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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz
In Gay- und Frauensauna: Geschlechtsteile kein Ausschlussgrund
Das AGG verbietet schon jetzt die Diskriminierung von trans Menschen in Frauen- und Männerräumen – unabhängig vom amtlichen Geschlechtseintrag oder wie weit die Geschlechtsanpassung erfolgt ist.

Symbolbild: Zwei Personen in einer Sauna (Bild: IMAGO / Cavan Images)
5. April 2023, 10:50h 5 Min. Von
Ganz unabhängig vom geplanten Selbstbestimmungsgesetz ist der pauschale Ausschluss von trans Menschen aus Frauen- und Männerräumen bereits jetzt rechtswidrig. Das stellte die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) auf Nachfrage von queer.de klar. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darf trans Männern der Besuch von Schwulensaunen bzw. trans Frauen der Zutritt zu Frauenbädern auch dann nicht verwehrt werden, wenn der amtliche Geschlechtseintrag nicht geändert wurde oder keine geschlechtsangleichenden Operationen vorgenommen wurden.
Bereits in der vergangenen Woche hatte die "Süddeutsche Zeitung" aus einem internen Aktenvermerk der ADS zum geplanten Selbstbestimmungsgesetz zitiert (queer.de berichtete). Die unabhängige Behörde widersprach darin Äußerungen von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), der in Interviews behauptet hatte, Saunabesitzer*innen könnten sich bei der Zulassung einer trans Person an deren äußerer Erscheinung orientieren (queer.de berichtete), und warnte vor Diskriminierung. Der Aktenvermerk vom 18. Januar 2023 liegt nun auch queer.de vor. Im Folgenden stellen wir weitere Details aus dem Papier vor, außerdem haben wir die Antidiskriminierungsstelle um zusätzliche Auskünfte gebeten.
Intimsphäre wird durch trans Gäste nicht gestört
Die geschlechtliche Identität wird im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht explizit erwähnt. "Der Schutz vor Benachteiligungen durch das AGG ist für trans Menschen durch das Merkmal Geschlecht gewährleistet", stellt ADS-Referentin Ann Kathrin Sost klar. "Auch eine Person, die sich als trans oder nichtbinär identifiziert, ohne den Personenstand geändert zu haben, unterfällt dem Schutzbereich des AGG." Dabei spiele es keine Rolle, wie weit die Geschlechtsanpassung erfolgt ist.
Ein Ausschluss von trans Personen könne auch nicht mit dem "Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit" begründet werden. Der entsprechende AGG-Ausnahmeparagraf 20 dürfe "nicht bei der Beeinträchtigung rein ästhetischer Empfindungen herangezogen werden", heißt es im Aktenvermerk. "Daher kann der Ausschluss einer trans*Frau nicht damit gerechtfertigt werden, dass ihre äußere Erscheinung nicht bestimmten physiologischen Vorstellungen von Geschlecht entspricht."
Diese Aussage gelte entsprechend auch für trans Männer in Schwulensaunen, bestätigte Sost. Ein einschlägiges Badehaus, das beispielsweise nur Gästen mit einem Penis Einlass gewährt, verstoße gegen das AGG.
ADS: Vorurteile rechtfertigen keine Diskriminierung
Bei ihrer Rechtsauffassung beruft sich die ADS zum einen auf die vom Bundestag mit verabschiedete Begründung des AGG, die Ausnahmen vom Diskriminierungsschutz aufgrund von Vorurteilen am Beispiel von Fremdenfeindlichkeit explizit ausschließt. "Es ist nicht objektiv nachvollziehbar, dass von trans*Frauen eine Gefahr für Frauen in einer Frauensauna ausgehen soll", heißt es in dem Aktenvermerk. "Es handelt sich hierbei ähnlich wie bei Xenophobie um eine pauschale Angst vor 'den trans*Frauen', obwohl es keine tatsächliche Bedrohungslage gibt." Vielmehr seien auch trans Frauen einer größeren Gefahr als Männer ausgesetzt, Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu werden. "Bei einer Abwägung muss daher stets auch der Schutz der Intimsphäre der betroffenen trans* Person berücksichtigt werden. Ihre Intimsphäre ist in Männerräumen gerade nicht ausreichend geschützt."
Zum anderen verweist die Antidiskriminierungsstelle auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Dritten Option von 2017, in dem festgehalten wurde, dass jeder Mensch ein Recht auf Anerkennung seiner geschlechtlichen Identität hat. "Es kann daher gerade nicht sozial erwünscht sein, sondern ist vielmehr sozial verwerflich und widerspricht den Grundsätzen von Treu und Glauben, trans*Frauen entgegen der eigenen Identität und den Wertungen des Grundgesetzes nicht als Frauen zu begreifen, sondern mit Männern gleichzusetzen", so die ADS. "Die Geschlechtsidentität ist Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die eigene Geschlechtsidentität zu definieren, ist Sache der betroffenen Person. Damit ist es nicht sozial adäquat, sondern sozial verwerflich, die Erwartungen anderer Personen, wie eine Frau auszusehen hat, der betroffenen Person aufzuzwingen und als Rechtfertigungsgrund für eine Benachteiligung anzuerkennen."
Selbstbestimmungsgesetz hat keine Auswirkungen aufs AGG
Als einen zentralen Punkt des Aktenvermerks stellt die Antidiskriminierungsstelle klar, dass das von der Bundesregierung geplante Selbstbestimmungsgesetz gar keine Auswirkung auf das AGG habe. Nur weil es zukünftig einfacher werden soll, einen offiziellen Geschlechtseintrag zu ändern, "kann sich eine Person nicht mehr oder weniger auf das AGG beziehen", heißt es im Papier. Die vom Bundesjustizminister vorgebrachte Sorge vor möglichen AGG-Rechtsfolgen könne die Behörde "rechtlich nicht nachvollziehen".
Die ADS sieht zudem gar "kein Problem der rechtlichen Praxis". Seit Bestehen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, also seit immerhin 17 Jahren, habe es noch keine einzige Klage einer trans Frau gegen eine Frauensauna gegeben. "Eine Kausalität, dass trans* Frauen in höherem Maß klagefreudig werden, nur weil es einfacher wird, den Personenstand zu ändern, besteht nicht."
Die Antidiskriminierungsstelle schließt bei der geplanten Reform auch eine Missbrauchsgefahr etwa durch cis Männer aus, die sich kurzfristig als Frau eintragen lassen. "Das Gesetz sieht eine Sperrfrist von einem Jahr für eine erneute Änderung des Geschlechtseintrags vor. Dass eine Person den Geschlechtseintrag mit allen damit verbundenen Folgen ändert, nur um eine Frauensauna zu betreten und dann Frauen zu belästigen, ist lebensfremd", heißt es im Aktenvermerk. Ein geänderter Geschlechtseintrag behindere auch hier nicht die Ausübung des Hausrechts. "Wer sich übergriffig und gewalttätig verhält, kann auf Grundlage des Hausrechts ausgeschlossen werden, unabhängig davon, ob der Geschlechtseintrag weiblich, männlich, divers oder offen ist."
Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz soll Hausrecht erwähnen
Ende März wurde bekannt, dass sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) und Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) nach monatelangem Gezerre auf einen Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz geeinigt haben. Laut Medienberichten sieht ein Passus im Gesetz vor, dass im Streitfall das Hausrecht gilt, außerdem wird eine dreimonatige Wartezeit eingeführt (queer.de berichtete). Diese neuen Einschränkungen sorgten in der queeren Community für Verunsicherung und scharfe Kritik (queer.de berichtete). In der jüngsten Wochenumfrage auf queer.de forderten über die Hälfte der User*innen die Streichung der Wartezeit.
Der Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes soll angeblich noch vor Ostern veröffentlicht werden.
