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Thema in Koalitionsverhandlungen
Öffnet Estland die Ehe für Schwule und Lesben?
Als erstes postsowjetisches Land könnte Estland die Ehe für alle einführen: Entscheidend wird sein, wer sich in den Koalitionsverhandlungen durchsetzt.

FinnishGovernment / flickr) Kaja Kallas – hier bei einem Besuch des Nachbarn Finnland im November 2022 – ist seit Januar 2021 Regierungschefin von Estland (Bild:
- 27. März 2023, 17:11h 2 Min.
Das Thema Ehe für alle ist Teil der Koalitionsverhandlungen in Estland. Nach der Parlamentswahl vom 5. März verhandelt die liberale Estnische Reformpartei (RE) von Ministerpräsidentin Kaja Kallas mit zwei kleineren Parteien – der ebenfalls liberalen Partei Eesti 200 und der sozialdemokratischen SDE. In der vorhergehenden Legislaturperiode war statt Eesti 200 noch die christdemokratische Partei Isamaa Teil der Kallas-Regierung, die Gleichbehandlung für gleichgeschlechtliche Paare ablehnt.
Eesti 200 und SDE sprechen sich dagegen für die Öffnung der Ehe aus. Widerstand gibt es jedoch in Kallas' eigener Partei: Hier unterstützen zwar die urbanen Teile der RE die Gleichbehandlung, während Abgeordnete aus ländlichen Regionen diese ablehnen – Kallas wird dem Lager der Befürworter zugerechnet. Wegen der Kontroverse soll über das Thema am Ende der Koalitionsgespräche verhandelt werden.
"Für fast ein Jahrzehnt gab es keinen Fortschritt bei den Rechten von gleichgeschlechtlichen Paaren in Estland", erklärte der sozialdemokratische Innenminister Lauri Läänemets gegenüber "Politico". "Jetzt sind alle drei Parteien in den Koalitionsverhandlung liberal-progressiv und zwei von ihnen unterstützen sowohl, die Gesetze zu eingetragenen Partnerschaften umzusetzen als auch die gleichgeschlechtliche Ehe."
Hintergrund ist, dass das estnische Parlament zwar 2014 knapp für die eingetragenen Partnerschaften gestimmt hatte (queer.de berichtete). Wegen des Widerstandes von Konservativen wurden aber bislang kaum Umsetzungsgesetze beschlossen – das neue Institut enthält damit bis heute kaum Rechte und wird wenig angenommen.
Estnische Bevölkerung gespalten
Die estnische Bevölkerung ist in der Frage der Ehe für alle gespalten: Laut einer Umfrage von Anfang März erklärten 45 Prozent, dass gleichgeschlechtliche Paare das Recht haben sollten zu heiraten, 43 Prozent waren dagegen. Zwölf Prozent gaben keine Antwort. Immerhin ist die Unterstützung stetig gestiegen: Vor 15 Jahren waren noch weniger als ein Drittel der Gesellschaft der Meinung, dass die Ehe für Schwule und Lesben geöffnet werden sollte.
Der sozialdemokratische Politiker Raimond Kaljulaid verwies darauf, dass Estland der Ehe für alle den Partnerländern hinterherhinke: "In großen Teilen Europas, in Nato-Ländern, sind diese Entscheidungen schon vor langer Zeit getroffen worden. Dort hat man die Erfahrung gemacht, dass das Thema seine politische Relevanz verliert, sobald das Gesetz beschlossen wird."
Die Ehe für alle wäre eine Revolution: Bislang hat noch kein postsowjetisches Land Homosexuelle beim Heiraten gleichgestellt. Immerhin: Als erstes postkommunistisches Land öffnete Slowenien im Februar die Ehe (queer.de berichtete). In der EU gelten ehemalige Ostblockstaaten wie Polen und Ungarn als größte Gegner der Gleichbehandlung. (dk)

Ein Beispiel wäre die Digitalisierung und der kostenlose Nahverkehr.