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Brief an von der Leyen
Ungarn: EU-Fraktionen fordern Schritte gegen queerfeindliches Gesetz
Ein neues ungarisches Gesetz fordert Bürger*innen dazu auf, homosexuelle Paare, die Kinder aufziehen, anonym anzuzeigen. Die großen Fraktionen im Europaparlament beklagen eine "ernsthafte Bedrohung für die Rechte von LGBTIQ-Personen".

European Parliament / flickr) Symbolbild: Regenbogen vor dem Gebäude des Europäischen Parlaments in Brüssel (Bild:
- 24. April 2023, 07:35h 3 Min.
In einem gemeinsamen Brief haben die großen Fraktionen im Europaparlament die EU-Kommission dazu aufgerufen, gegen ein queerfeindliches Denunziations-Gesetz in Ungarn vorzugehen. In dem Schreiben an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es, jüngste Entwicklungen in Ungarn trügen dazu bei, Grundrechte und Demokratie in dem Land zu verschlechtern.
Der entsprechende ungarische Gesetzestext sieht unter anderem vor, dass Bürger*innen gleichgeschlechtliche Paare, die gemeinsam Kinder aufziehen, anonym anzeigen können (queer.de berichtete). Überraschend hatte Ungarns Staatspräsidentin Katalin Novak das Gesetz am Freitag aber blockiert (queer.de berichtete).
Staatspräsidentin stoppte das Gesetz – vorerst
"Wir sind der Ansicht, dass diese Bestimmungen, sobald sie umgesetzt sind, eine ernsthafte Bedrohung für die Rechte von LGBTIQ-Personen und die Meinungsfreiheit darstellen", hieß es in dem Brief vom Sonntag. Unterzeichnet wurde das Schreiben von den Konservativen, Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken.
Die ungarische Präsidentin Novak hatte ihre Blockade damit begründet, dass der Gesetzestext nicht im Einklang mit EU-Rechtsnormen stehe, die sogenannte Whistleblower (Hinweisgeber*innen) in Institutionen und Unternehmen schützen sollen. Es war das erste Mal, dass ein Staatsoberhaupt in der seit 2010 währenden Amtszeit des extrem rechten Ministerpräsidenten Viktor Orban Einspruch gegen ein Gesetz erhoben hat, das für Orbans ultra-konservative Ideologie von großer Bedeutung ist. Novak kommt – ebenso wie ihre Vorgänger seit 2010 – aus der Orban-Partei Fidesz.
Das Veto der Präsidentin bedeutet, dass das Parlament das Gesetz neu verhandeln muss. Grundsätzlich kann es dieses aber auch in unveränderter Fassung neu beschließen, wogegen die Präsidentin dann keine Handhabe mehr hätte.
Immer neue und schärfere Gesetzen gegen LGBTI
Ungarn war einst eines der liberalsten Länder in der Region. Homosexualität wurde bereits Anfang der 1960er Jahre entkriminalisiert, gleichgeschlechtliche Partnerschaften wurden 1996 anerkannt.
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Doch seit 2018 drängt Orban, der sein Land als "christliches Bollwerk" in Europa sieht, mit immer schärferen Gesetzen Freiheiten zurück. Seine Regierung verbot unter anderem den Forschungsbereich Gender Studies, die rechtliche Anerkennung von Geschlechtsanpassungen im Personenstandsregister und die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare. Als frühere Familienministerin hatte die jetzige Präsidentin Novak die queerfeindliche Politik mitverantwortet (queer.de berichtete).
Nach russischem Vorbild wurde 2021 vom ungarischen Parlament zudem ein Gesetz gegen "LGBTI-Propaganda" beschlossen (queer.de berichtete). Es verbietet die Darstellung von queeren Menschen sowie die Berichterstattung über LGBTI-Themen in den Medien und an allen Orten, an denen sich Minderjährige aufhalten könnten, also fast überall. Die Europäische Kommission hat wegen dieses Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, das von 15 EU-Ländern unterstützt wird (queer.de berichtete). (mize/dpa)

Wenn die EU das nicht macht (oder nicht kann), dann wird sie früher oder später das Vertrauen der Bürger verlieren. Mit unabschätzbaren Folgen für die gesamte EU und ganz Europa.