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Selbstbestimmungsgesetz

Trans-Rechte: Grüne und FDP feiern sich, Kritik von der Linken

Paus und Buschmann sind zufrieden mit der Einigung beim geplantem Selbstbestimmungsgesetz. Die Linke kritisiert die geplante dreimonatige Wartezeit zur Änderung des Geschlechtseintrags als "Schikane".


Ein wichtiges Ziel der queeren Community ist in greifbarer Nähe: Protestschild beim Berliner CSD 2020 (Bild: IMAGO / Müller-Stauffenberg)
  • 27. März 2023, 04:17h 91 5 Min.

Nach der Einigung auf einen Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz zeigen sich die beiden verantwortlichen Regierungsmitglieder, Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), zufrieden. Paus erklärte am Sonntag gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, das neue Gesetz solle "endlich die Würde der Betroffenen" berücksichtigen. Am Samstag war bekannt geworden, dass sich die Regierung über noch offene Fragen für die geplante vereinfachte Änderung von amtlichem Geschlechtseintrag und Vornamen verständigt hatte (queer.de berichtete).

Demnach sollen trans, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen nur noch eine einfache Selbstauskunft beim Standesamt abgeben müssen, wenn sie den Vornamen oder den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ändern wollen. Bisher müssen für eine Änderung der Einträge zwei psychologische Gutachten eingereicht werden, es entscheidet das zuständige Amtsgericht. Das Verfahren ist langwierig, teuer und wird seit Jahren als entwürdigend kritisiert.

Buschmann erklärte gegenüber AFP, das Selbstbestimmungsgesetz werde "das große Versprechen einlösen, das wir im Koalitionsvertrag gegeben haben: Das Gesetz wird es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen erleichtern, ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern zu lassen."

Bedenkzeit von drei Monaten eingeführt

Die Einigung zwischen dem Familien- und dem Justizministerium sieht einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge unter anderem vor, dass eine Geschlechtsänderung im Personenstandsregister bei Minderjährigen unter 14 Jahren nur von den Sorgeberechtigten beantragt werden können soll. Bei Jugendlichen ab 14 und einem Konflikt mit den Eltern soll demnach ein Gericht entscheiden, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.

Vorgesehen ist laut "SZ" auch eine Bedenkzeit. Erst drei Monate nach dem Antrag auf Änderung des Geschlechtseintrags beim Standesamt soll die Entscheidung tatsächlich wirksam werden. Eine erneute Änderung soll laut dem Bericht frühestens nach einem Jahr möglich sein. Zudem wurde demnach zusätzlich ein Passus zur Präsenz von transgeschlechtlichen Personen in geschützten Frauenräumen eingefügt. Dort soll unabhängig vom offiziellen Geschlechtseintrag wie bisher das Hausrecht gelten.

Es sei wichtig, dass das Gesetz "die legitimen Interessen der gesamten Gesellschaft" in den Blick nehme, so der Justizminister. "Hausrecht und Vertragsfreiheit müssen deshalb gewahrt bleiben; Möglichkeiten des Missbrauchs – und seien sie noch so fernliegend – müssen ausgeschlossen sein."

Scharfe Kritik am Hausrecht-Passus

In der queeren Community, aber auch von Medien wurde der neue Passus als Einknicken vor Trans-Gegner*innen interpretiert. "Der Entwurf hat eine mutlose Lücke", kommentierte etwa die "Süddeutsche Zeitung" (Bezahlartikel). "Als etwa die Betonfraktion unter den Feministinnen warnte, transgeschlechtliche Frauen blieben biologische Männer und hätten in der Frauensauna nichts verloren, zuckte der Justizminister zurück. Der Gesetzentwurf soll jetzt betonen: Im Streitfall gilt das Hausrecht. Entscheiden soll also die Bademeisterin, ob eine Transperson als Frau gilt und in die Frauenumkleide darf – egal was im Pass steht. Paus und Buschmann haben sich hier weggeduckt."

Kritik übte auch der Vorsitzende der SPDqueer Berlin Alfonso Pantisano. "Welch ein Horror die Vorstellung, dass irgend jemand das Recht für sich beansprucht, darüber zu entscheiden, wer Du wirklich bist – und was Du daraufhin in Zukunft darfst oder eben nicht darfst", schrieb der Aktivist auf Facebook. "Da kämpfen wir als Community seit Jahren für ein würdiges und modernes Selbstbestimmungsgesetz […]. Und zack, kaum machen die Gegner*innen der trans Community – gemeinsam mit AfD und anderen rechten Gruppen – panikartige Stimmung, fallen FDP und Grüne um."

Da kämpfen wir als Community seit Jahren für ein würdiges und modernes Selbstbestimmungsgesetz – und ganz ehrlich,...

Posted by Alfonso Pantisano on Saturday, March 25, 2023
Facebook / Alfonso Pantisano
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Der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann wies dies als "Spekulationen" zurück und versuchte, die Bedeutung des Hausrecht-Passus herunterzuspielen. "Die Rechtslage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bleibt mit dem Selbstbestimmungsgesetz unverändert. Und damit auch der bestehende Diskriminierungsschutz für trans* Personen", schrieb der Grünen-Politiker auf Twitter. "Zutrittsverweigerungen nach Hausrecht dürfen nicht allein auf das Geschlecht abstellen."

Twitter / svenlehmann

Ressortabstimmung noch vor Ostern

Familienministerin Paus kündigte an, dass die Ressortabstimmung des Gesetzesentwurfs noch vor Ostern starten solle. Danach solle es zügig in die Verbändeanhörung gehen. "Dann liegt es am Bundestag, das Selbstbestimmungsgesetz zu beraten und zu beschließen." Die Grünen-Politikerin sprach gegenüber AFP von einem "entscheidenden Schritt" zur Abschaffung des gut 40 Jahre alten Transsexuellengesetzes "mit seiner Herabwürdigung und Diskriminierung von Trans*menschen". Die "herabwürdigenden, teuren und langwierigen Zwangsbegutachtungen" fielen weg "und der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister kann durch eine einfache Erklärung geändert werden", fasste Paus zusammen.

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Tessa Ganserer begrüßte die Einigung. Die Koalition löse ein "zentrales gesellschaftspolitisches Versprechen" ein, nämlich dass die Grund- und Menschenrechte von transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nonbinären Menschen in Deutschland gewahrt würden, sagte sie AFP. "Langwierige, teure und oft auch demütigende Verfahren, in denen sich transgeschlechtliche Menschen übergriffige Fragen in Zwangsbegutachtungen über sich ergehen lassen mussten, gehören dann der Vergangenheit an."

Auch der queerpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Jan Plobner, sagte AFP: "Wir begrüßen als SPD-Fraktion ausdrücklich, dass es mit dem Selbstbestimmungsgesetz jetzt endlich vorangeht." Menschenunwürdige Verfahren bei der Änderung eines einfachen Geschlechtseintrages müssten "und werden bald der Vergangenheit angehören."

Linke: "Für das Recht auf Selbstbestimmung gibt es keine Wartezeit"

Kritik kam dagegen aus der Linkspartei. Die nun bekanntgewordenen Pläne der Bundesregierung gäben "Anlass zu weiterer Sorge", heißt es in einer Pressemitteilung vom Samstag. Die geplante Wartezeit von drei Monaten sei "inakzeptabel" und eine "Schikane", erklärten die Bundesprecher von Die Linke.queer Frank Laubenburg und Daniel Bache sowie Maja Tegeler, Mitglied des Parteivorstands. "Die Bundesregierung lässt sich hier offenbar von seit langem gehegten Vorurteilen gegen die geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung queerer Menschen leiten ('ist vielleicht ja nur eine Phase', 'überleg Dir das gut', 'das denkst Du nur im Moment wegen Deiner schlechten Erfahrungen'). Für das Recht auf Selbstbestimmung gibt es keine Wartezeit."

Das neue Selbstbestimmungsgesetz müsse trans, inter und nichtbinäre Menschen klar vor Diskriminierung schützen, so die Linkspartei. Laubenburg, Bache und Tegeler forderten die Ampel-Parteien zudem auf, ein "vollumfängliches Konzept für geschlechtliche Selbstbestimmung" vorzulegen. "Offene Fragen, wie etwa der Zeitrahmen für geplante Beratungsnetzwerke, die Regelung der gesundheitlichen Aspekte geschlechtlicher Selbstbestimmung, die Entschädigung für Opfer des weitgehend verfassungswidrigen Transsexuellengesetzes (TSG) sowie nach konkreter Verbesserung der prekären sozialen Lebenslagen vieler nicht-cisgeschlechtlicher Menschen müssen beantwortet werden."

Kritik übte Die Linke.queer auch am Queerbeauftragten des Bundesregierung, der offensiver für weitreichende Regelungen eintreten müsse. "Dass Sven Lehmann sich in der Sache derzeit betont zurückhaltend gibt, entwertet sein Amt", heißt es in der Pressemitteilung. "Ein Queerbeauftragter hat die Interessen der communities offensiv zu vertreten, über ausreichend Pressesprecher verfügen Regierung und Ministerien bereits." (mize/AFP)

Wöchentliche Umfrage

» Was hältst du von der geplanten dreimonatigen Wartezeit zur Änderung des Geschlechtseintrags im Selbstbestimmungsgesetz?
    Ergebnis der Umfrage vom 27.03.2023 bis 03.04.2023

#1 From BeyondAnonym
  • 27.03.2023, 04:31h
  • Ausgezeichneter Artiikel, danke queer de!

    So, jetzt geht's los. Weg mit dem Alltagstest unter anderem Namen, weg mit dem Bademeister-Paragraphen!
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#2 canSarahAnonym
#3 From BeyondAnonym
  • 27.03.2023, 09:00h
  • Antwort auf #2 von canSarah
  • D'accord. Ich neige nicht zum Optimismus, aber ich bin zuversichtlich, daß es wegen Alltagstest & Bademeister mächtig halli-galli geben wird.

    Vor allem wegen letzterem, weil dann ja zB nicht 'weiblich genug' aussehende cis Frauen von der Geschlechter-Polizei kujoniert werden, was jetzt schon geschieht, aber dann, erstens, womöglich legal, und zweitens, auch seitens cis Männern.

    Das passiert, wenn man den TERFs das Wort überläßt.

    Ich finde, Alfonso Pantisano (tweet im Artikel) hat das sehr gut erfaßt und beschrieben. Und eine von mir sehr geschätzte Person hat das, auch auf twitter, so formuliert:

    'Eintrittskarte ins Stadtbad ist billiger als TSG-Phantasie-Gutachten, bei gleich bleibender Leistung.'
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