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Budapest
Ungarns Präsidentin blockiert queerfeindliches Denunziations-Gesetz
Zum allerersten Mal stoppt ein ungarisches Staatsoberhaupt ein Gesetz von Viktor Orban. Die Regierung wollte die Bürger*innen auffordern, Regenbogenfamilien bei den Behörden anzuzeigen, doch Katalin Novak legte ihr Veto ein.

Katalin Novak ist seit 10. Mai 2022 Staatspräsidentin von Ungarn (Bild: IMAGO / CTK Photo)
- 22. April 2023, 13:58h 3 Min.
Die ungarische Staatspräsidentin Katalin Novak hat überraschend ein neues Gesetz abgelehnt, das die Rechte von queeren Menschen weiter einschränkt. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass Bürger*innen lesbische und schwule Paare, die gemeinsam Kinder aufziehen, anonym anzeigen können. Der entsprechende Gesetzestext stehe nicht im Einklang mit EU-Rechtsnormen, die sogenannte Whistleblower (Hinweisgeber*innen) in Institutionen und Unternehmen schützen sollen, schrieb Novak in einem Brief ans Parlament, wie am späten Freitagabend in Budapest bekannt wurde.
Es war dies das erste Mal, dass ein Staatsoberhaupt in der seit 2010 währenden Amtszeit des extrem rechten Ministerpräsidenten Viktor Orban Einspruch gegen ein Gesetz erhoben hat, das für Orbans ultra-konservative Ideologie von großer Bedeutung ist. Novak kommt – ebenso wie ihre Vorgänger seit 2010 – aus der Orban-Partei Fidesz.
Das Parlament muss das Gesetz nun neu verhandeln
Das beanstandete Gesetz hatte die Fidesz-Mehrheit im Parlament in diesem Monat gebilligt (queer.de berichtete). Neben – Kritiker*innen zufolge eher schwachen – Bestimmungen zum Schutz von Bürger*innen, die auf Missstände und Gesetzesverstöße in Institutionen und Unternehmen hinweisen wollen, enthält es auch einen Abschnitt, der es ermöglicht, dass Menschen ihre Mitbürger*innen aus ideologischen Gründen anzeigen können.
Dies kann etwa erfolgen, wenn jemand die in der Verfassung festgeschriebenen traditionellen Geschlechterrollen und Familienideale oder das Recht eines Kinder auf seine "Identität gemäß des bei der Geburt empfangenen Geschlechts" in Zweifel zieht. Insbesondere sollen dem Gesetz zufolge gleichgeschlechtliche Paare anonym angezeigt werden können, die gemeinsam Kinder aufziehen.
Das Veto der Präsidentin bedeutet, dass das Parlament das Gesetz neu verhandeln muss. Grundsätzlich kann es dieses aber auch in unveränderter Fassung neu beschließen, wogegen die Präsidentin dann keine Handhabe mehr hätte.
Immer neue und schärfere Gesetzen gegen LGBTI
Ungarn war einst eines der liberalsten Länder in der Region. Homosexualität wurde bereits Anfang der 1960er Jahre entkriminalisiert, gleichgeschlechtliche Partnerschaften wurden 1996 anerkannt.
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Doch seit 2018 drängt Orban, der sein Land als "christliches Bollwerk" in Europa sieht, mit immer schärferen Gesetzen Freiheiten zurück. Seine Regierung verbot unter anderem den Forschungsbereich Gender Studies, die rechtliche Anerkennung von Geschlechtsanpassungen im Personenstandsregister und die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare. Als frühere Familienministerin hatte die jetzige Präsidentin Novak die queerfeindliche Politik mitverantwortet (queer.de berichtete).
Nach russischem Vorbild wurde 2021 vom ungarischen Parlament zudem ein Gesetz gegen "LGBTI-Propaganda" beschlossen (queer.de berichtete). Es verbietet die Darstellung von queeren Menschen sowie die Berichterstattung über LGBTI-Themen in den Medien und an allen Orten, an denen sich Minderjährige aufhalten könnten, also fast überall. Die Europäische Kommission hat wegen dieses Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, das von 15 EU-Ländern unterstützt wird (queer.de berichtete). (mize/dpa)

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