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Folge 15 von 53

Schwule Symbole im Film: Namen

Namen geben einem Menschen eine eigene Identität. Sie können Nähe zum Ausdruck bringen, aber auch Scham auslösen. Viele Männer vergessen Namen oder legen sich einen neuen zu.


Nähe, die auch über den Namen erreicht wird: "Call me by your name" (2017)

Namen geben Identität – von Aussprechen und Ausstreichen

Der Name ist meistens der erste Hinweis auf einen Menschen und der erste Zugang zu ihm. Der Vorname ist individuell identifiziert, der Nachname verdeutlicht die Zugehörigkeit zu einer Familie. Beide Namen zusammen symbolisieren Identität und Persönlichkeit und können zudem das eigene Selbstverständnis zeigen. Diverse Redensarten verdeutlichen, wie der Name mit dem Renommee und dem Ruf eines Menschen zusammenhängt: Jemand "hat noch keinen Namen", "hat sich einen Namen gemacht" oder hat "seinen guten Namen zu verlieren".

Namen geben Identität und vermitteln Nähe

Bei Filmen wie "Family Name" (1997), "The Nature of Nicholas" (2002) und "An angel named Billy" (2007) ist der Name der wichtigste und erste Zugang zum Inhalt. Beeindruckend ist die Schlussszene von "Deep End" (2011), in der Dane auf das Coming-out seines älteren Bruders zunächst verunsichert reagiert. Später fragt er: "What's his name? Your boyfriend", was in hier den Beginn der Annäherung an die Lebenssituation seines Bruders darstellt. Der Filmtitel "Call me by your name" (2017) beruht auf der Bitte des älteren Oliver an den jüngeren Elio: "Call me by your name and I call you by mine", ein Ausdruck ihrer Verbundenheit und Nähe. Erinnert sei auch an die Dokumentation "Call me Kuchu" (USA, 2012) über Homosexualität in Uganda.

Zwei Namen, die verbinden

In Filmen werden Namen manchmal über Alliterationen oder durch andere sprachliche Mittel verbunden, um auf Gemeinsamkeiten zu verweisen. So sind Geoffrey und Joe in "Bitterer Honig" (1961) gesellschaftliche Außenseiter, Jack und Jacko in "Alkali, Iowa" (1995) über ihr Schwulsein und ihre Heimat miteinander verbunden. "Jess & James" (2015), "Matthias & Maxime" (2019) und John und Jack in "John Apple Jack" (2013) sind Freundespaare – wenn auch auf unterschiedliche Art.

Spannend ist die Verbindung zweier Namen in Folge "Rote Absätze" der Serie "The Mentalist" (Folge 4/21): Der Umstand, dass der Vater Archie Bloom seinem Sohn denselben Namen gab, zeigt für die Ermittler (populärpsychologisch), dass der Vater eine "Kopie" von sich selbst wollte und deshalb einen schwulen Sohn nie akzeptiert hätte.


Eine besondere Verbindung über die beiden Namen: "Jess & James" (2015)

Vergessene und unbekannte Namen

Dennis kann sich in "Der Club der gebrochenen Herzen" (2000) den Namen von Ted nicht merken und findet es deshalb falsch, mit ihm zu schlafen. In "Umleitung ins Glück" (2007) wird thematisiert, dass sich Jake nicht mehr an die Namen seiner früheren Dates erinnern kann. In "Queer as Folk" ist es sogar fast ein Running Gag, dass sich Schwule nicht an die Namen ihrer Sexpartner oder anderer Menschen erinnern können. Das trifft nicht nur auf den egozentrischen Brian zu (Folgen 1/2, 5/4, 3/3), sondern auch auf Emmett (Folgen 1/20, 4/4) und Ted (Folge 1/6). Erinnert sei auch an den Film "Coming Out" (1989), in dem die Barbedienung (D: Charlotte von Mahlsdorf) Philipp, der auf der Suche nach Matthias ist, mitteilt: "Hier weiß keiner, wie der andere heißt. Hier ist jeder allein." Es sind Szenen, die die Bedeutung von Namen im zwischenmenschlichen Kontakt aufzeigen.

In "Queer as Folk" (Folge 2/10) wird ein Schwuler ermordet in einer Mülltonne aufgefunden. Nicht nur die Mülltonne, sondern auch der Umstand, dass niemand den Namen des Toten kennt, ist symbolisch, weil er damit ein Opfer ohne Identität ist. Von der Polizei wird das Mordopfer "Jane Doe" genannt, um es mit einem weiblichen Vornamen zu diskreditieren. "John Doe" und "Jane Doe" sind in den USA Platzhalternamen für fiktive oder nicht identifizierte Menschen.

Ausgelöschte Namen

Einen mehrschichtigen Umgang mit Namen bietet der Film "Oscar Wilde" (1997): Vor Gericht versucht Wilde, die Homosexualität als "die Liebe, die ihren Namen nicht zu nennen wagt", zu verteidigen. Nach seiner Verurteilung nimmt seine Frau einen anderen Namen an, weil sie sich nach dem Prozess für den Nachnamen "Wilde" schämt. In einer Szene wird Wildes Name an der Fassade eines Theaters überstrichen, was dem zeitgenössischen Wunsch entspricht, seinen Namen für immer aus dem kollektiven Gedächtnis zu tilgen.


Ein Name wird ausradiert: "Oscar Wilde" (1997)

Mehr als 100 Jahre nach der Verurteilung Oscar Wildes wurde in Ludwigshafen die "Tatort"-Folge "Kalte Herzen" gedreht (Folge 440, 2000). Darin lässt sich die Kommissarin Lena Odenthal (D: Ulrike Folkerts) die Ringe eines Paares zeigen, in die "Oscar und Constanze" eingraviert ist. Erst später merkt sie, dass es sich dabei um eine Chiffre für eine wegen Homosexualität geführte Scheinehe handelt, die auf die Ehe von Oscar und Constance Wilde Bezug nimmt.

In "The Normal Heart" (2014) streicht Tommy Boatwright (D: Jim Parsons) aus einem Adressverzeichnis die Namen von Freunden aus. Es ist eine banal wirkende Handlung, die aber unglaublich ergreifend inszeniert wurde. Bei den ausgestrichenen Namen handelt es sich um die viel zu vielen Freunde, die Tommy verloren hat, weil sie viel zu früh an den Folgen von Aids verstorben sind.

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Pornos – Namen, die Nähe suggerieren


Nähe auch durch Vokalwiederholung? Der Porno "Todd & Dolph"

Bei einigen schwulen Pornos ist neben dem Coverbild der Name eines Darstellers das wichtigste Element der Vermarktung. Die Titel suggerieren manchmal, dass die Zuschauenden die Darsteller im Film von einer privaten Seite kennenlernen könnten ("The Private Life of Dolph Lambert"), wozu auch eine persönlich wirkende Ansprache ("My Name is Nils") gehört. Einige Cover beinhalten handschriftlich wirkende Widmungen wie "With Love Johan Volny" auf dem Cover von "Johan Volny" und "With Love Dominik" auf dem Cover von "Dominik Trojan". Auch in Pornos soll durch Alliteration ("Leo & Lance") das Gefühl hervorgerufen werden, dass zwei Männer auch über die Namen harmonieren. Auch eine Vokalwiederholung kann diesen Zweck erfüllen ("Todd & Dolph")

Neue Namen geben eine neue Identität – nie sollst du mich befragen

Es gibt Männer, die ihren Namen und ihre Identität geheim halten wollen oder müssen. Bedeutende kulturgeschichtliche Beispiele reichen von Lohengrin ("Nie sollst du mich befragen") bis zum Märchen von Rumpelstilzchen, dessen Zauber erlischt, als sein Name in Erfahrung gebracht wird. Der Reiz liegt zum Teil in der Aura des Geheimnisvollen. Neu angenommene Namen von Künstler*­innen, aber auch die von Strichern sind gesellschaftlich gängige "Masken", bei trans* Personen sind sie in abweichender Bedeutung – ähnlich wie eine Operation – ein Weg zur Angleichung ans Zielgeschlecht.

Neue Künstlernamen – Stärke und Stolz

Nur zwei Beispiele von vielen: Roy Harold Scherer Jr. war ein schwuler, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren sehr erfolgreicher US-amerikanischer Hollywood-Schauspieler. Bekannt wurde er erst unter seinem Künstlernamen Rock Hudson. Dabei bezieht sich "Rock" – in Anlehnung an einen unzerstörbar wirkenden Stein – auf seine muskulöse und große Statur.


Ein Künstlername ist eine Art "Maske": Rock Hudson auf einem Cover von "Rock Hudson's Home Movies" (1992)

Holger Mischwitzky hat sich mit "Rosa von Praunheim" einen Künstlernamen gegeben, der sich im ersten Teil auf die schwulenpolitische Signalfarbe Rosa bezieht, im zweiten Teil adelig wirken soll und sich im dritten Teil auf den Frankfurter Stadtteil Praunheim bezieht, wo er als Jugendlicher aufwuchs. In den Siebzigerjahren war es mutig, sich auch über die Namensgebung so offen schwul zu zeigen.

Neue Rollennamen – neue Identität

Bei Protagonisten, die im Laufe des Films ihren Namen ändern, geht es manchmal um Fragen der sexuellen Identität. In Pedro Almodóvars "Schlechte Erziehung" (2004) haben gleich drei Männer unterschiedliche Gründe, ihren Namen zu ändern: Juan nennt sich aus Betrugsabsichten Ignacio bzw. Angel Andrade, die trans* Person Ignacio nennt sich Zarah und Padre Manolo heißt nach seinem Austritt aus der Kirche Señor Berenguer. Der (nicht offene) Schwule, der in Folge 3/17 der Serie "Criminal Minds" mit falschem Namen agiert, vertuscht damit Morde und will die Identität des offen schwulen Namensträgers übernehmen. Manchmal wird ein Wohnungswechsel als Anlass für einen Namenswechsel genommen, um mit einer neuen Identität einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, wie bei Eric in "Far West" (2003), der sich nun Ricky nennt, und Sébastien in "Brüder" (2005), der den Namen Zack annimmt. In der US-Serie "Queer as Folk" (Folge 5/13) bekommt Hunter Montgomery durch Adoption den neuen Nachnamen Novotny-Bruckner – als äußeres Zeichen der Zugehörigkeit zu einer neuen Familie.

Auch bei manchen Sekten und Religionsgemeinschaften sind neu angenommene Namen äußeres Zeichen einer neuen Identität und Lebensphase, so etwa in "Latter Days" (2003) mit der Äußerung des Mormonen Aaron über seinen Namen: "Den dürfen wir nicht nennen."

Stricher-Namen – gesellschaftlich übliche Masken

Bei Strichern und Pornodarstellern ist es üblich, sich einen anderen Namen zu geben, um eine Illusion zu erschaffen und sich selbst zu schützen, und so kennzeichnet es in "The Fluffer" (2001) einen Insider, den richtigen Namen des Pornodarstellers "Johnny Rebel" zu kennen. In "Dummer Junge" (2004) stellt sich der Stricher Loic erst mit dem Namen Marc vor. Bei den Strichern in "Ein Sohn" (2003) und "Strapped" (2010) wird ihr Umgang mit erfundenen Namen ebenfalls thematisiert. In "Eastern Boys. Endstation Paris" (2013) geht es um Daniel, der in Paris den Stricher Marek aus der Ukraine kennenlernt, der tatsächlich allerdings Rouslan heißt.

Die Nennung des richtigen Namens – Demaskierung

Erst mit der Nennung des richtigen Namens bekommt man einen authentischen Zugang zum Menschen. Dieser Akt ist nicht nur eine vertrauensbildende Maßnahme, sondern eine Form der Demaskierung und kann symbolisch mit dem Lüften eines Schleiers verglichen werden. In "$ 30" (1999) outet sich die Prostituierte Emily/Michelle gegenüber einem Schwulen mit ihrem richtigen Namen, womit über die Frage der Authentizität und Ehrlichkeit eine Parallele zum noch ausstehenden Coming-out des Schwulen hergestellt wird. In "Leo's Room" (2009) teilt Leo seiner Internet-Bekanntschaft schon früh mit, dass er nicht "Nico" heißt. In ähnlicher Form stellt sich Emmett aus "Queer as Folk" seinem Verehrer, der ihn nur als Pornodarsteller unter seinem Künstlernamen kennt, mit seinem richtigen Namen vor (Folge 2/8). In "Bennys Jacke" (2007, 23:00 Min., hier online) verrät Benny, dass er Reider heißt, und in "Zar" (2013, 16:20 Min., hier online) stellt sich Daniel mit seinem richtigen Namen Patrick vor. In diesen Filmen können die Demaskierungen der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein.

Trans*

Bei trans* Personen haben die meistens geschlechtsspezifischen Vornamen eine große Bedeutung, wie es bei "Erik(a) – Der Mann, der Weltmeisterin wurde" (2005) schon im Filmtitel deutlich wird. In "Tomboy" (2011) stellt sich die zehnjährige Laure den neuen Kindern aus der Nachbarschaft als Michael vor. "Tomboy" ist ein umgangssprachlicher Begriff für Mädchen, die sich entsprechend der gängigen Geschlechterrollen wie Jungen verhalten. Die trans* Person Bernadette prügelt sich in "Priscilla" (1994), weil sie durch die Anrede mit ihrem Geburtsnamen – also ihrem Deadname – verletzt wird. In einer Folge von "The Mentalist" (Folge 4/21) weisen die Namen Glen und Glenda auf unterschiedliche soziale Rollen hin. Der schwule Travestiedarsteller in derselben Folge hat mit "Fifi Nix" einen Künstlernamen als Illusion für das Publikum, aber auch zum Schutz vor seiner Familie.

Auch zwei "Tatort"-Folgen lassen sich hier anführen: In "Liebe, Sex, Tod" (Folge 356, 1997) übernimmt Lukas Homann den Namen seiner toten Schwester Judith und in "Altes Eisen" (Folge 808, 2011) wird Trudi Hütten von der Ex-Frau leider immer noch mit "Arno" angesprochen. Zu den mittlerweile vielen weiteren Beispielen von trans* Personen in Filmen gehören Roy/Wendy ("I Want What I Want", 1971), Erwin/Elvira ("In einem Jahr mit 13 Monden", 1978), Bree/Stanley ("Transamerica", 2005) und Clara Corn / Herr Kolle (D: Ernie Reinhardt, "Notruf Hafenkante", Folge 7/15).


(Vornamen, die irritieren sollen: "Erik(a) – Der Mann, der Weltmeisterin wurde" (2005)

Namen mit Subtext – Schwule, die Dorothys Freunde sind

Wie die Dramaturgie in Filmen, sind auch Vor- und Nachnamen hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Zuschauenden inszeniert. Einige von ihnen können, wie "Adam und Steve", von einem religiösen und schwulenpolitischen Bewusstsein zeugen oder als Alliteration Interesse wecken. Mit Bezug auf das Sexual- und Sozialverhalten kann die Nennung banal wirkender üblicher Namen einen Subtext haben und auf weitere Bedeutungsebenen verweisen. In vielen Fällen haben Namen damit einen Signal- und in seltenen Fällen einen Symbolcharakter.

Bruce und Detlef – stereotype schwule Vornamen

Der Name Bruce wurde in den USA in den Achtziger- bis Neunzigerjahren im negativen Sinne mit femininen Schwulen assoziiert. Dies wird auf Fredric Werthams Buch "Seduction of the Innocent" (1954) zurückgeführt, worin behauptet wird, dass Batman und Robin eine homo­sexuelle Beziehung hätten. Bruce Wayne ist – auch in den diversen Filmen – die Zivilidentität von Batman (s. urbandictionary.com). In diesem Kontext ist es zu verstehen, dass Homer in der "Simpsons"-Folge "Homer und gewisse Ängste" (Folge 8/15, 1997, hier Szene online) zu dem offen schwulen John (dessen Stimme die von John Waters ist) sagt, die Schwulen wie John "haben unsere schönsten Namen ruiniert, Bruce, Lance und Julian". Erinnert sei auch an den Künstlernamen Bruce LaBruce (eigentlich Bryan Bruce) und an Vito Russos Hinweis ("Die schwule Traumfabrik", 1990, S. 203) auf einen schwulen Bruce in "No small affair" (1985).


John (links) und sein Sprecher John Waters: Sie sind angeblich mit schuld daran, dass aus "Bruce" ein schwul konnotierter Vorname wurde ("The Simpsons", Folge 8/15)

Der Name Detlef wurde in Deutschland seit den Sechzigerjahren, besonders in Witzen und manchmal mit Vokaldehnung ("Deetlääf") ausgesprochen, als eine abwertende Bezeichnung für Schwule verwendet. Als Beispiel für diese Zuschreibung wird auch der Stricher Detlef in "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" (1981) angesehen (Wikipedia). Zuvor kamen queere Detlefs u. a. in den Sex-Komödien "Liebesspiele junger Mädchen" (1972) und "Drei Lederhosen in St. Tropez" (1980) vor. In "Drei Schwedinnen in Oberbayern" (1977) hat ein Schwuler einen Papagei namens Detlef. Im Kurzfilm "Homophobia" (2012) geht es um "Detlef"-Witze in der Armee.

Jack – verweist auf Sex

Im englischen Sprachraum kann mit dem geläufigen Vornamen Jack der jeweilige schwule Namensträger sexualisiert werden. In Deutschland hat der Name zwar nicht diese Tradition, aber auch hier ist die Redewendung "to jack off" (= wichsen) etwa im Zusammenhang mit Jack-Off-Partys bekannt.

Der Rollenname Jack wird u. a. in den Filmen "The Score" (1974), "Apartment Zero" (1988), "Poison" (1991), "Trevor" (1994), "Der Club der gebrochenen Herzen" (2000) und "Ja, ich will" (2012) verwendet.

In "Merry Christmas, Mr. Lawrence" (1983) verkörpert David Bowie den schwulen Jack Cellier. Der bekannteste Namensträger in einem schwulen Film ist wohl Jack Twist in "Brokeback Mountain" (2005), der erkennbar mehr Interesse an einer Beziehung hat als sein Partner Ennis. Als Allerweltsname muss Jack nicht in allen diesen Filmen unbedingt einen Subtext haben. Leichte Namensabweichungen verändern nicht die Bedeutung des Namens, wie bei Jake in "House of Boys" (2009) und Jack und Jacko in "Alkali, Iowa" (1995). In der Dokumentation "Strip Jack naked" (1991) berichtet Ron Peck über seinen Film "Nachtfalken" (1978). Den Titel könnte man frei übersetzen mit "einen anderen nackt machen" oder besser, weil auf den Film bezogen, mit "rückhaltlos und offen erzählen".


Sexualisierung eines Vornamens: Szene aus "Strip Jack naked" (1991)

Dick – verweist auf den Penis

"Dick" ist in den englischsprachigen Ländern nicht nur ein geläufiger Vorname, sondern auch ein Slangwort für den Penis. Es wird zwar als anstößig empfunden, aber auch in harmlosen Kontexten wie im (mehrfach verfilmten) Roman "Moby Dick" verwendet (Wikipedia). Das Berliner Schwulenlokal "Moby Dick", das in "Nicht der Homo­sexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" (1971, 16:45 Min., hier online) einer der Schauplätze ist, bezieht sich zunächst auf den Roman des schwulen Autors Herman Melville. Weil amerikanische Slang-Ausdrücke damals hierzulande noch kaum geläufig waren, ist es möglich, aber nicht sicher, dass der Titel sexuell doppeldeutig ist.


Eine Penis-Anspielung? "Moby Dick" in "Nicht der Homo­sexuelle ist pervers …" (1971)

In "Swoon" (1992) und "The Fruit Machine" (1988) wird "Dick" als Kosename verwendet. Schwule Filmfiguren mit dem Namen Dick sind u. a. in "The Hanging Garden" (1997), "Another Gay Movie" (2006) und "Vacationland" (2006) zu finden. Wie beim Allerweltsnamen Jack muss auch in diesen Filmen Dick nicht unbedingt sexuell gemeint sein. In "Eating Out" (Teil 4, 2011) kommt ein schwuler "Dick Dickey" vor, was wie eine Bedeutungs-Verdoppelung wirkt.

Hunter – verweist auf Jäger

Der geläufige Vor- und Nachname "Hunter" kann mit dem Jagen von Tieren in Verbindung stehen. Wegen der wörtlichen Bedeutung des Namens wird auch die Stärke und Leidenschaft, die mit Jägern assoziiert wird, auf das Sexuelle übertragen (s. urbandictionary.com).

Die Verbindung von Filmfiguren mit dem Jagen hat unterschiedliche Hintergründe: Im schwulen Vampirfilm "Love Bites" (1992) ist Jake Hunter als Vampirjäger unterwegs. In der US-Serie "Queer as Folk" ist James "Hunter" Montgomery als Stricher (zeitweise) auf der Suche nach Freiern und in der Komödie "Bathroom Stalls & Parking Lots" (2019) ist ein Hunter hinter Männern her. Erinnern möchte ich auch an den Schauspieler Arthur Andrew Kelm, der in den Fünfzigerjahren unter seinem Künstlernamen "Tab Hunter" ein Teenager-Idol war (queer.de). Die beiden Titel der Serie "Shadowhunters" (2016-2019) und des Films "Young Hunter" (2021) stehen zwar nicht in Verbindung mit Vornamen, können aber verdeutlichen, wie das Wort als Jagdmetapher in schwulen Filmen emotionalisiert und sexualisiert verwendet wird.


Eine Jagdmetapher, wie sie auch in Namen zum Ausdruck kommt: "Young Hunter" (2021)

Christian, Damien, Adam und Steve, David und Jonathan – religiöse Subtexte

Mehrere gängige US-Vornamen haben auch eine religiöse Bedeutung und werden in schwulen Filmen mit diesem Subtext eingesetzt. So ist der Vorname Christian ein sprechender Name für einen Christen. Aufgrund der religiösen Thematik der betreffenden Filme ist davon auszugehen, dass der Name von Christian Markelli in "Latter Days" (2003) und der der Animationsfigur Christian in "Im Namen der Bibel" (2007, aka "For the Bible Tells Me So", hier Auszug online) assoziativ zu verstehen sind.

Die Vornamen Damien/Damian und Damon können wegen ihrer klanglichen Nähe zu "demon" (Dämon) eine Referenz auf den Teufel darstellen, wie bei Damian Courtenay in der schwulen Vampirserie "The Lair" (2007-2009). Bei dem Stricher Damon im Kurzfilm "Porn Punk Poetry" (2014) und bei Damon Conrad in "A Soldier's Choice" (2008) ist diese Bedeutung möglich.

Seit den 1970er Jahren gibt es in den USA in Anlehnung an das Alte Testament den homophoben Slogan: "God created Adam and Eve, not Adam and Steve" ("Gott schuf Adam und Eva, nicht Adam und Steve"). Die Namenskombination "Adam und Steve" wurde von der LGBT-Szene jedoch "zurückerobert" und wird mittlerweile selbstbewusst und kämpferisch verwendet (s. Wikipedia). In diesen Kontext gehören der Spielfilm "Adam & Steve" (2005), die drei Kurzfilme "Adam and Steve" (2000, 2015, 2019) und der Kurzfilm "Adam & Eve & Steve" (2006).


Ausdruck der "Zurückeroberung" von Namen für emanzipatorische Zwecke: "Adam & Steve" (2005)

Nach der Bibel waren David und Jonathan ein Freundespaar, das schon für die frühe deutsche Schwulenbewegung Möglichkeiten der Identifikation bot. Mit einem Hinweis auf dieses Freundespaar verteidigte Oscar Wilde seine Homosexualität vor Gericht, was auch im Biopic "Oscar Wilde" (1997) aufgegriffen wird. Die Kurzfilme "Entsagung" (1994, aka "Forsaken", hier online) und "David + Jonathan" (2006) sind moderne Neuinterpretationen dieses Liebespaares. Aufgrund der Filminhalte gehe ich bei den beiden Davids in "Blessing" (2003) und "Familie verpflichtet" (2015) sowie bei den beiden Jonathans in "Wäre die Welt mein" (2008) und "Jonathan – Die Passion" (2008) von einem religiösen Subtext dieser Namen aus. Zu dem Film "Matador" (1986) steht in dem Filmlexikon "Out im Kino" (2003, S. 245): "Angel trägt seinen Namen zu Recht. Er erscheint wie ein Wanderer zwischen den Geschlechtern."

"Freunde von Dorothy" – Code für Schwule


Ein Code macht Karriere: "William Yang: Friends of Dorothy" (2014)

In den USA haben sich schwule Männer früher als "friends of Dorothy" bezeichnet, was auf die Rolle der Schwulenikone Judy Garland als Dorothy in "Der Zauberer von Oz" (1939) zurückzuführen ist. Das führte u. a. dazu, dass die Strafverfolgungsbehörde der US-Marine bei Ermittlungen in den späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahren glaubte, eine Frau namens Dorothy stehe im Zentrum eines Rings homo­sexueller Militärangehöriger, und daraufhin eine intensive und vergebliche Suche nach ihr durchführte (Wikipedia). Diese Selbstbezeichnung schwuler Männer nach einer ihrer Ikonen prägte mehrere Filmtitel wie "A Friend of Dorothy" (1994), "Friends of Dorothy" (2009), "Friends of Dorothy" (2013) und die Doku "William Yang: Friends of Dorothy" (2014).

Weitere Beispiele dechiffrierbarer Namen

Es gibt eine große Bandbreite mehrdeutiger und anspielungsreicher Namen in schwulen Filmen. In Luchino Viscontis Film "Tod in Venedig" (1972) nach einer Novelle von Thomas Mann ist der Vorname von Gustav Aschenbach eine Referenz auf den Komponisten Gustav Mahler, von dessen Tod Thomas Mann während des Schreibens seiner Novelle im Mai 1911 erfuhr, während sich der Nachname auf den Maler Andreas Achenbach und auf "Asche" als Todesmotiv (Folge 5) bezieht.

Einige andere Namen lassen sich etymologisch so ableiten: Der Name des Aufsehers Aguirre in "Brokeback Mountain" (2005) bedeutet "Zorn Gottes", der Name Zenon in "Außerirdische" (1993) "Geschenk des Zeus" und der Name "Felix" (2000) im gleichnamigen Film "Der Glückliche".


Er ist der "Zorn Gottes": Der Aufseher Aguirre in "Brokeback Mountain" (2005)

Andere Namensableitungen wirken dagegen fast plump, so wenn im Fall von Joe Gay in "Meet Joe Gay" (2000) mit dem Namen seine sexuelle Orientierung mitgeteilt wird, im Kurzfilm "Shabbat Dinner" (2012) mit dem Vornamen von Virgo Bernstein-Cohen auf dessen Jungfräulichkeit hingewiesen wird und in der Komödie "Burning Palms" ein schwules Paar Tom und Jerry heißt. Ganz amüsant ist der Kurzfilm "Lost & broken" (2013): Wenn der Barkeeper Scott seinem Gast Jimmy einen Whisky reicht, ist der Gedanke an "Scotch" und "Jim Beam" naheliegend.

Pornos zum Thema

Auch in Pornos werden Vornamen als Filmtitel verwendet, die mit den schon beschriebenen Bedeutungen sexualisiert werden. Dazu gehören Jack ("All That Jack", "Jack goes wild", "Brokeback Jack"), Damian ("The best of Damian Lucas"), Dick ("Private Dick", "Moby Dick XXL"), Hunter ("Johnny Hunter") und Angel ("Cum with Johnny Angel"). Ist aber der Name Jack hier immer sexuell doppeldeutig gemeint? Zumindest beim Porno "Fuck me, Jack!" macht es keinen Sinn, "Jack" mit Wichsen zu konnotieren.

Die Zuschreibungen spiegeln sich auch in den Namen mancher Pornodarsteller wider. Queer.de hat schon einige Pornodarsteller erwähnt, die z. B. "Hunter" als Nachnamen gewählt haben, wie "Jack Hunter", "Hole Hunter" und "Hugh Hunter". Eine tschechische Porno-Reihe heißt "Czechhunter".

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Queere TV-Tipps
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#1 Erwin In het PanhuisAnonym
  • 09.04.2023, 23:50h
  • Im Zusammenhang mit meinem Artikel über Namen wurde ich heute von einem User auf eine mir bisher unbekannte Filmrezension hingewiesen.

    Rolf Füllmann schreibt auf literaturkritik.de zu Call me by your Name noch wesentlich mehr über die Hintergründe zu Namensgebung der Protagonisten. In Stefan Zweigs homoerotischer Novelle "Verwirrung der Gefühle" von 1927 taucht übrigens eine ähnliche Formulierung wie im Film auf: "Ruf mich bei deinem Namen, dann ruf ich dich bei meinem".

    literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=29627
  • Direktlink »
#2 elioelioAnonym
#3 Feuriger BengelAnonym
  • 13.04.2023, 16:41h
  • "Einige andere Namen lassen sich etymologisch so ableiten: Der Name des Aufsehers Aguirre in "Brokeback Mountain" (2005) bedeutet "Zorn Gottes""

    Aguirre (sp.) bzw. Agirre (bask.) ist ein gewöhnlicher baskischer Nachname, der nicht etwa "Zorn Gottes" bedeutet, sondern auf das Lexem "ageri" (mit Varianten), was so viel wie "offen", "offenbar", "unbedeckt" (auf Orte/Plätze bezogen) bedeutet und auch als Bestandteil zusammengesetzter Familiennamen vorkommt. Als Familienname ist er schon seit ca. 850 belegt.

    Ob eine Verbindung zwischen "Brokeback Mountain" und Werner Herzogs Film gegeben ist, sei dahingestellt.

    Ein wichtiger Bezugspunkt zu Namen und zur ugandischen Doku "Call me Kuchu" ("Nenne mich homosexuell") wäre auch "Call me Ishmael", ein Schlüsselsatz aus dem im Artikel erwähnten Roman "Moby Dick".
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