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Großbritannien
Wie Rishi Sunaks Regierung die Ausgrenzung von trans Personen plant
Mündet die Anti-Trans-Stimmung in Großbritannien bald in Gesetze? Trans Personen könnten vom Antidiskriminierungs-Gesetz ausgenommen, Geschlecht als "biologisches Geschlecht" festgeschrieben werden.

Premierminister Rishi Sunak (Bild: Ministry of Housing, Communities and Local Govt)
- Von Jeja Klein
18. April 2023, 12:11h 4 Min.
Seit Oktober 2022 ist Rishi Sunak britischer Premierminister. Schon vor seiner Niederlage gegen Vorgängerin Liz Truss im Rennen um das Amt hatten LGBTI im Land vor der Queerfeindlichkeit beider Tory-Politiker*innen gezittert. Dadurch, dass Truss nur fünfzig Tage nach Beginn ihrer Amtszeit wieder zurücktrat und den Weg für Sunak frei machte, hat sich aus queerer Perspektive also wenig geändert (queer.de berichtete).
Inzwischen zeigt sich mehr und mehr, dass Sunak und sein Kabinett die Zurückweisung der Rechte transgeschlechtlicher Menschen auch nach der Regierungsbildung als Teil ihrer gesellschaftspolitischen Agenda betreiben. An den Kragen gehen soll es nicht nur der Inkludierung transgeschlechtlicher Menschen im maßgeblichen Antidiskriminierungsgesetz "Equality Act" von 2010. Die Konservativen planen nichts geringeres als die Einführung von Verboten zur Nutzung von geschlechtsspezifischen Räumen wie Toiletten, Umkleidekabinen oder Frauenbereichen in Krankenhäusern.
Gegen den "woken Unsinn"
Angedeutet hatte sich Sunaks Haltung bereits im Wahlkampf, als er transgeschlechtlichen Frauen absprach, Frauen zu sein. Im November, kurz nach Amtseinführung, berichteten britische Medien dann von Sunaks geplanter Revision des Equality Act. Demnach solle sich das Diskriminierungsmerkmal des Geschlechts künftig nur noch auf das "biologische Geschlecht" beziehen.
Noch bevor Sunak Premierminister war, hatte er das von einer Labour-Regierung stammende Gesetz bereits als "trojanisches Pferd" bezeichnet, das "jeder Art von wokem Unsinn" erlaubt hätte, das öffentliche Leben zu prägen. Zudem werde es zum Zweck des "social engineering" benutzt, zu Deutsch etwa zur gezielten Manipulation der Gesellschaft.
Nun sprach Sunak im Interview mit einem konservativen Online-Medium erneut über das Thema. 100 Prozent der Frauen hätten keinen Penis, hieß es da markig. Sunak sei zwar der Auffassung, dass man Mitgefühl, Verständnis und Toleranz gegenüber Menschen haben solle, die ihre Geschlechtsidentität explorierten. Das "biologische Geschlecht" sei für ihn aber "als eine Art von generellem Operationsprinzip" fundamental und überaus wichtig. Darum müsse man sicherstellen, dass Rechte und Räume wie die Frauengesundheitsversorgung, der Frauensport und Frauenräume im Allgemeinen "geschützt" würden.
Trans Frauen ausgrenzen, aber rechtssicher
Im Februar hatte Frauen- und Gleichstellungsministerin Kemi Badenoch die Gleichheits- und Menschenrechtskommission (EHRC) schriftlich um Anweisungen ersucht, diese Agenda umzusetzen. Die Frage: Wie kann man den Ausdruck des Geschlechts für die "effektive Arbeit des Equality Act" aus dem Jahr 2010 "klarstellen"? Gemeint war mit der "effektiven Arbeit" dabei vor allem eine Funktionsweise, die cisgeschlechtlichen Frauen weiterhin besondere Schutzrechte einräumt, ohne transgeschlechtliche Frauen dabei gleichsam zu schützen.
Anfang April antwortete die Kommission und erklärte, dass die Definition von Geschlecht als "biologischem Geschlecht" "große juristische Klarheit bringen" würde, wohingegen sie auf einigen Feldern auch zu juristischer Verunsicherung führen könne. Die Antwort enthält Anweisungen dafür, wie eine solche Reform umgesetzt werden könnte und welche Konsequenzen sich jeweils aus dem Vorgehen ergäben.
In einem aufgeführten Beispiel heißt es etwa, dass Geschäfte transgeschlechtliche Menschen auf die Benutzung neutraler Toiletten oder derjenigen ihres bei Geburt zugewiesenen Geschlechts verweisen könnten. Ein weiteres enthaltenes Beispiel sieht das Verbot für trans Frauen vor, bestimmte Frauensportkurse zu belegen. Geschäfte könnten ihre jeweils eigenen Hausregeln für transgeschlechtliche Kund*innen auch mit bestimmten baulichen Umständen begründen, etwa mit dem Vorhandensein bestimmter Kabinen oder Toilettenräume. Und Gemeindezentren könnten, heißt es weiter, auch Umfragen unter ihren Nutzer*innen durchführen und den Ausschluss aus Toiletten dadurch rechtfertigen, wenn cisgeschlechtliche Personen angäben, ihre Toiletten bei der Inklusion von trans Personen nicht zu nutzen.
Ein*e Sprecher*in der britischen LGBTI-Organisation Stonewall kommentierte die Planspiele zur Exklusion dahingehend, dass die Anweisungen der Kommission mehr Verwirrung stiften dürften statt klarzustellen, wie die im Equality Act vorgesehenen Ausnahmen zugunsten von geschlechtergetrennten Räumen interpretiert werden sollten. "Es klingt danach, als verstoße es gegen die von Inklusion ausgehende Kernannahme des Gesetzes und verschiebt den Focus in Richtung von Begründungen, wie trans Menschen und insbesondere trans Frauen ausgeschlossen werden könnten".
Outingzwang in der Schule
Und auch im Bildungsministerium denkt man sich neue Attacken auf die Rechte transgeschlechtlicher Brit*innen aus. So gibt es Pläne, englische Schulen anzuweisen, ihre Schüler*innen bei ihren Eltern zu outen, wenn die sich in der Schule als trans oder geschlechtlich nonkonform präsentieren. Die Sunday Times etwa zitierte Stimmen aus dem Ministerium, wonach es bereits "Konsequenzen" setzen solle, wenn Jungs Röcke trügen. "Das sind keine neutralen Dinge, die man einfach so tun kann".
Außerdem sollen Regeln für die Nutzung von schulischen Umkleidekabinen und Duschräumen erlassen werden, die transgeschlechtliche Kinder und Jugendliche ausschließen. Nur beim Sport selber solle es "etwas entspannter" zugehen: Die Pläne sehen vor, es transgeschlechtlichen Mädchen "nur" zu verbieten, Kontakt- und Wettkampfsportarten mit anderen Mädchen zu treiben. Vorausgesetzt, sie schaffen es trotz Verbots des Betretens der Umkleide in die Sporthalle.
So oder so dürfte die Einführung und weitergehende Diskussion all dieser Regulierungen vor allem zu einer immer weiter voranschreitenden Stigmatisierung transgeschlechtlicher Menschen führen. Aus der ergibt sich die von vielen Brit*innen nach Jahren der öffentlichen Hatz gewünschte Ausgrenzung dann schon ganz unabhängig davon, welche Gesetze gerade gelten. (jk)
