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Folge 17 von 53

Schwule Symbole im Film: Alltagsgegenstände

Einigen banal wirkenden Alltagsgegenständen wie Uhren, Geld, Schirmen, Fotos und Müll kommt in schwulen Filmen regelmäßig eine große Bedeutung zu. Es wird Zeit, sie näher zu betrachten.


Keine Angst vor dem Regen und Körperflüssigkeiten in "Another Gay Sequel" aus dem Jahr 2008 (Bild: IMAGO / Everett Collection)

Uhren – über die Zeit, die bleibt

Die Uhr kann auf Vergangenheit, auf die Zukunft und auf den Tod verweisen. Symbolisch erinnert die Uhr an den Rhythmus des Lebens, an Tag und Nacht, an die verrinnende Zeit und damit auch an die Zeit, die noch bleibt ("fünf vor zwölf"). Mitternacht spielt eine besondere Rolle, sie ist die Zeit von Überraschungen und geht oft mit einer Wandlung oder Entscheidung einher. Durch eine Uhr wird auch der Tod zum Ausdruck gebracht – für einen Menschen ist dann "die Zeit abgelaufen" und es hat für ihn "die Stunde geschlagen". Stehen gebliebene Uhren sind klassische Todessymbole.

Rückblick auf Vergangenes

Beim Zurückblicken auf frühere Beziehungen kann die Uhr als Inbegriff der bisher gemeinsam verbrachten Zeit inszeniert werden. In "Connected" (2008, 00:45 Min., hier online) und "Plan Perfecto" (2011) symbolisieren die fokussierten Uhren die vergangenen Zeiten schwuler Beziehungen. In "Time will tell" (2006) steht das Thema Zeit sogar deutlich im Mittelpunkt, es geht um das Zurückstellen der Uhren, was dem Wunsch vieler Menschen entspricht, mit den Uhren auch die Zeit zurückdrehen zu können, wie es in dem Lied mit der Zeile "drehen wir die Zeit zurück" in "Sur le départ" (2011) zu hören ist. Mit seiner kaum zu durchdringenden surrealistischen Bildsprache zeigt "Die Nacht aus Blei" (1985, 58:40-1:01:30 Min., hier online) von Petr Weigl nach einem Roman von Hans Henny Jahnn eine Uhr, die über einen Zeitraum von sechs Stunden schnell rückwärts geht. Eine Uhr, die rückwärtsgeht, eine, die sehr schnell vorwärtsgeht, und fünf Uhren mit unterschiedlichen Uhrzeiten stehen in dem Kurzfilm "The Invention" (2013, hier online) in Verbindung mit einer Zeitmaschine, die zwei Männer zusammenführt. In "Timepiece" (= Uhr, 1995) kommen sieben Schwule bei einer Geburtstagsparty zusammen und diskutieren über ihre Erfahrungen im Kontext von Sex und Coming-out. In dem Kurzfilm "The Timepiece" (2019) von Karan Choudhary geht es um die Übernahme historischer Verantwortung und ebenfalls um einen Blick zurück.

Blick auf Zukünftiges

Auf Zukünftiges verweist die fokussierte Uhr, wenn sie für einen Protagonisten Zeit und Rhythmus seines Lebens vorgibt, wie in "The Fluffer" (2001), wo um 9:30 Uhr für den Protagonisten mehrfach eine Entscheidung (z. B. Aufstehen) ansteht. Ein um kurz nach zwölf klingelnder Wecker verweist in dem symbolüberfrachteten Kurzfilm "La clave" (2013, 2:54 Min., hier online) gleich in doppelter Weise auf ein dringend notwendiges Handeln während der als Traum inszenierten (Lebens-)Reise des schwulen Carlos.

In dem Kurzfilm "G O'Clock" (2016) rettet der schwule Sanitäter Alex das Leben eines Mannes nach einer Überdosis Drogen. Alex geht ebenfalls auf Drogen- und Sexpartys und glaubt, aufgrund seines Verhaltens und seines medizinischen Wissens ausreichend vor den Gefahren geschützt zu sein. Aber auch bei ihm stellt sich – über den Inhalt und indirekt über den Filmtitel – die Frage, wie viel Zeit ihm noch bleibt, bis auch er gerettet werden muss.


Die vergangene Zeit in "The Timepiece" (2019) und die zukünftige Zeit in "G O'Clock" (2016)

Mitternacht – ganz besondere schwule Momente

Die Zeit um Mitternacht ist auch in schwulen Filmen etwas ganz Besonderes. Einige Schwule feiern ihren Geburtstag oder Silvester; andere verwandeln sich in Werwölfe. Die Hervorhebung der Mitternacht in Filmtiteln verdeutlicht die emotionale Zugkraft dieser Uhrzeit, wobei auffällt, dass in den Filmen "Midnight Dancers" (1994) und "Midnights with Adam" (2013) die Mitternacht im Film selbst gar nicht als besonderes Thema aufgegriffen wird. Das lässt sich auch bei den erfolgreichen Filmen "Midnight Cowboys" (1969, aka "Asphalt-Cowboy") und "Midnight Express" (1978, aka "12 Uhr nachts. Midnight Express") mit ihren schwulen Nebenhandlungen beobachten.


Mitternacht und die "Midnight Dancers" (1994)

In dem Film "Oberst Redl" (1985) wird auf dem Maskenball ausgerufen: "Es ist Mitternacht. Alle Masken fallen." Diese Szene mag auch im Kontext der Filmhandlung banal wirken, ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass diese Masken (Folge 13) mit Bezug auf den homosexuellen Oberst Redl als Symbol der Tarnung inszeniert sind und das Fallen der Masken eigentlich einer Demaskierung gleichkommen müsste.

Handlungen um Mitternacht spielen in Filmen meistens auf Geburtstags- oder Silvesterfeiern: Es ist Silvester, als zu Beginn des Films "Coming Out" (DDR, 1989) Matthias versucht, sich das Leben zu nehmen, und es ist ebenfalls Mitternacht, als er Philipp in einer Schwulenkneipe kennen und später lieben lernt. Die in "Birthday Time" (2000) mehrfach fokussierte Uhr veranschaulicht, wie dem nun 18-Jährigen die Zeit davonläuft. Auch in "Wildwechsel" (2013) leitet die Mitternacht Antons Geburtstag ein und bringt für ihn emotional vieles in Bewegung. Um Mitternacht kann vieles passieren: In "Peter's Friends" (1992) hat Peter (D: Stephen Fry) zu Silvester ein Klassentreffen organisiert und teilt seinen ehemaligen Klassenkameraden mit, dass er HIV-positiv ist. Es gibt aber auch immer einen Grund zu feiern: Am Ende von "Shared Rooms" (2016) feiert man das neue Jahr mit einem neuen Freund und mit dem Ende des alten Jahres endet auch der Film.

Die Uhr als Todessymbol

Die bedeutendste Uhr als Todessymbol ist vermutlich die Sanduhr in Luchino Viscontis "Tod in Venedig" (1971) nach der Novelle von Thomas Mann. Im Angesicht der Sanduhr in seinem Hotelzimmer äußert sich Gustav Aschenbach zum Sand und indirekt zur Lebenszeit: "Nur ganz zuletzt scheint's schnell zu gehen." Es ist ein Filmzitat, das in Wikipedia mit dem entsprechenden Zitat aus der Novelle verglichen wird, was seine besondere Bedeutung unterstreicht. Unter den Uhren haben Sanduhren als Symbol der Vergänglichkeit eine besondere Tradition.


Die Sanduhr als Todessymbol in "Tod in Venedig" (1971)

In "Una última voluntad" (2000, 1:00 Min., hier online) verweist die in Nahaufnahme gezeigte Uhr auf die Exekution eines Mannes, der kurz zuvor noch einen Kuss bekommt. Die Zuschauenden ahnen, was es bedeutet, als der ältere "James" (2012, 5:05 Min., hier online) nicht mehr auf seinen klingelnden Wecker reagiert. Wie die Motive Laub und Friedhof ist auch die fokussierte Uhr in Remy Schepers' "Blue" (2007) ein Todessymbol. Aarons oft fokussierte Taschenuhr in "Latter Days" (2003) ist für Christian eine zärtlich umhegte Erinnerung, als er von Aarons (vermeintlichem) Tod erfährt. In "A Single Man" (2009) werden mit Bezug auf den schwulen Professor George Falconer rund zehn Mal Uhren fokussiert. Am Ende des Films stirbt er und die Uhr aus dem Off hört auf zu ticken. Eine Sanduhr bringt, wie in "Undetectable" (2015, hier Trailer), zum Ausdruck, wie schnell die Zeit wie Sand zwischen den Fingern verrinnen kann, und wird in diesem Film, in Verbindung mit anderen Todessymbolen wie der Wüste, auf die tödlichen Folgen von Aids bezogen. In diesen Filmen wird die Uhr zum Inbegriff von dem, was viele Menschen bewegt: Sie ist Ausdruck der Zeit, die bleibt.


Die Sanduhr und die Wüste als Todessymbole in "Undetectable" (2015)

Von schlechtem Sex und schlechtem Zeitgefühl

Vielleicht sind noch Hinweise auf weitere Filmszenen interessant, auch wenn diese nicht unbedingt eine symbolische Bedeutung haben: So ist die Uhr im gerade erwähnten Film "Latter Days" (2003) nicht nur ein Todessymbol: Als Geschenk aus Urgroßvaters Besitz verweist sie auf Aarons konservativ-familiäre Bindungen; ein eingravierter Spruch über die Liebe wird auf die Liebe zu Christian übertragen und – ganz banal – zeigt die Uhr auch an, dass beide Männer zweieinhalb Stunden lang Sex hatten. Ted in der US-Serie "Queer as Folk" (Folge 1/6) hat schlechten Sex mit einem Mann und guckt dabei regelmäßig auf drei verschiedene Uhren, von denen man eine im Hintergrund sogar ticken hört. Die Uhren bringen damit dramaturgisch gut zum Ausdruck, wie langsam die Zeit vergehen kann. In der Folge "Verdorben" der Krimi-Serie "Criminal Minds" (Folge 8/15) bleibt zunächst unklar, warum der Täter die Uhren seiner schwulen Mordopfer immer auf 18:22 Uhr stellt. Später stellt sich heraus, dass er damit auf die homophobe Bibelstelle Leviticus 18, 22 aufmerksam machen will, wonach man nicht bei einem Manne liegen soll wie bei einer Frau.


Über schlechten Sex und langsam vergehende Zeit: "Queer as Folk" (Folge 1/6)

Pornos und die zeitlose Liebe

Uhren haben in Pornos eine symbolische Bedeutung, wenn sie als Sinnbilder für eine zeitlose Liebe ("Ageless Lovers") und als Inbegriff der Strukturierung des Arbeitsalltags ("Working Stifts") abgebildet sind. Auf einem anderen Cover verweist die Sanduhr eindrucksvoll auf die zerronnene Zeit ("Sands of Time"). Eine Sanduhr ist auch auf dem Cover eines Pornos zu sehen, der mit "Gays of our lives. Like sands through the hourglass" den beabsichtigten symbolischen Kontext im Untertitel sogar explizit hervorhebt.

Einige schwule Pornotitel beinhalten einfache Wortspiele, z. B. unter Verwendung der Ähnlichkeit der Worte "clock" und "cock" ("Cock Alarm", "Alarm Cock", "Punch the Cock"), bzw. sind eine Referenz auf den Erfolgshit "Rock Around the Clock" von 1954 ("Sex around the Clock", "Cock around the Clock").


Schwule Kontakte zerrinnen wie Sand in der Sanduhr: "Sands of Time" und "Gays of our Lives"

Geld – wenn Männer auf dicke Hose machen

Geld ist nicht nur ein Symbol seines Gegenwertes, sondern auch ein Symbol von Macht. Es ist ein Mittel zur Bewertung und zur Selbstwertsteigerung von Menschen; es bedeutet Wert und Wertschätzung. Geld ist wie Sexualität präsent und tabuisiert – man spricht nur selten offen darüber. Wer auf "dicke Hose" macht, verbindet Geld manchmal mit Potenz. Geld entfaltet eine enorme Dynamik und für Geld wird nicht nur gearbeitet, sondern auch geliebt und gemordet. Gerade weil auf Geld so viele Wünsche und Sehnsüchte projiziert werden, ist es ebenso rational wie mystisch.

Geld – sichtbarer Ausdruck von Erpressung

Geld wird meistens in negativen Zusammenhängen thematisiert, wie in Rainer Werner Fassbinders "Faustrecht der Freiheit" (1975), worin ein Lottogewinn von 500.000 Mark die gesamte weitere Handlung, einschließlich der falschen schwulen Freunde, bestimmt. Es sind vor allem Geldscheine, die in "Anders als die Andern" (1919) die Erpressung verdeutlichen, und es sind Geldmünzen, die in "Pasolinis tolldreiste Geschichten" (1972; 29:10 Min., hier online) vermitteln, wie sich ein Homosexueller im Mittelalter bei der katholischen Kirche freikauft, um nicht wie ein anderer auf einem Scheiterhaufen verbrannt zu werden.

Geld – sichtbarer Ausdruck von Prostitution


Geldscheine-Motiv als Ausdruck von Prostitution in "Twisted" (1996)

Geldscheine eignen sich als Symbol besonders gut, um Prostitution deutlich zu machen. In einigen Filmen sind Geldscheine sogar das einzige Zeichen, das die Prostitution überhaupt erkennbar macht, wie in "Unter der Treppe" (1969), "Katzelmacher" (1969, Szene, in der Paul von Klaus Geld zugesteckt bekommt), "The Fruit Machine" (1988), "Safe Journey" (2002), "The gay bed and breakfast of terror" (2007), "Ich, Tomek" (2009), "306" (2010), "Chapo" (2012) und "Tonight It's Me" (2014).

Eine besondere Bedeutung ist erkennbar, wenn das Geld bereits im Filmtitel auftaucht wie in "Moneyboys" (2021) oder im Kurzfilm "$ 30" (1999), wo der Vater seinen schwulen Sohn zu einer Prostituierten schickt. Der Film "Twisted" (1996) wird mit dem Motiv von Geldscheinen beworben. Es ist bezeichnend, dass vom Geld eigene Begriffe abgeleitet werden. Der "Moneyshot" bezeichnet in der Pornobranche wie in "The Fluffer" (2001) die bei der Vermarktung wichtige Szene des männlichen Orgasmus. In "Garden – Stricher in Tel Aviv" (2003) heißt es desillusioniert: "Dein Freund ist dein Geldbeutel."

Geldscheine im Schritt und im Po

Es ist ein Bild ohne symbolische Bedeutung, wenn in die Unterhosen von Go-go-Tänzern wie in "Trick" (1999), "Another Gay Movie" (2006) und "Go go Reject" (2010) Geldscheine gesteckt werden, auch wenn solche Szenen den Zusammenhang von Geld mit Sex gut veranschaulichen. In seltenen Fällen können die platzierten Geldscheine auch als Phallus-Symbole wahrgenommen werden, wie beim Stricher Selim in "Ein Sohn" (2003), der sich seine Geldbündel ausbeulend vorne in seine Unterhose steckt, oder bei dem Stripper in "Verde verde" (2012), dem die Geldscheine zwischen seine Pobacken gesteckt werden.

Der Kreislauf des Geldes und des Lebens

In "10 Pesos" (2003) wechselt ein Geldschein mehrfach den Besitzer, weil man sich ein Getränk kauft, einen jungen Mann "kauft" und sich von der Polizei freikauft. Diese Wechsel können symbolischer Ausdruck für den allgemeinen Geldkreislauf oder für den Kreislauf des Lebens sein. Ein Geldschein, der im Kontext von Prostitution in "Cityboy" (2014) mehrfach den Besitzer wechselt, ist eine dezente Anspielung darauf, dass man sich nicht alles kaufen kann bzw. kaufen muss. In "Caught Looking" (1991) bezahlt ein Mann dafür, beim Sex zuzusehen – und bekommt danach sein Geld wieder zurück. Die Bedeutung liegt nicht im Kreislauf des Geldes oder darin, Geld gespart zu haben, sondern ist Ausdruck davon, dass der, der beobachtet wurde, dies ebenfalls genossen hat.

Geld-Metaphern – jemandem etwas zurückzahlen

Es gibt viele Geld-Metaphern wie "in Geld schwimmen", "auf seinem Geld sitzen" oder die "Last des Geldes". In dem später verfilmten Theaterstück "Fortune and Men's Eyes" betont Smitty mehrfach "I'm going to pay them back" (s. Drewey Wayne Gunn: "For the Gay Stage", 2017, S. 43), womit über Geld eine offene Rechnung ausgedrückt wird. Weltberühmt ist das Lied: "Money makes the world go round" aus dem Film "Cabaret" (1972, hier Szene online), gesungen im Duett von Sally Bowles (D: Liza Minnelli) und einem namenlosen schwulen Conférencier mit der Bedeutung von "Geld regiert die Welt".

Visualisierte Geld-Metaphern – Geldregen oder Geld zerrinnt

Einige Filme setzen sprichwörtliche Redewendungen mit Bezug auf Geld in eine Bildsprache um: Ein Film über den gemeinsamen Überfall eines schwulen Paares auf einen Geldtransporter heißt "Burnt Money" (2000), was sich auf die Redewendung "to have money to burn" im Sinne von "Geld wie Heu haben" bezieht.

Auf dem Cover von "200 American" (2003) wirken die Dollar-Scheine wie ein warmer Geldregen, der über einem Stricher von oben herabregnet. In "Clancy's Kitchen" (1997) zeigt eine Szene, wie Geld unter den Fingern zerrinnt. Etwas bizarr wirkt eine Szene in "Caravaggio" (1986), in der der gleichnamige Künstler sein Modell Ranuccio mit Geldmünzen "füttert".


Geld zum Verbrennen bzw. Geld wie Heu in "Burnt Money" (2000)

Geldkarte als Phallus

"Der große Zauber, den Geldautomaten […] ausstrahlen, hat seinen Grund in dem Drang, öffentlich etwas in eine Spalte zu stecken" (Jean Boullet: "Erotische Symbole". In: "Die Erotik im 20. Jahrhundert", herausgegeben von Lo Duca, 1967, S. 386). Zu diesem Zitat passt eine Filmszene aus der US-Serie "Die Simpsons" (Folge 15/4): Sie zeigt den schwulen Smithers beim Einführen der Geldkarte seines geliebten Mr. Burns in einen Geldautomaten, wobei aufgrund des Verhältnisses der beiden Männer, der Nahansicht ihrer Hände und vor allem in der sprachlichen Hervorhebung ("Ach Smithers, führen Sie mich ein") die Geldkarte tatsächlich ein Phallussymbol ist. Dagegen hat bei der stolz präsentierten Visa-Karte in Regenbogenfarben in "Formula 17" (2004) wohl nur der Regenbogen eine symbolische Bedeutung. Bei "Smokers only" (2001) wurde die Szene, in der Andrés mit seinem Freier an einem Geldautomaten Sex hat, für das Filmposter verwendet, offenbar weil der Geldautomat leicht mit Prostitution assoziierbar ist.


Zwei unterschiedliche Hände beim Einführen einer Geldkarte ("Die Simpsons", Folge 15/4)

Pornos – Moneyshot und Geldregen

In Schwulenpornos gehören Geldscheine ("Teen Hustler", "Fun for Money") und Dollarzeichen ("HU$TLER$ Club", "$eed Money") auf den Covern zu den üblichen Darstellungen, um auf Prostitution zu verweisen. Manchmal geschieht dies auch durch die Signalfarbe Gold ("Money", "Show me the Money").

Geldscheine in die Hose zu stecken ("Bareback Cum Sluts 2", "Zeig mir dein Geld", "Raw Tricks 2", "Twinks for Cash 5") ist zunächst eine übliche Aktion bei Go-go-Tänzern. Der Porno "Zeig mir dein Geld!" verweist auf seinem Cover – mit einer geöffneten Hose, in der Geldscheine stecken – weitergehender auf die Gleichsetzung des Genitals mit phallisch konnotiertem Geld. Der Porno "Ryker's Moneyshot" zeigt das Regnen von Geld als Ausdruck für Reichtum und bezieht sich mit dem "Moneyshot" (auch als "Cumshot" bekannt) auf die Nahaufnahme der Ejakulation, die in Pornos eine ikonische Bedeutung hat.


Geldscheine in "Fun for Money"; ein Moneyshot (= Orgasmus) und ein Geldregen (= Reichtum) auf dem Cover von "Ryker's Moneyshot"

Schirme – das Recht, beschützt zu werden

Die Psychoanalyse sieht zwar im Schirm auch ein Phallussymbol, wobei er in dieser Bedeutung in Filmen aber kaum relevant zu sein scheint. Das ist u. a. daran zu erkennen, dass Schirme in Filmen meistens aufgespannt sind und in dieser Form auf ihre Schutzfunktion verweisen. In dieser häufig verwendeten Form hat der Regenschirm, ähnlich wie das Dach eines Hauses, die symbolische Bedeutung des Beschützens und Abschirmens, wobei sich dieser Schutz auch auf Gefühle oder negative Einflüsse durch Krankheit oder Missbrauch beziehen kann.

Regenschirm – Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten

In dem Aids-Drama "Abschiedsblicke" (1986) wird mehrfach darauf verwiesen, wie menschlich es sein kann, bei guten Freunden einfach mal seinen Regenschirm zu vergessen. Diese banal wirkenden Szenen machen dramaturgisch nur Sinn, wenn der Regenschirm symbolisch für ein Kondom und damit für den Schutz vor einer HIV-Infizierung steht. Den Schirm in seiner symbolischen Bedeutung als Kondom greift deutlicher der Film "Another Gay Sequel" (2008) auf, in dem ein Schwuler wegen seines Regenschirms keinerlei Angst vor dem Regen hat. In ähnlicher symbolischer Bedeutung ist in Rosa von Praunheims "Ein Virus kennt keine Moral" (1986) eine Regenkappe als Präventions-Symbol zu erkennen.

Es gibt in "Pink Narcissus" (1971) eine recht surreale Szene: Ein nackter Mann auf der Straße hat ein Kondom übergestülpt und trägt einen aufgespannten Regenschirm, was offenbar miteinander zusammenhängt. Diese Szene kann sich zwar, wegen des Produktionsjahrs 1971, nicht auf HIV/Aids, aber auf jede andere sexuell übertragbare Krankheit beziehen.

Regenschirm – Schutz vor Missbrauch in der Kirche


Kinder gehören beschirmt – wie in "Pianese Nunzio" (1996)

Der Regenschirm kann sich als Symbol auf den Schutz vor sexuellem Missbrauch beziehen. Der Film "Pianese Nunzio" (1996) handelt von sexuellem Missbrauch, wird mit dem Motiv eines Regenschirms über einem Kind beworben und vermittelt deutlich, wer geschützt und beschirmt werden muss. Bei der symbolischen Bedeutung kommt es zudem auch darauf an, wer den Regenschirm und damit die Verantwortung trägt. In diesem Fall ist es der missbrauchende Priester selbst, der seinem beruflichen Anspruch des Beschützens nicht gerecht wird.

Schirm – Schutz durch die Kirche


in Schutzschirm der katholischen Kirche in "Eine Mutter names Waldemar" (1982)

In "Eine Mutter names Waldemar" (1982) will Waldemar (D: Werner Röglin) seinen Lebenspartner heiraten und mit ihm Kinder adoptieren. Man kann darüber streiten, ob das im Film ernst gemeint ist oder ob Schwule damit nur durch den Kakao gezogen werden. Man kann sich aber nicht darüber streiten, wie das Plakat zu diesem Film gemeint ist. Beide Männer sitzen in einem Kinderwagen und in ihrem aufgespannten "Schutzschirm" ist ein Geistlicher zu erkennen, der in der Zeitung die Schlagzeile liest: "Auch Männer können Kinder kriegen".

Schirme – "niemanden im Regen stehen lassen"

In einer Szene in der US-Serie "Queer as Folk" (Folge 1/19) sind Brian und Michael auf der Beerdigung von Brians Vater, es regnet und sie teilen sich einen Regenschirm. Diese Szene vermittelt ein Gefühl von gegenseitiger freundschaftlicher Fürsorge und ist vermutlich auf dieses Gefühl hin inszeniert worden. Auch auf dem Filmposter von "Breakfast on Pluto" (2005) sieht man – sehr präsent in Szene gesetzt – einen aufgespannten Regenschirm. Es geht um einen schwulen "Transvestiten" in den Siebzigerjahren, der sich trotz schwieriger gesellschaftlicher Situation vor Anfeindungen zu schützen weiß. Der pinke Regenschirm, als Zeichen von Selbstbewusstsein, ist farblich viel zu dominant inszeniert, um keine Bedeutung zu haben. In eine ähnliche Richtung geht der Film "Viva" (2015), in dem der homo­sexuelle Jesus für eine Dragqueen-Show arbeitet und auch selber einmal als Viva auf der Bühne stehen möchte. Bis dahin wird er u. a. bei persönlichen Niederlagen mit einem Schirm im Regen gezeigt.

Drei Frauen mit Regenschirmen fassen am Ende von "Is it a sin?" (2012, 12:30 Min., hier online) die Botschaft dieses Kurzfilms mit dem Satz "Wir lassen dich nicht im Regen stehen" zusammen, was dem Zweck dient, Suizide von Schwulen zu verhindern. Das mag didaktisch plump und wie ein billiges Wortspiel daherkommen; es bringt aber die Bedeutung von Regenschirmen gut auf den Punkt – die Möglichkeit und das Recht, in schwierigen Zeiten von anderen beschützt zu werden.


Präsenter lässt sich ein Regenschirm kaum in Szene setzen: Szene aus "Breakfast on Pluto" (2005)

Pornos – Sonnenschirm mit Ständer

Es ist selten, dass auf dem DVD-Cover eines Pornos ein Schirm zu sehen ist. In dem Porno "Nightwalk" ist der Regenschirm vielleicht nicht mehr als eine Referenz auf Gene Kelly aus "Singin' in the Rain" (1952). Auf dem Cover von "The best of Blake Harper" spielt der genannte Darsteller zufällig anmutend mit der Stange eines großen Sonnenschirms, der in der Form, wie er von ihm in der Hand gehalten wird, während er selber gerade einen Ständer hat, mit etwas Phantasie als Phallus wahrgenommen werden kann.


Ein DVD-Cover mit zwei Ständern: "The best of Blake Harper" (Ausschnitt mit einem Ständer)

Fotos – idealisierte Erinnerung mit Eigenleben

Fotos von geliebten Menschen sind emotional aufgeladen und werden zu Hause oder am Arbeitsplatz stolz aufgestellt bzw. im Portemonnaie mitgeführt. Sie zeigen das, was die Menschen am liebsten für immer festhalten und aufbewahren möchten. Die Bilder sind zwar Ausdruck tatsächlicher Erlebnisse, aber durch die Auswahl vor allem eine idealisierte Erinnerung, die auch widerspiegelt, wie sich Menschen ihr eigenes Bild vom Leben machen. In Filmen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, Fotos zum Leben zu erwecken.

Fotos zeigen die Geschichte von Schwulen

Fotos sind in Filmen omnipräsent und stehen, wenn es Porträtfotos sind, stellvertretend für die Abgebildeten. Einer der Aspekte, die Fotos vermitteln, ist der von Geschichte, von dem, was war und jetzt als fotografische Erinnerung festgehalten ist, wie in der Doku "Detlef. 60 Jahre schwul" (2012) über den Schwulenaktivisten Detlef Stoffel. Sie knüpft durch den Titel und die Fotos auf dem DVD-Cover an schwule Geschichte an, die auch in Bildern erzählt wird.

In der US-Serie "Queer as Folk" werden bei dem schwulen Brian sowohl sein Verhältnis zu seinem Vater als auch seine eigene Vaterschaft thematisiert. Ein Familienfoto von Brians Vater mit ihm als Kind wird mit einer Filmszene mit Brian und seinem Sohn parallelisiert (Folge 1/15).

Fotos zeigen die Herkunftsfamilie

In der Doku "For the Bible tells me so" (2007) werden fünf christliche Familien mit schwulen bzw. lesbischen Kindern porträtiert und es wird aufgezeigt, wie die religiöse Rechte in den USA LSBT stigmatisiert. Das historische Familienfoto, mit dem dieser Film beworben wird, zeigt eine typische konservativ wirkende US-Familie und lässt die Schwierigkeiten eines Coming-outs in einer derartigen Familie nur allzu gut erahnen. In "Michael, a gay son" (1980) vermitteln viele Fotos nicht nur einzelne Momente, sondern Michaels gesamte Entwicklung. Meistens beinhaltet der Kontext, in dem in schwulen Filmen die Fotos der Herkunftsfamilie gezeigt werden, keinen Vorwurf und keine Kritik, sondern verdeutlicht, wie wichtig eine gute Herkunftsfamilie im Leben ist, wie die Familienfotos in "Into the night" (2002), "Mein Bruder Leo" (2002), "Boy culture" (2006), "From Beginning to End" (2009), "Love Trip" (2009) und "Beginners" (2010).


Schwule Geschichte und Geschichten in "Detlef. 60 Jahre schwul" (2012) und die konservative Herkunftsfamilie in "For the Bible tells me so" (2007)

Fotos zeigen Regenbogen­familien

Fotos zeigen in Filmen auch die von Schwulen geschaffenen Wahlfamilien, wie den geliebten Lebenspartner in "Roleplay" (2011) und "Elicriso" (2013). Einige Filme wie "Patrik 1,5" (2008), "A Family Portrait" (2011), "Coming Out Straight" (2013), "The Baby Cries" (2013) und die Serie "Modern Family" (2009-2020) werden mit dem Motiv einer schwulen Wahlfamilie in einem Bilderrahmen beworben, die auf diese Weise vermittelt, dass auch Regenbogen­familien Familien sind.


Das Foto einer Regenbogen­familie in einem Bilderrahmen: "Patrik 1,5" (2008)

Polaroid-Fotos – spontan und vergänglich

Während herkömmliche Fotos in Bilderrahmen langfristige soziale Kontakte zum Ausdruck bringen können, eignen sich Polaroid-Fotos, die weniger lange haltbar sind und die man an einem breiteren Rand an der unteren Seite erkennt, gut für die Darstellung flüchtiger Kontakte und spontaner Erlebnisse. In Filmen werden sie meistens nicht aufgehängt, sondern flüchtig hingeworfen und greifen meistens Aspekte wie Spontaneität und Vergänglichkeit auf.

Als Beispiel dafür können die schwulen Filme dienen, die mit dem Motiv von Polaroid-Fotos auch beworben werden: In "Peter's Friends" (1992) werden bei einem Klassentreffen Erinnerungen aus der Schulzeit ausgetauscht, in Peter Kerns "Knutschen, kuscheln, jubilieren" (1998) geht es um die Geschichte von fünf älteren Schwulen und ihre Erlebnisse in Venedig und der Film "Crush" (2009) wird mit 16 Polaroid-Fotos beworben, die vier verschiedene Geschichten erzählen. In "Watch Out" (2008) geht es um die Fotos des schwulen Narzissten Jonathan, der sich mit seinen selbst gemachten Fotos in sein Bett legt, wobei die Polaroid-Fotos unterstreichen, dass auch seine Schönheit vergänglich ist. Beachtenswert ist auch die Inszenierung von Polaroid-Fotos als Zeichen der Vergänglichkeit von Schönheit von Bruce LaBruce in seinem Film "Saint-Narcisse" (2020, hier Trailer online).


Schönheit und Polaroid-Fotos sind vergänglich – wie in "Watch Out" (2008)

Fotos schauen dich an

Fotos können den Betrachtenden das Gefühl geben, von den darauf abgebildeten Menschen beobachtet zu werden. Mit dem Motiv auf dem DVD-Cover von "Coming Out mit Hindernissen" (aka "Times have been better", 2006) wird – durchaus gekonnt – suggeriert, dass die Eltern aus einem Familienfoto heraus ihr Entsetzen über den schwulen Sohn äußern.

Gleichermaßen unkonventionell, unterhaltsam und schwulenpolitisch reflektiert ist der Umgang mit Fotos in "La mirada de las fotos" (= Das Aussehen der Fotos, 2010): Zunächst wird ein Foto umgedreht, weil es einen Mann beim Sex mit seinem Freund stört. Darauf aufbauend haben beide Männer später bewusst Sex vor aufgehängten Fotos, die u. a. Adolf Hitler und den Papst zeigen. Schwuler Sex im Angesicht von homophoben Mächtigen dieser Welt kann Schwule in dem Mut schulen, ihre Art zu lieben zu verteidigen.


Wird man von Fotos beobachtet? "Times have been better" (2006)

Bilder leben

Ein Regisseur hat viele Möglichkeiten, Fotos zum Leben zu erwecken und sie lebendig erscheinen zu lassen. So werden Fotos nicht nur wie in "Safe Journey" (2002) gestreichelt, sondern sie werden auch wie in "A Siren in the Dark" (2009) und "Dear Dad, Love Maria" (2009) plötzlich lebendig. In "El mueble de las fotos" (2009) will sich ein schwules Paar einen Platz auf Familienfotos sichern. Eine Szene zeigt zwei Fotos, die – nebeneinandergestellt – das Bild eines schwulen Paars ergeben. So sind die beiden Männer – wenn auch nicht auf einem Foto, sondern auf zwei Fotos – miteinander verbunden.

Fotos in kleinen "Schatzkisten" zeigen nicht nur deren individuelle Bedeutung auf, sondern verweisen auch auf ein behütetes "Geheimnis", wie in "Felix" (2000) und "Después del invierno" (2013).


Zwei Bilder nebeneinander ergeben ein Paar – in "El mueble de las fotos" (2009)

Bilder leiden

In einigen Filmen nehmen Bilder – stellvertretend für die darauf abgebildeten Menschen – Schaden. So lässt sich die Zerstörung eines Bilderrahmens, als Ergebnis eines Unfalls oder einer Auseinandersetzung, auch auf die Protagonisten übertragen, wie die Scherben in "Closing Numbers" (1993), "Der gute Hirte" (2006), "Chapo" (2012) und "Hermanos" (2012). Bilderrahmen fallen um oder werden umgeworfen wie in "Just" (2007), "House of Usher" (2008) und "Eating Out 4" (2011). Fotos werden zerrissen wie in "Umleitung ins Glück" (2007), "I Quit" (2009) und "Love, 100 °C" (2010), mit Blut bespritzt wie in "Sitcom" (1998) oder verbrannt wie in "The Fluffer" (2001) und "Mismatched" (2009). All die heftigen Emotionen und Umwälzungen im Leben spiegeln sich auf diese Weise im Umgang mit den Bildern wider.


Ein Schwuler soll brennen in "The Fluffer" (2001)

Pornos zum Thema

Auch in manchen Schwulenpornos wird schon auf dem Cover graphisch mit Fotos gearbeitet, bei denen es sich oft um Polaroid-Fotos handelt ("Hug Shoots", "Boys will do Boys"). Es gibt auch Fahndungsfotos als Inbegriff polizeilicher Verfolgung ("Mug shots") und Fotos, die die Aspekte Geschichte und Erinnerungen aufgreifen ("Nasty School Memories", "The best of times").

Es mag irritieren, dass wie Familienfotos eingerahmte Fotos auch in Pornos als Inbegriff von "Familie" zu finden sind. Dabei werden Phantasien von sexuellen Beziehungen innerhalb einer Familie aufgegriffen und ebenfalls mit dem Motiv eines Bilderrahmens verbunden, wie in "One Big Horny Family" und der Pornofilmreihe "Family Dick".

Bilderrahmen können dem Betrachter das Gefühl anspruchsvoller bildender Kunst vermitteln. Ein Porno trägt den Titel "Exhibition. Man as living art". Auf dem Cover von "Knight Gallery" 1 und 2 hält ein nackter Mann einen Rahmen so in seinen Händen fest, als wäre er selber damit eingerahmt. Die Anspielungen auf Kunstausstellungen und Galerien lassen sich als künstlerische Sublimierung von schwulen Sex oder als ironisch-humoristische Spielerei verstehen.


Ein "Familienfoto" mit Rahmen in "One Big Horny Family" und ein Schwuler, der aus dem Rahmen fällt, in "Knight Gallery"

Müll und Schmutz – schmutzige Begierden

Früher wurden Schriften, die als moralisch verwerflich betrachtet wurden, als "Schmutz- und Schundschriften" bezeichnet. Müll und Schmutz sind vielfältige Symbole, die u. a. auf Minderwertigkeitsgefühle und kritikfähiges und manchmal sexuelles Verhalten verweisen können und in Begriffen wie "dirty old man" ihren Ausdruck finden. Mit dieser Symbolik lassen sich auch gesellschaftliche Außenseiter*­innen darstellen, die von der Gesellschaft wie Müll behandelt werden und mit denen sich niemand beschäftigen will.

Schwule werden wie Dreck behandelt

Die homophoben Männer in einer Folge der Serie "21 Jump Street" (Folge 2/8) verprügeln Schwule und sprechen davon, dass sie die "dreckigen Straßen ausfegen" möchten. Manchmal werden Schwule in Filmen aber nicht nur in einem übertragenen und sprichwörtlichen Sinne wie Dreck und Müll behandelt: In dem Kriminalfilm "Perrak" (1970) mit Horst Tappert wird im Müll die Leiche einer trans* Person gefunden und in "Kuss der Spinnenfrau" (1984) Molinas Leiche. Der unbekannte Schwule, der in "Queer as Folk" tot in einer Mülltonne gefunden wird (2/10), wird auch der "Junge aus dem Müll" genannt (Folge 3/11). In der Serie "The Mentalist" (Folge 4/21) gibt ein Täter offen zu, dass er einen Schwulen einige Stunden lang im Müllcontainer "schmoren" ließ. Dem Opfer erging es wie dem schwulen Niklas, der in "Kein Freund fürs Leben" (2015, 11:15 Min., hier online) aus seiner Schulzeit Ähnliches berichtet.

Es gibt einen Film, der eine solche Müll-Symbolik offenbar ins Positive dreht: In "Abschiedsblicke" (1986) liebt Michael nicht nur seinen HIV-kranken Freund Nick, sondern auch Sperrmüll, um den sich ansonsten niemand kümmert, während der durch die Folgen von Aids ziemlich kaputte Nick kaputte Fernseher sammelt, die andere schon längst auf den Müll geworfen hätten.

Schmutz, der auf schmutzigen Sex verweist

Der Fleck, den Scudder auf dem Boden des Schlafzimmers von "Maurice" (1987) hinterlässt, wirkt im Film wie eine banale Verschmutzung, um die sich der Diener gleich kümmern wird. Die gleichnamige Romanvorlage von E. M. Forster ("Maurice", hier zitiert nach der deutschen Reclam-Ausgabe 1988) verdeutlicht jedoch, dass dieser Schmutzfleck (S. 188) in Verbindung mit dem sexuell "Schmutzigen" gesehen werden muss (S. 106,148, 194), was Maurice auch mit seinem Therapeuten bespricht. Das "Schmutzige" muss sich in diesem Film nicht unbedingt auf Analverkehr beziehen. Deutlich hierauf bezieht sich jedoch die Äußerung des Vergewaltigers DJ Adrian in "Descent" (2007), der sein Vergewaltigungsopfer Jared mit der Äußerung, dass er sich "schmutzig" gemacht habe, anschließend noch verhöhnt.

Schwule Müllmänner

Von zentraler Bedeutung ist Müll in zwei Filmen, in denen die schwulen Protagonisten ihren Lebensunterhalt mit Müll verdienen. In "Je t'aime moi non plus" (1976) hat der Müllmann Krassky (D: Joe Dallesandro) zwar einen jüngeren Liebhaber, verliebt sich auf der Durchreise aber in die recht "männlich" wirkende Johnny (D: Jane Birkin) und es kommt dazu, dass beide auf der dreckigen Ladefläche seines Müllwagens anal verkehren. In "O Fantasma" (2000) arbeitet Sergio nachts als Müllsammler in Lissabon. Der Film zeigt einige seiner sexuellen Kontaktversuche und endet in surrealen und verstörenden Szenen, in denen er einsam eine Müllhalde durchstreift.

Diese Filme haben mich daran erinnert, dass der Anglist Jody Skinner in seiner Arbeit "Bezeichnungen für das Homo­sexuelle im Deutschen" (1999, 2. Bd.) auch auf Ausdrücke wie "Müllabfuhr" für Analverkehr und "Müllschlucker" für Rimming verweist (beide S. 231). Es bleibt allerdings schwierig, zwischen diesen seltenen deutschen Ausdrücken und diesen nicht-deutschen Filmproduktionen einen Zusammenhang herzuleiten.

Schmutz als Metapher

Oft bezieht sich "schmutzig" nicht auf realen Schmutz, sondern wird als Metapher verwendet und kann, ähnlich wie "dirty" in den USA, auch eine sexuelle Bedeutung im Sinne von versaut und unanständig haben. Manchmal verweisen schon Filmtitel auf das, was sauber, schmutzig oder dirty ist, wie "Unsere Bar soll sauber bleiben" ("Cheers", Folge 1/16, 1983) mit Bezug auf die schwulen Gäste der Bar. In "Dirty Pictures" (2000) geht es um die kontrovers diskutierten homo­erotischen Fotos von Robert Mapplethorpe, in "Dirty Magazines" (2008) um Schwulenmagazine. In "Tainted" (2012) wird mit dem Titel das von Schwulen gespendete – und möglicherweise HIV-positive – Blut als "unrein" bzw. "verdorben" bezeichnet. "Dirty Love" (2006) deutet assoziativ das vermeintlich "Schmutzige" beim Sex bereits im Titel an. Dass der Titel "Schmutzige Begierden" (2006) tatsächlich nicht negativ gemeint ist, macht schon der Hinweis auf dem DVD-Cover – "die schönsten Begierden sind die schmutzigsten" – deutlich. Alle Titel sollen provozieren, sind aber ironisch gebrochen und in ihrem jeweiligen Kontext nicht homophob.


Sergio durchstreift in "O Fantasma" (2000) eine Müllhalde. Mit "Schmutzige Begierden" (2006) sind "schöne sexuelle Begierden" gemeint

Vor allem in älteren Filmen wird manchmal gegenüber Männern der Vorwurf erhoben, etwas "Schmutziges" gemacht zu haben, womit schwuler Sex gemeint ist. Damit meine ich z. B. den Vorwurf von Maggie (D: Elizabeth Taylor) an ihren Mann Brick (D: Paul Newman), mit seinem Freund Skipper "schmutzige Geschichten" gemacht zu haben ("Die Katze auf dem heißen Blechdach", 1958), oder auch die Beichte über "schmutzige Gedanken" in "If …" (1968). Der Filmhistoriker Vito Russo ("Die schwule Traumfabrik", 1990, S. 112, 113, 115, 153) hat einige Filme vorgestellt, in denen die schwulen Protagonisten ein "schmutziges Geheimnis" haben. Leider haben einige schwule Männer einen Selbsthass verinnerlicht – wie Steven, der in "Criminal Minds" (Folge 3/17, 2008) über sich selbst sagt: "Steven ist schmutzig und abartig."

Pornos – schmutzige Wasser sind tief

In schwulen Pornos ist es meistens die Assoziation von Schmutz mit versautem Sex, die mit dem Signalwort "dirty" oder vergleichbaren Wörtern signalisiert wird ("Dirty Jobs", "Dirty Blonds"; "Hart + dreckig"; "Filthy Fuckers"). Manchmal werden mit "dirty" die sexuellen Inhalte indirekt benannt, etwa als "schmutzige" Geheimnisse ("Dirty Secrets", "Dirty little secrets"), Träume ("Dirty Dreams") und Gespräche ("Dirty Talks").


Schmutzige Jobs und Geheimnisse in "Dirty Jobs" und "Dirty Secrets"

Schmutz als Symbol wird auch durch Bezeichnungen in übertragenem Sinn transportiert. Beispiele sind "white trash", sinngemäß "weißer Abschaum", eine diffamierende Bezeichnung für "weiße" Angehörige der Unterschicht, die in Pornos auch sexualisiert werden können ("White Trash", "Cheap White Trash"), "dirty old man", womit ein älterer Mann mit unlauteren sexuellen Absichten gemeint ist ("Dirty Old Gay Guys"), oder die Redensart "schmutzige Wasser sind tief" ("Dirty Waters"). Mindestens sieben schwule Porno-Labels beziehen sich in diesem übertragenen Sinn auf Schmutz und tragen Namen wie "Dirty Fuckers", "Your Dirty Bastard" und "Keep it Dirty". Gespielt wird hier mit dem Reiz, scheinbar die Grenzen bürgerlichen "Anstands" zu übertreten.

#1 StaffelbergblickAnonym
  • 23.04.2023, 11:27h
  • "In dem Film "Oberst Redl" (1985) wird auf dem Maskenball ausgerufen: "Es ist Mitternacht. Alle Masken fallen." Diese Szene mag auch im Kontext der Filmhandlung banal wirken, ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass diese Masken (Folge 13) mit Bezug auf den homosexuellen Oberst Redl als Symbol der Tarnung inszeniert sind und das Fallen der Masken eigentlich einer Demaskierung gleichkommen müsste."
    Aber ist eine Maske nun nicht eher eine allgemeine, keine spezifische "Verschleierungsmethode"??? Eine der bekanntesten, nicht schwulen Szenen ist die "Maskerade" der "ungarischen Gräfin" in der Fledermaus.
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