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Familienministerin
Lisa Paus zum Selbstbestimmungsgesetz: "Wir sind dran"
Der vor Ostern versprochene Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz liegt noch immer nicht vor. Im "taz"-Interview äußert sich Bundesfamilienministerin Lisa Paus zur Verzögerung, bleibt jedoch eine Begründung schuldig.

Das Selbstbestimmungsgesetz hat Verspätung wie der ICE: Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) an einem Bahnhof (Bild: Laurence Chaperon)
- 17. April 2023, 03:02h 4 Min.
Noch immer ist unklar, wann der Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz veröffentlicht wird. "Wir sind dran", sagte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) in einem am Sonntag veröffentlichten Interview mit der "taz", ohne jedoch einen auch nur ungefähren Termin zu nennen. Ursprünglich sollte der Gesetzestext vor Ostern vorliegen .
Zuvor hatte sich bereits ein Sprecher von Marco Buschmann (FDP) nur vage geäußert. "Das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium für Familie, Frauen Senioren und Jugend streben an, den Referentenentwurf für das Selbstbestimmungsgesetz demnächst vorzulegen", hieß es am vergangenen Dienstag auf Anfrage von queer.de (queer.de berichtete). Einen genauen Zeitpunkt hierfür "kann ich Ihnen noch nicht nennen".
Abstimmungsprozess "noch nicht abgeschlossen"
Gegenüber der "taz" zeigte Paus Verständnis für Ungeduld in der queeren Community. "Wir geben alles dafür, dass wir das schnell durchbringen", sagte die Familienministerin. "Für die Betroffenen ist es wichtig, dass dieses Gesetz zügig kommt."
Warum sich die Vorlage des Referentenentwurfs weiter verzögert, woran es genau hakt, bleibt jedoch weiterhin unklar. Gegenüber dem "Tagesspiegel" hatte das Familienministerium in der vergangenen Woche erklärt, der Abstimmungsprozess mit dem Justizministerium sei "noch nicht abgeschlossen". Auf die Frage der Zeitung, ob die politische Einigung im vergangenen Monat voreilig verkündet worden sei, gingen beide Häuser nicht ein.
Buschmann und die Frauensauna
Vermutet wird, dass Bundesjustizminister Buschmann auf die Bremse tritt. Der FDP-Politiker hatte bereits in den vergangenen Monaten mit widersprüchlichen Äußerungen zum Selbstbestimmungsgesetz für Verwirrung gesorgt. Immer wieder hatte er in Interviews betont, dass man die Ungleichbehandlung transgeschlechtlicher Frauen gegenüber cisgeschlechtlichen anvisiere und dazu das Beispiel der Frauensauna eingebracht. Seine Sprecher*innen ließen aber immer wieder wissen, dass es nur um eine Klarstellung im Gesetzgebungsprozess gehe, nicht um eine Diskriminierungserlaubnis (queer.de berichtete).
Ende März hatte es dann geheißen, dass sich beide beteiligten Ministerien auf einen Gesetzestext geeinigt hätten. Darin enthalten: ein Hinweis auf die Bestimmungen des Hausrechts, aus denen keinerlei rechtliche Konsequenzen für den Regelungsbereich des Selbstbestimmungsgesetzes folgen, sowie eine dreimonatige Wartezeit für Inkrafttreten der Änderung von Namens- und Geschlechtseinträgen (queer.de berichtete). Obwohl Marco Buschmann mit der Regelung glaubt, den Ausschluss von trans Frauen etwa aus Frauensaunen ermöglichen zu können, widersprach ihm die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz regele dies bereits jetzt – und zwar nicht im Sinne Buschmanns (queer.de berichtete).
Paus bezeichnet Wartezeit als "gute Regelung"
Gegenüber der "taz" bezeichnete Paus die geplante dreimonatige Wartezeit als "gute Regelung". Es habe noch "Diskussionen in der Koalition gegeben", so die Grünen-Politikerin. "Wir haben uns an Luxemburg und Belgien orientiert. Dort gibt es eine dreimonatige Regelung und es ist trotzdem einfach und unbürokratisch." Auf die Frage, warum die Regierung nicht Argentinien folge, wo es keine Wartezeit gebe, deutete die Familienministerin einen Widerstand Buschmanns an: "Unsere Ministerien sind gemeinsam federführend, wir mussten uns auf einen Entwurf einigen. Ich finde aber, diese Einigung ist vertretbar."
Zur Frauensauna-Debatte sagte Paus: "Es wird sich am Hausrecht und der derzeitigen Regelung mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nichts ändern."
Das Selbstbestimmungsgesetz soll das seit 1981 geltende Transsexuellengesetz (TSG) ersetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat Teile des TSG mehrfach als verfassungswidrig eingestuft, etwa weil Zwangssterilisationen, geschlechtsangleichende Operationen und erzwungene Ehescheidungen nötig waren, um den Geschlechtsantrag anzupassen. "Es ist richtig, dass viel Leid produziert worden ist dadurch, dass trans- und intergeschlechtliche Menschen lange als krank gesehen wurden", sagte Paus der "taz".
Künftig sollen trans, inter und nicht binäre Menschen nur noch eine einfache Selbstauskunft beim Standesamt abgeben müssen, wenn sie den Vornamen oder den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ändern wollen. Bisher ist für eine Änderung der Einträge ein entwürdigendes und teures Verfahren mit zwei psychologische Gutachten erforderlich, die selbst bezahlt werden müssen. Dann entscheidet das zuständige Amtsgericht.
Kein Zeitplan für Entschädigungsfonds für TSG-Opfer
Nach den im Juni 2022 veröffentlichten Eckpunkten zum Selbstbestimmungsgesetz ist eine einjährige Sperrfrist nach einer Änderung der Einträge vorgesehen. So sollen Bürger*innen mindestens ein Jahr lang mit den Konsequenzen der Änderung leben müssen. Damit wollen die Koalitionär*innen laut eigener Aussage die Möglichkeiten eines Hin-und-her-Wechselns der Einträge sowie missbräuchlicher Nutzung einschränken (queer.de berichtete).
Außerdem hatten Buschmann und Paus damals die gesundheitlichen Aspekte der Reform der Rechte transgeschlechtlicher Menschen aus dem Gesetz ausgelagert und auf Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verwiesen. Aus dem Gesundheitsministerium hatte es hierzu auf queer.de-Anfrage im März geheißen, dass die Umsetzungsmöglichkeiten derzeit geprüft würden (queer.de berichtete).
Im "taz"-Interview stellte Paus klar, dass der im Koalitionsvertrag der Ampelparteien versprochene Entschädigungsfonds für Opfer des Transsexuellengesetzes im Selbstbestimmungsgesetz "nicht geregelt" werde. Einen Zeitplan für einen solchen Fonds gibt es demnach noch nicht. (mize)













