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EU-Grundrechtecharta

Deutschland unterstützt Klage gegen Ungarns Anti-LGBTI-Gesetz

In letzter Minute haben sich Deutschland und Frankreich doch noch dem Vertragsverletzungsverfahren der EU gegen Ungarn angeschlossen. Zuvor hatte der LSVD das "Zaudern der Bundesregierung" kritisiert.


Teilnehmer*innen beim Budapest Pride 2021 (Bild: IMAGO / ZUMA Wire)
  • 7. April 2023, 04:33h 7 4 Min.

Am letztmöglichen Tag haben sich Deutschland und Frankreich dem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Ungarn angeschlossen. "Bundeskanzler Olaf Scholz hat heute zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron entschieden, dass Deutschland und Frankreich aufseiten der Europäischen Kommission dem Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen der Anti-LGBTQI-Gesetzgebung gemeinsam beitreten", sagte ein Regierungssprecher am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters.

Damit haben sich insgesamt 15 EU-Mitgliedsstaaten der Klage angeschlossen: Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Dänemark, Portugal, Irland, Spanien, Malta, Österreich, Schweden, Slowenien, Finnland, Griechenland und nun Frankreich sowie Deutschland. Auch das Europäische Parlament hat sich als EU-Institution an die Seite der EU-Kommission gestellt.

Queere Menschen aus der Öffentlichkeit verbannt

Hintergrund ist das im Juni 2021 vom Budapester Parlament nach russischem Vorbild beschlossene Gesetz gegen "LGBTI-Propaganda" (queer.de berichtete). Es verbietet die Darstellung von queeren Menschen sowie die Berichterstattung über LGBTI-Themen in den Medien und an allen Orten, an denen sich Kinder aufhalten könnten, also fast überall.

Bereits kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes hatte die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet (queer.de berichtete). Damals betonte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Europa werde "niemals zulassen, dass Teile unserer Gesellschaft stigmatisiert werden". Ungarn wurde Zeit gegeben, die EU-Bedenken auszuräumen – das hat Budapest aber nicht getan.

"Die Kommission ist der Auffassung, dass das Gesetz gegen die Binnenmarktvorschriften, die Grundrechte von Einzelpersonen (insbesondere LGBTIQ-Personen) sowie – in Bezug auf diese Grundrechte – gegen die Werte der EU verstößt", erklärte die EU-Kommission damals in einer Pressemitteilung. "Der Schutz von Kindern hat für die EU und ihre Mitgliedstaaten absolute Priorität. Das ungarische Gesetz enthält jedoch Bestimmungen, die nicht durch das Eintreten für dieses Grundinteresse gerechtfertigt sind oder die im Hinblick auf das Erreichen des erklärten Ziels unverhältnismäßig sind." Mit dem Gesetz würden "eindeutig Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert".

Die Klage beruht darauf, dass die EU-Kommission als "Hüterin der Verträge" auch die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der Staatengemeinschaft überwacht. Die Behörde argumentiert, dass Ungarn mit ihrem gegen queere Menschen gerichteten Gesetz etwa gleich gegen mehrere Vorschriften in der EU-Grundrechtecharta verstößt. Konkret geht es bei der Klage vor dem EU-Gericht, dem Europäischen Gerichtshof, um die Unantastbarkeit der Würde des Menschen, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie das Recht auf Nichtdiskriminierung (Artikel 1, 7, 11 und 21). Der nicht zur EU, sondern zum Europarat gehörende Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte 2017 regionale Vorläufer des russischen "Propaganda"-Gesetzes als Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention bewertet (queer.de berichtete).

Dem LSVD platzte am Dienstag der Kragen

Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bereits vor einem Monat eindringlich gebeten, dem Klageverfahren gegen Ungarn beizutreten, jedoch nach eigenen Angaben keine Antwort oder Reaktion erhalten. Am Dienstag kritisierte der Verband das "Zaudern der Bundesregierung" schließlich öffentlich in einer Pressemitteilung. "Wenn in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union ein Gesetz verabschiedet wird, das die öffentliche Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt de facto verbannt, darf Deutschland nicht schweigen", erklärte LSVD-Vorstand Henny Engels. "Die Ampelfraktionen haben vereinbart, dass sich Deutschland für eine EU einsetzen wird, die ihre Werte und ihre Rechtsstaatlichkeit nach innen wie außen schützt und entschlossen für sie eintritt. Diese Entschlossenheit braucht es jetzt!"

Der LSVD hat "große Hoffnung", dass der Europäische Gerichtshof für den Schutz von queeren Menschen entscheiden wird. "Dieses Urteil ist nicht nur wichtig, um das ungarische Gesetz aufzuheben, sondern auch, um zu verhindern, dass ähnliche Gesetze in anderen EU-Mitgliedstaaten wie Polen oder Rumänien erlassen werden", so Engels. "Dieses Gerichtsverfahren ist eine einmalige Gelegenheit für uns alle, gemeinsam eine klare Botschaft zu vermitteln: Wir stehen für unsere EU-Werte der Inklusion, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie."

Queerbeauftragter Lehmann sieht "wichtiges Zeichen"

Der grüne Bundestagsabgeordnete Max Lucks begrüßte den Beitritt Deutschlands zum Verfahren. "Natürlich kommt diese Klage gegen #Ungarn zu spät. Doch sie ist ein Meilenstein", schrieb Lucks auf Twitter. "Über Jahre haben Europas Konservative, unter Mittun der CDU/CSU, ihre schützende Hand über Menschenrechtsverletzer gehalten. Diese Zeit ist endlich vorbei!"

Twitter / max_lucks
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Der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann (Grüne) nannte den Klage-Beitritt in einem Tweet ein "wichtiges Zeichen, dass Deutschland und viele andere die Grundrechte queerer Menschen in Europa verteidigen".

Twitter / svenlehmann

die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD) begrüßte die deutsch-französische Entscheidung: Der ungarische Regierungschef Viktor Orban benutze Minderheiten, "um von der Demontage der Demokratie und Korruption abzulenken", schrieb sie auf Twitter. Der Grünen-Sprecher im EU-Parlament, Rasmus Andresen, sprach von einem "starken Zeichen zur Unterstützung der ungarischen LGBTI*-Community". (mize)

#1 MarcAnonym
  • 07.04.2023, 13:11h
  • Wir sind zu Tränen gerührt: Die Zauderer in Berlin konnten sich gerade noch rechtzeitig darauf einigen und dazu durchringen. Wow.
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#2 Schlafende RegierungAnonym
  • 07.04.2023, 13:58h
  • Traurig, dass es erst wieder einen medialen Aufschrei geben musste, ehe die deutsche Bundesregierung buchstäblich in letzter Sekunde Unterstützung zeigt.

    Kann man nicht auch einfach mal vorne mit dabei sein, so wie andere EU-Staaten das doch auch können...
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#3 kuesschen11Profil
  • 07.04.2023, 14:56hFrankfurt
  • Dass Deutschland als EU-Staat so spät bei diesem Thema reagiert, ist eine Blamage.

    Aber immerhin, es hat sich was getan.
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