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"Bild"-Promis vs. Rundfunk-Verschwörung
Als die "Tagesschau" uns das Wort "Mutter" verbieten wollte
Partner*innen von Entbindenden sollen zwei Wochen frei bekommen, berichtet die "Tagesschau". Mega-Skandal, findet "Bild". Und mobilisiert gestandene Deutschland-Promis und Ex-Ministerin Kristina Schröder.

Ex-Familienministerin Kristina Schröder (45, CDU): Gebärende für ein paar Stunden, aber Mutter ein Leben lang (Bild: Raimond Spekking / wikipedia)
- 4. April 2023, 10:32h 4 Min.
Weigert sich der Onlinedienst der "Tagesschau", das Wort "Mutter" auszusprechen? Gibt es einen "Skandal" um das Wort, will das öffentlich-rechtliche Medium den Deutschen gar die Mutter verbieten? Den Eindruck bekommt man dieser Tage, wenn man rechte Medien aufblättert, allen voran die "Bild".
Das Corpus Delicti: Ein Artikel, der über die von der Ampel ins Spiel gebrachte zweiwöchige bezahlte Freistellung von der Arbeit auch für dasjenige Elternteil berichtet, das ein Neugeborenes nicht selber ausgetragen hat. Darin hatte es geheißen: "Der Partner oder die Partnerin der entbindenden Person soll künftig zwei Wochen nach der Geburt freigestellt werden".
"DAS Aufreger-Thema der Nation"
Doch was war das Problem? Die augenscheinliche Beschränkung des sogenannten Familienstartzeitgesetzes auf Männer und Frauen, so dass Inter und Enbies wohl weiter zur Arbeit müssten? Oder dass die Formulierung den Anschein erweckt, erst zwei Wochen nach der Geburt erfolge eine Freistellung von der Arbeit – schlechtes Deutsch also, das man bei Sternchen und Co gleich am liebsten "vergewaltigt" sieht?
Keineswegs. "DAS Aufreger-Thema der Nation" soll im Ausdruck "entbindende Person" stecken. Denn bei der "Bild" witterte man darin – obwohl das Wort "Mutter" im selben "Tagesschau"-Artikel durchaus nicht nur einmal vorkam – nicht eine sachlich korrekte Beschreibung des Vorgangs, sondern das nächste große Sprachverbot.
Die neuste Verschwörung der Obrigkeit, den Deutschen ihr gesundes Volksempfinden zu nehmen, brach zwar gleich nach einer Presseanfrage von "Bild" und etwas Aufregerei in den sozialen Medien wieder in sich zusammen: Die "Tagesschau"-Kolleg*innen änderten die angemahnten Formulierungen. Dennoch mobiliserte das Boulevard-Blatt in den folgenden Tagen eine Handvoll "Promi-Väter" ("Wir lassen uns MUTTER nicht verbieten!") und "Promi-Mamas" ("'Der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe!' – Das sagen Promi-Mamas zur selbsternannten [sic!] Sprachpolizei"). Und dann auch noch die für derlei Späße stets zu habende Ex-Familienministerin Kristina Schröder (CDU).
/ Markus_Soeder | Auch Markus Söder (56, CSU) war so wütend, dass er gleichgeschlechtlichen Elternpaaren auch noch eins mitgabEs ist echt absurd, dass man darüber überhaupt reden muss: Mutter und Vater gibt es für jeden nur einmal. Und kein Gendern oder Woke kann das ändern. Die ersten Worte eines Kindes sollen weiter Mama oder Papa heißen und nichts anderes https://t.co/lsAy9fBqjj
Markus Söder (@Markus_Soeder) April 2, 2023
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Schlagerstar Matthias Reim (65), Vater von gleich sieben Kindern, gab demnach zu Protokoll, dass "Mutter" eines der schönsten Worte in jeder Sprache der Welt sei und "Inbegriff von Liebe und Geborgenheit". Er frage sich, was in den Leuten vorgehe, die "eines der bedeutendsten Worte der Menschheit abschaffen wollen". Die Welt sei "aus den Fugen", seine tote Mutter und "all die anderen wunderbaren Frauen" würden zu "Gebärenden" und "Entbindenden" degradiert.
Michelle (51), ebenfalls Schlagerstar, meint, dass das Wort für sie eine sehr große Bedeutung habe. Sie könne sich nicht vorstellen, dass es "in der Demokratie, in der Wir leben, eine Mehrheit gibt, die das anders sieht". Ähnlich nah dran, die profane Wahrheit über den Mega-Skandal zu entdecken, und doch daneben, lag auch Unternehmerin Dana Schweiger (55). Sie findet die Streichung des Wortes Mutter "vor allem gegenüber Adoptivmüttern diskriminierend", denn: "Eine Mutter wird doch nicht über das Gebären definiert". Auch für "ein homosexuelles [sic!] Paar mit einem neugeborenen Baby" findet sie das Verbot schlecht. Denn bei denen passe "gebärend" dann doch auch nicht.
Kristina Schröder im Konflikt mit dem Zeitgefüge
Für Kristina Schröder ("Ihr seid so abgehoben!") stellt sich die Lage so dar, dass die "Tagesschau" Mütter nicht mehr Mütter nennen wolle, obwohl es doch "etwas Großes" sei und sie "gerne Mutter". Eine klare Verletzung der Prinzipien der Logik also. Und: Es gebe "wahrscheinlich keinen Moment im Leben einer Frau, in dem sie auf derart fundamentale Art die Erfahrung macht, Teil der urwüchsigen Kraft der Natur zu sein". Was die "Tagesschau"-Webseite mache, seien "Sprachdogmen einer winzigen Gruppe radikaler Transaktivisten", die Kolleg*innen beim öffentlich-rechtlichen Anbieter "Umerzieher".
Doch Schröder hat auch eine interessante Beobachtung über den zeitlichen Aspekt des von ihren Gegner*innen so gern genutzten Präsenspartizips gemacht: Wörter wie "gebärend" oder "Studierende" bezeichneten doch nur, was jemand gerade in dem Moment tue. "Gebärend" sei sie also nur in den wenigen Stunden gewesen, in denen sie ihre drei Töchter zur Welt gebracht habe. So weit, so nachvollziehbar.
"Mutter" hingegen, meint sie dann aber, sei Schröder "mein Leben lang". Da ist es nur gut, dass in der Boulevard-Berichterstattung traditionell auch das Alter der behandelten Promis und Politiker*innen mit angegeben wird. So wissen wir jetzt nicht nur, dass Kristina Schröder bereits seit 45 Jahren Mutter, sondern auch, dass ihre älteste Tochter genau so alt wie sie selbst ist: 45.
Nicht überliefert ist indes, ob Schröder in den Jahren 2009 bis 2013 familienministernd war, oder womöglich noch immer im Amt ist. Letzteres könnte jedenfalls erklären, warum es vom Selbstbestimmungsgesetz über Frauenhäuser bis hin zur Umsetzung der Istanbulkonvention, dem "Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt", so schleppend voran geht. (jk)















Mehr schreibe ich hierzu nicht mehr.