Michelangelos David in den USA als pornografisch gebrandmarkt

Tallahassee

Kunst oder Pornografie, um diese Frage dreht sich aktuell eine Debatte in den USA. Im Zentrum steht die weltberühmte David-Statue von Michelangelo. Konkret geht es um eine Unterrichtsstunde an der Tallahassee Classical School: Mehrere Eltern hatten sich laut amerikanischen Medienberichten beschwert, dass die Lehrerin ihren elf- bis zwölfjährigen Schüler*­innen die Statue gezeigt hatte. Laut den Eltern handle es sich dabei um "pornografisches Unterrichtsmaterial". Daraufhin wurde die Schulleiterin zum Rücktritt gezwungen und die Lehrerin von Polizeibediensteten vom Schulgelände eskortiert.

Die Berichte haben nun auch in Florenz, wo die monumentale Statue aus der Zeit der Renaissance in der Galleria dell'Accademia steht, für Aufsehen gesorgt. Sogar der Bürgermeister der mittelitalienischen Stadt meldete sich via Twitter zu Wort: "Kunst mit Pornografie zu verwechseln ist einfach lächerlich", twitterte Dario Nardella. Er werde die Lehrerin nach Florenz einladen, "um ihr im Namen der Stadt ihre Anerkennung auszusprechen. Kunst ist Zivilisation und wer sie lehrt, verdient Respekt", so der Sozialdemokrat.

Die Direktorin der Galleria dell'Accademia, Cecilie Hollberg, zeigte sich empört und erstaunt über die mutmaßliche Entlassung der Lehrerin. "Das ist absurd. Nacktheit ist nicht dasselbe wie Pornografie", zitiert sie die italienische Tageszeitung "La Repubblica". Die David-Statue sei das Symbol der Renaissance, das den Menschen in all seiner Makellosigkeit, wie er von Gott erschaffen wurde, in den Mittelpunkt stellt. Der David sei zudem eine religiöse Figur. "Um eine Assoziation mit Pornografie herzustellen, muss man eine verzerrte Vorstellungskraft haben."

Das Museum in Florenz gehört – vor allem wegen der bekannten David-Skulptur – zu den meistbesuchten Museen in Italien. Die Marmorstatue entstand zwischen 1501 und 1504 – und der Künstler Michelangelo gilt als ein Mann, der der gleichgeschlechtlichen Liebe nicht abgeneigt war. So schrieb er etwa Liebesbriefe an einen jungen Mann namens Tommaso dei Cavalieri.

Im 16. Jahrhundert schmückte David zunächst den Eingang des florentinischen Palazzo Vecchio – seit 1873 wird das Werk in dem Museum aufbewahrt. Michelangelos Skulptur zeigt den biblischen David in dem Moment, in dem er mit der Steinschleuder den Kampf gegen den Riesen Goliath aufnehmen will.

Hintergrund der Elternbeschwerde könnte auch die Debatte um das sogenannte "Don't say Gay"-Gesetz sein, das letztes Jahr in Florida beschlossen worden war (queer.de berichtete). Es verbietet bis zur dritten Klasse pauschal, über Queersein zu sprechen – bis zur zwölften Klasse wird Derartiges eingeschränkt. Gouverneur Ron DeSantis, dem Ambitionen auf das Präsidentenamt nachgesagt werden, will das Verbot jetzt offenbar sogar bis auf die zwölfte Klasse ausweiten (queer.de berichtete). (dpa/dk)

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