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Ex-"Bild"-Chef
Trotz Gerichtsurteil: Julian Reichelt misgendert trans Frau nun selbst
In der neuesten Folge von "Achtung, Reichelt!" warnt der Ex-"Bild"-Chef mit vielen Falschbehauptungen mal wieder vor einer queer-grünen "Tyrannei" – und empfiehlt sich für sechs Monate Gefängnis.

Julian Reichelt war von Februar 2017 bis Oktober 2021 Chefredakteur von "Bild". Seit Juli 2022 betreibt er den rechten Youtube-Kanal "Achtung, Reichelt!" (Bild: IMAGO / Norbert Schmidt)
13. April 2023, 04:51h 8 Min. Von
Julian Reichelt hat Stress. Das jedenfalls muss denken, wer die Äußerungen und journalistischen Leistungen des Ex-"Bild"-Chefs vor und nach seiner Entlassung bei dem Boulevard-Blatt verfolgt. Das hatte er ja wegen seines Umgangs mit Frauen verlassen müssen.
Kaum scheint Reichelt auch nur einen Tag in Ruhe und Frieden genießen zu können. Denn: Es gibt keinen Moment, in dem Deutschland nicht kurz vor der Apokalypse, vor dem völligen Zusammenbruch, vor der Einführung der grün-kommunistischen Diktatur steht. Und um die umzusetzen, haben es die Ideolog*innen der linksradikalen Partei gerade voll und ganz auf "Transgender" angelegt. "Nicht mit Reichelt!", dachte sich Reichelt.
Unbescheiden und dauernd erregt
Aber von vorn: In den vergangenen Wochen kamen eins und eins auf wundersame Weise zusammen. Erst wurde es Reichelts Unternehmen, der Rome Medien GmbH, gerichtlich untersagt, eine bekannte Trans-Aktivistin weiterhin als "Mann" zu titulieren (queer.de berichtete). Dann machte sein Ex-Arbeitgeber aus einem völlig profanen Artikel des Online-Portals der "Tagesschau" nichts Geringeres als "DAS Aufreger-Thema der Nation". Begründung: In dem Text wurden entbindende Personen als "entbindende Personen" und nicht als "Mutter" bezeichnet (queer.de berichtete).
Und dann hat jemand bei "Achtung, Reichelt!" auch noch beim Familienministerium nachgefragt und erfahren, was eh schon alle wussten – nämlich, dass die Ampel-Koalition eine Reform des Abstammungsrechtes plant. Demnach werden sich zum Beispiel transgeschlechtliche Eltern in Zukunft nicht mehr in der Geburtsurkunde ihres Kindes misgendern lassen müssen. Transgeschlechtliche Väter etwa, die ein Kind geboren haben, würden dann endlich als Väter ihrer Kinder und nicht mehr als Mütter eingetragen.
Grund genug für den Dauererregten, eine Folge "Achtung, Reichelt!" unter dem keiner Bescheidenheit verdächtigen Titel "Sprach-Wahnsinn! Grüne wollen 'Mutter' aus Geburtsurkunden streichen / So beginnt Tyrannei!" aufzunehmen.
Im Knast wegen Misgendern
Wenn wahr werden sollte, was die Grünen planten, dann "endet unsere Freiheit", so Reichelt in dem 24 Minuten langen Beitrag. Unsere Sprache sei einem "historischen Angriff skrupelloser, machtbesessener Ideologen ausgeliefert". Reichelts Beispiel: ein Artikel von "Feministin" Judith Sevinç Basad auf Reichelts Propagandaportal "Pleiteticker" über die Vorständin der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität, Janka Kluge.
Denn die darf Reichelt ja ausweislich eines Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main nicht mehr als "Mann" bezeichnen – etwas, was er sich natürlich nicht nehmen lässt. Nach einem "er oder sie" wechselt Reichelt gänzlich ins Er-Pronomen und bemüht sich in der Kunst, auf verschiedenste Arten und Weisen das Frausein von Kluge implizit und explizit zu verneinen. Dabei bezeichnet er sie immer wieder als "Mann" beziehungsweise als "biologischer Mann". Ins Video eingeblendet wird dabei der Schriftzug "Mann darf nicht mehr Mann genannt werden". Sicher ist sicher.
Doch das viele Misgendern hat einen Preis, wendet sich Reichelt an seine Zuschauer*innen. Es könne diese nämlich demnächst "ins Gefängnis bringen". Als Beispiel nimmt Reichelt – wen auch sonst – sich selbst. Denn hält sich der Ex-"Bild"-Chef nicht an das Gerichtsurteil, drohten ihm als Geschäftsführer des Unternehmens, für das Basad den Artikel geschrieben hatte, ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 oder "ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten". Reichelt macht es trotzdem – und wählt seine Sätze dabei so geschickt, dass es für Kluge schwerer als beim Artikel von Basad werden dürfte, gegen die erneuten Attacken rechtlich vorzugehen. Merke: Beim Aufstand gegen ein Unrechtssystem vorher den hauseigenen Justiziar um Rat fragen. Oder die Justiziarin.

Julian Reichelt in seinem aktuellen "Achtung, Reichelt!"-Video (Bild: Screenshot Youtube / Achtung, Reichelt!)
Wider den neuen Faschismus
Reichelts Begründung, warum er von der offensichtlich mit viel weniger Reichweite und Einfluss ausgestatteten Frau und Antifaschistin Kluge nicht lassen will: der eigentlich gemeinhin als Warnung vor dem Faschismus verstandene Ausspruch "Wehret den Anfängen!" Das will Reichelt aber nicht als Relativierung des Nationalsozialismus verstanden wissen. Und liefert mit Sprüchen über "alle Autoritären" die Belege dafür gleich selbst hinterher, warum ihm vor allem die besondere Ächtung des Faschismus ein Dorn im Auge sein dürfte.
Alle "Tyrannen" und "totalitären Geister" teilten, so Reichelts aus dem Ärmel geschüttelte politische Philosophie über den "Autoritarismus", ein "schmutziges Geheimnis". Er aber sei es, der dieses Geheimnis seinen Zuschauer*innen verrate. Und tut es sodann im Video: Die Autoritären sind nämlich "zutiefst unsicher". Sie wüssten, dass sie weder eine Mehrheit hinter sich hätten noch Argumente.
Was sie aber hätten, sei "unsere Angst, unsere Verunsicherung". Das sei der Grund, warum man den Zuschauer*innen Reichelts "die Worte wegnehmen will, die Sie Ihr Leben lang verwendet haben". Argumente indes fährt Reichelt im Video viele auf. Voraussetzung für deren Überzeugungskraft ist allerdings, dass man selbst im Paralleluniversum alternativer Fakten leben muss.
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... und den Krieg gegen Frauen
Zum Beispiel die Sache mit den Frauen. Die zuletzt wieder gestiegene Zahl der Anzeigen von Vergewaltigungen ordnet Reichelt nicht mit dem Hinweis ein, dass das Dunkelfeld der Taten als riesig gilt, so dass Expert*innen solche Schwankungen vor allem auf eine veränderte Anzeigenbereitschaft zurückführen. Lieber entdeckt Reichelt die Eingangsstatistik der Sexualdelikte, um sie sodann mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz in Zusammenhang bringen zu können. Ja womit auch sonst, etwa mit Männern wie er einer ist?
Demnach plane die Bundesregierung in Zukunft, per Gesetz "Männer in Frauenumkleidekabinen zu lassen". Es gebe eine Epidemie der Gewalt gegen Frauen, aber der Staat tue so, als gebe es eine Epidemie der Gewalt gegen "Männer, die sich für Frauen halten". Auch wolle es die Bundesregierung zum Gesetz machen, dass jeder sein Geschlecht "frei wählen darf".
Dabei ist es in Deutschland seit 1981 möglich, das bei Geburt eingetragene Geschlecht ändern zu lassen. Regelungen über den Zugang zu Frauenumkleidekabinen indes hat es weder in der Vergangenheit gegeben noch sind solche geplant. Schon heute müssen Männer, wollen sie in bestimmte Frauenräume eindringen, vor allem bloß eines tun: die Türklinke drücken. Doch zur Begehung von Sexualstraftaten abseits der eigenen Paarbeziehung setzen sie wohl häufiger auf die Strategie, sich Frauen und Mädchen aus Führungs- und Machtpositionen heraus zu nähern. Etwas, das Reichelt sehr wohl weiß. Er ist ja Journalist.
Und journalistische Beurteilungsgabe hat er. In der vorvergangenen Woche hätte nämlich das Online-Portal der "Tagesschau" durch einen Artikel ein Wort "getilgt", behauptet Reichelt selbstsicher. "Das Wort 'Mutter' kam nicht vor". Man versuche, es abzuschaffen. Von einer Tilgung des Wortes kann allerdings schwerlich die Rede sein, kamen im selben Text doch die Ausdrücke "Mutterschaftsleistungen", "Mutterschaftsbezüge" und "Mutterschutzgesetz" vor.
Aber mit solchen nur bei Größerem störenden Fakten beschäftigt sich Reichelt nicht. Ihm geht es um Wichtigeres: Die Autorin des Textes, die Journalistin Sarah Frühauf, betreibe "Sprachstalinismus". Der "wahnwitzige Kampf gegen das Wort 'Mutter'" sei ein Kampf gegen "alles, was wir sind", gegen "unsere Identität". Es sei ein "Krieg gegen Frauen" im Gange.
Dabei ist es für die im betreffenden Artikel vorgestellte gesetzliche Regelung völlig irrelevant, ob eine entbindende Person eine Mutter ist oder nicht. Und: Bei in Beziehungen zweier Frauen hinein geborenen Kindern gibt es eben nicht "die Mutter", sondern derer zwei. Trotzdem hatten die "Tagesschau"-Kolleg*innen den Artikel gleich nach den ersten Protesten von Rechts geändert. Seither ist dort von "Mutter" die Rede, wo das kommende Gesetz eigentlich die Partner*innen aller entbindenden Personen meinen dürfte. Der großen sprachstalinistischen Säuberungswelle scheinen wir also in letzter Minute entgangen zu sein. Puh.
Deutschlandrettung reicht nicht mehr
Dann schwenkt Reichelt um zum nächsten großen Angriff – nicht nur auf die Bevölkerung und ihren gesunden Menschenverstand. Die "Regierungsnachrichten" würden nämlich sprachlich nur "vollstrecken", was "Ideologen der grünen Partei" sich "ausgedacht" hätten. Und die zielen, glaubt man Reichelt, nicht mehr allein auf Deutschland.
Zum Beispiel Familienministerin Lisa Paus. Aus der von ihr erwünschten Möglichkeit, dass sich transgeschlechtliche Eltern nicht mehr in den Geburtsdokumenten ihrer Kinder misgendern und als trans outen lassen müssen, wird bei Reichelt die Lüge, die Regierung wolle "die 'Mutter' aus dem heiligsten Dokument der menschlichen Existenz tilgen". Als würde es irgendjemandem weggenommen werden, sich als Mutter des eigenen Kindes in den entsprechenden Unterlagen eintragen zu lassen. Hierher also nimmt Reichelt seine Behauptung aus dem Titel des Videos, die Grünen wollten "'Mutter' aus Geburtsurkunden streichen".
Mütter – Reichelt kennt sogar welche und schaltet kurzerhand eine Kollegin aus seinem rechten Medienuniversum hinzu – würden "unsichtbar" gemacht. Klar, dass dann jetzt auch mal bei "Achtung, Reichelt!" eine auf dem Bildschirm erscheinen muss. So richtig zum Angucken.
"Warum will man dich verschwinden lassen?", fragt er die junge Frau. Beizutragen hat die außer einem antifeministischen Schwank aus ihrem "freiwillig" anstrengenden Leben und wiederholten antigenderistischen Verschwörungstheorien wenig. Reichelt aber ist voller Bewunderung für den authentischen Betroffenenbericht ("so wahr!"). Und dabei eigentlich nur für sich selbst.
Der Chef des eigenen Medienunternehmens schickt sich jetzt nämlich nicht nur an, Deutschland quasi im Alleingang zu retten. Denn wenn es gegen Frauen geht, gegen die Mutter, dann geht es inzwischen, in Wahrheit, gegen die gesamte Menschheit. Ehrensache, dass Reichelt da hilft. Auch wenn er dann beim beruflichen Dauerstress als personifizierte letzte Rettung noch ein paar Jährchen wird dran hängen müssen.

Bei der BLÖD ist er rausgeflogen, das verkraftet sein Macho-Ego nicht.
Jetzt hetzt er als verkrachte Existenz auf YouTube.
Ein Rechtspopulist und Demagoge.
Eines seiner Vorbilder ist nach eigener Aussage Franz Josef Strauß!
Typisch für den altreaktionären Reichelt.