgesamt werden.
Maskenbälle – sich in Gesellschaft verstecken
Maskenbälle als gesellschaftliche Ereignisse können als Mikrokosmos der Gesellschaft angesehen werden. In "Anders als die Andern" (1919) – dem weltweit ersten deutlichen Film über Homosexualität – ist ein Karnevalsball zu sehen. Interessanterweise wird hier vollständig auf das Motiv der Masken als Symbol der Verstellung verzichtet, was sich bei diesem Film angeboten hätte.
Hermann J. Huber ("Gewalt und Leidenschaft", 1989, S. 210) verdanke ich den Hinweis auf das "magisch-mystische Maskenfest" in Kenneth Angers "Inauguration of the Pleasure Dome" (1954, hier online). Mit dem Hinweis auf "verschlüsselte Botschaften" bei diesem wichtigen Undergroundfilmer geht Huber von Botschaften aus, die zumindest ich anhand der assoziativen Filmfetzen nicht in Worte fassen kann. Das schwule Filmlexikon "Out im Kino" (2003, S. 177) sieht in dieser "grotesken Orgie" von "Masken, Teufeln, Tunten" auch "Charaktere aus der klassischen Mythologie" und Referenzen an den englischen Mystiker Aleister Crowley. Deutlicher sind die Maske von "Oberst Redl" (1985) und der Maskenball im gleichnamigen Film inszeniert, wobei Redl (D: Klaus Maria Brandauer) nicht nur seine Homosexualität zu verbergen hat, sondern auch den Umstand, dass er als Spion Geheimnisse an Russland verrät. Der Maskenball in "Lilies" (1996) steht im Kontext der eingegangenen Ehe und des Verstellens in der Gesellschaft. In der Dokumentation "I am Gay and muslim" (2012, 00:20; 38:50 Min., hier online) sind schwule Maskenbälle zu sehen, wobei die Masken hier keine Party-Accessoires sind, sondern der notwendigen Anonymisierung und dem Schutz dienen. Der schwule Kurzfilm "Kansas" (2014, hier online) zeigt eine Kostümparty, auf der sich zwei junge Männer näherkommen, die sich in Anlehnung an den Film "The Wizard of Oz" als Zinnmann und Vogelscheuche verkleidet haben. Wenn in der IMDB betont wird, dass die beiden Männer unter den Masken und dem Make-up ihre Gefühle und Ängste verstecken, halte ich das bei diesem Kurzfilm für erwähnenswert, aber für überinterpretiert.

Klaus Maria Brandauer mit Maske in "Oberst Redl" (1985)
Maskenbälle – hinter einer Maske man selbst sein
Manchmal kann mit einer Maske auch etwas ausgelebt werden, was ohne Maske schwieriger wäre. Erst auf einem Maskenball kann sich in "Unser Weg ist der beste" (1976) der "Transvestit" Philippe vor seinen Lehrer-Kollegen in einem Kleid zeigen, ohne damit Diskreditierung befürchten zu müssen. Eine befreiende Wirkung hat es auch, wenn der schwule Lehrer Frank Ripploh (der sich selbst spielt) in "Taxi zum Klo" (1982) vom Maskenball, den er in Frauenkleidung besucht hat, direkt zu seiner Schulklasse fährt und offen schwul vor sie tritt.

Frank Ripploh auf einem Maskenball in "Taxi zum Klo" (1982)
Was hat es mit der Verkleidungsparty für die Kinder in "Mein Leben in Rosarot" (1997) auf sich? Darf sich der Junge Ludovic, der lieber ein Mädchen wäre, ein Mädchenkleid anziehen – oder doch nur einen gesellschaftlich akzeptierten Schottenrock? Gerade eine solche Party kann Vielfalt zum Ausdruck bringen, aber auch aufzeigen, wo diese ihre Grenzen findet.
Noch ein Hinweis auf den ärgerlichen und irreführenden Titel "Maskenball" einer Folge von "SOKO Leipzig" (Folge 8/6). In dieser Folge geht es weder um "Masken" noch um einen "Ball", sondern "nur" um einen selbstbewussten Schwulen, der sich als Frau kleidet. Den Filmtitel verstehe ich als Ausdruck der weit verbreiteten falschen Vorstellung, dass sich Crossdresser "verkleiden" würden.
Die Maske in der Pekingoper
In "Lebewohl, meine Konkubine" (1993, hier online) geht es um die beiden berühmten Darsteller der Pekingoper Douzi und Shitou. In der Oper "Lebewohl, meine Konkubine" hat Douzi die weibliche Rolle der Konkubine übernommen. Sie sind aber nicht nur auf der Bühne, sondern auch privat ein Liebespaar. In Besprechungen wird deutlich, wie die Theatermasken symbolisch auf ihre private und gesellschaftliche Situation verweisen. Nur "hinter der Maske" ("Out im Kino", 2003, S. 210) bzw. auf der Bühne darf Douzi seinen Freund lieben. Die Rezension in der "taz" von 1993 (hier online) endet mit Bezug auf die beiden sich liebenden Männer mit den Worten: "Was die Zeit ihnen wirklich getan hat, weiß man nicht; die Masken der Pekingoper wahren ihr Gesicht."

Douzi und Shitou in der Maske während eines Gespräches über ihre gemeinsame Zukunft in "Lebewohl, meine Konkubine" (1993)
"Masken im Film"
Die Arte-Kompilation "Masken im Film" (hier online) hebt die Bedeutung von Masken für den Karneval und Maskenbälle hervor (2:25) und geht dabei auch auf das junge Opfer auf einem Maskenball in "Messer im Herzen" (2018) von Yann Gonzalez ein (4:20). Mit Bezug auf Maske und "Identität" geht es beim Superhelden-Mythos auch um die geheime Identität von Bruce Wayne als "Batman" (7:00 Min.). "Identitätsstörungen" im Zusammenhang mit Masken sind – so Arte – nie ein Zeichen von guter seelischer Verfassung der Protagonist*innen, wofür der (schwule) Masken-Sammler J. Edgar Hoover (D: Leonardo DiCaprio) in dem Film "J. Edgar" als Beispiel angeführt wird (8:25 Min.). Asiatische Theaterformen werden als eng mit dem Motiv der Maske verbunden dargestellt, was auch am Beispiel der Pekingoper in dem Film "Lebewohl, meine Konkubine" (1993) verdeutlicht wird (9:35 Min.) – wo die oben behandelte Liebe zwischen Douzi und Shitou ein zentrales Thema ist.
Die Maske bei Thomas Mann
Thomas Mann musste seine Homosexualität verstecken. Viele werten das Gesamtwerk von Thomas Mann als maskiertes Bekenntnis einer vom Autor schuldhaft erlebten Homosexualität und es gibt etliche Autor*innen wie Ansgar Michael Hüls ("Maske und Identität. Das Maskenmotiv in Literatur, Philosophie und Kunst um 1900") oder die Autorin des Kapitels "Maskierung, Entlarvung, Camouflage" im "Thomas Mann Handbuch" (2015, hier z.T. online), die sich mit dem literarischen Motiv der Maskierung bei Thomas Mann beschäftigt haben.
Ich möchte nur auf zwei Thomas-Mann-Verfilmungen mit Masken verweisen. Zum einen auf "Tonio Kröger" (1964): Wenn sich hier ein weiblicher Harlekin beim Abschminken (bzw. Demaskieren) – inmitten von acht maskierten Frauen – darüber äußert, ob ein "Künstler überhaupt ein Mann" sei, wird die literarische Maskierung von Homosexualität geschickt mit dem Bildmotiv der "Maske" verbunden.

Die Demaskierung in "Tonio Kröger" (1964)
Das andere Beispiel ist Luchino Viscontis Film "Tod in Venedig" (1971) – nach der gleichnamigen Novelle von Thomas Mann. Nicht ohne Grund spielt diese im als morbide wahrgenommenen Venedig während einer Cholera-Epidemie. Hier ist der historische Karneval mit seinem Maskenspiel zu Hause, das in dem Film mit dem Motiv der gesellschaftlichen Maskierung verbunden wird. Die bis heute prägenden venezianischen Masken sind zum Teil den sogenannten Schnabelmasken nachempfunden, die früher in Venedig vor der Pest schützen sollten.
Die Maske bei Oscar Wilde

"Die Wahrheit von Masken" in der Ausgabe von Männerschwarm (2013)
Der irische Schriftsteller Oscar Wilde ist heute u.a. durch seine Bonmots bekannt. Im Biopic "Oscar Wilde" (1997) wird betont, wie Wildes "Dorian Gray"-Roman auf dem Motiv der Maske aufbaut: "Es geht um die Masken, die wir anstelle von Gesichtern tragen, und um die Gesichter, die wir tragen wie Masken." Der Roman ist unzählige Male verfilmt worden, wie in "Das Bildnis des Dorian Gray" (2009), wo man den egozentrischen Dorian Gray auf einem Maskenball sieht, wobei er allen eine falsche Identität vortäuscht.
Oben wurde bereits auf Philippe in dem Film "Unser Weg ist der beste" (1976) eingegangen, der sich erst auf einem Maskenball authentisch und ganz als Frau geben kann. Auf ihn trifft das Bonmot von Oscar Wilde zu, das ebenfalls in "Oscar Wilde" (1997) zitiert wird: Der Mensch sei am wenigstens er selbst, wenn er als eigene Person spreche. "Geben Sie ihm eine Maske und der Mensch sagt die Wahrheit." Wildes Bonmot "Eine Maske verrät uns mehr als ein Gesicht" geht in eine ähnliche Richtung. Oscar Wilde hat mit "Die Wahrheit von Masken" (1886) einen eigenen Essay über die Macht und Notwendigkeit der Illusion in Shakespeares Stücken und die Bedeutung von Masken und Kostümen geschrieben. 2013 ist er bei Männerschwarm erschienen.
Die Forderung nach Demaskierung
Schwulenpolitische Appelle an die Szene nach Sichtbarkeit und Demaskierung gibt es seit mehr als hundert Jahren. Selbstbewusst lässt in "The Masque" (2009) eine Dragqueen zum CSD in einem doppelten Sinne seine Maske fallen. Das Plakat zu "Pink Pact" (2014) mit einer hochgezogenen pinken Augenmaske verweist auf die Vereinbarung einer Gruppe schwuler Männer: "Bis zum nächsten Gay Pride müssen wir uns alle outen." In beiden Filmen ist die Maske nicht nur ein ganz hübsches CSD-Accessoire – sie ist ein Symbol für die schwulenpolitische Notwendigkeit einer Demaskierung und eines offen schwulen Lebens.
Das Abschminken bzw. die Demaskierung einer schwulen Dragqueen nach einem Show-Auftritt gehörte früher zu einem politisch bewussten Akt, um keinen Zweifel an der Identität aufkommen zu lassen. Entsprechende Szenen sind auch in "Coming Out" (1989) und "Priscilla" (1994) zu sehen.
Schwule Superhelden – mit und ohne Maske
Die Geschichte der schwulen Superhelden reicht bis in die Fünfzigerjahre zurück. 1954 erschien das später breit rezipierte Buch "Seduction of the Innocent" von Fredric Wertham, der die Meinung vertrat, dass Batman homosexuell sei, und indirekt meinte, dass dieser ein Verhältnis mit Robin habe. Es sind spekulative Hinweise in denunziatorischer Absicht und entsprechend zu bewerten. Wenn sich in dem schwulen Kurzfilm "Carnaval" (2014) ein Schwuler (Darsteller und Drehbuchautor Manuel Blanc) als Batman demaskiert, lässt sich vermuten, dass er damit vielleicht auf Werthams Buch anspielt.
Es gibt tatsächlich schwule Superhelden. Der erste offen schwule Superheld war vermutlich "Mask Man" – der Protagonist des kurzweiligen Zeichentrickfilms "Thank You Mask Man" (1971, ab 5:22), den ich hier auf queer.de bereits ausführlich besprochen habe. Zehn Jahre später kam mit "Zorro mit der heißen Klinge" (OF: "Zorro: The Gay Blade", 1981, hier online) der erste schwule Superheld in einem Realfilm auf die Leinwand. Zorro ist hier mit seinem heterosexuellen Zwillingsbruder auch auf einem Maskenball zu sehen und gemeinsam treiben sie hier ihr Spiel mit einer verheimlichten Identität. Mir ist klar, dass beide Filme Parodien des Abenteuer-Genres darstellen und dass die Homosexualität ein Teil dieser Parodie ist. Dies allein ist jedoch kein Grund, diese beiden Filme mit ihren starken und positiven Protagonisten zu kritisieren.

Ein offen schwuler Held: "Zorro mit der heißen Klinge" (1981)
Einen schwulen philippinischen Superman gibt es in "Binibining Tsuper-Man" (1987) zu sehen, wobei seine Sonnenbrille wie eine Maske wirkt und daher auch so zu bewerten ist. Ein schwuler französischer Superheld namens "Fusion Man" ist im Kurzfilm "Les incroyables aventures de fusion man" (2009) zu bewundern – diesmal wieder mit klassischer Maske.
Am meisten beeindruckt hat mich jedoch der schwule "Insect-Man" aus "Kick-Ass 2" (2013). Im Gegensatz zu seinen heterosexuellen Kollegen verzichtet er nämlich auf die für Superhelden ansonsten übliche Maske. Sein Grund dafür leuchtet sofort ein: "Da würde ich mich ja wieder nur verstecken."
Pornos zum Thema

Venezianische Masken und Brent Corrigan ohne Maske im Porno "Big Easy"
Mehrere Pornos nehmen auf die unterschiedlichsten Formen von Maskenfeiern Bezug, sei es auf den Mardi Gras ("Mardi Gras Cowboy", "Mardi Gras Buddies"), den venezianischen Karneval (Jean Daniel Cadinots "Le voyage à Venise", Brent Corrigans "Big Easy") oder die Karnevalsfeiern in anderen Ländern der Welt ("Carnival", "One Night in Rio"). Der Mann, der auf den Covern jeweils im Mittelpunkt steht und den Zuschauer fixiert, ist übrigens nie maskiert. Das liegt vermutlich daran, dass die Käufer den Darstellern gerne in die Augen schauen möchten.

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