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Vorstellung von neuer Studie

Ataman: Deutschland hat "eines der schwächsten Anti­diskriminierungs­gesetze in Europa"

Die Bundesrepublik rennt dem Rest des Kontinents bei der Antidiskriminierungspolitik hinterher. Laut einer neuen Studie hat die deutsche Bevölkerung mit einer derartigen Reform kein Problem, ganz im Gegenteil.


Ferda Ataman fordert die Regierung zum Handeln auf (Bild: Heinrich-Böll-Stiftung / flickr)

  • 25. April 2023, 13:55h 12 2 Min.

Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, hat am Dienstag die neue Studie der Bertelsmann Stiftung zu "Diskriminierung in der Einwanderungsgesellschaft" mit vorgestellt. "Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Haltung zum Thema Antidiskriminierung hat sich in Deutschland seit Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes 2006 fundamental geändert. Das Thema ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wir sehen eine Zeitenwende für Antidiskriminierungspolitik in Deutschland", so Ataman. "Die Gesellschaft erwartet einen funktionierenden Diskriminierungsschutz – und das milieuübergreifend."

Noch habe Deutschland "eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa", beklagte Ataman. Laut Koalitionsvertrag soll das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zwar reformiert werden. Bislang hat die Bundesregierung dazu aber noch nichts vorgelegt. Ataman rief Bundesjustizminister Buschmann auf, die im Koalitionsvertrag versprochene AGG-Reform nun rasch umzusetzen. "Dieser Schritt ist längst überfällig, das zeigt diese Umfrage. Herr Buschmann darf jetzt keine weitere Zeit verlieren." Die Daten zeigten, es gebe keine gesellschaftliche Spaltung oder Polarisierung bei diesem Thema, "auch, wenn uns das manche weismachen wollen", so Ataman. "Wer nach dieser Studie noch leugnet, dass das Thema drängt, hat die gesellschaftliche Entwicklung verschlafen". Ataman kündigte zudem eine bundesweite Informationskampagne für den Herbst an, um den Schutz vor Diskriminierung bekannter zu machen.

77 Prozent interessieren sich für Thema Gleichbehandlung

In der aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung geben 77 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung an, sich für das Thema Gleichbehandlung zu interessieren. In einer vergleichbaren Studie von 2008 waren es nur 63 Prozent. Der Aussage, dass Antidiskriminierungspolitik langfristig dazu führe, dass es allen in der Gesellschaft besser geht, stimmen heute 66 Prozent der Befragten zu – gegenüber 59 Prozent 2008. Acht von zehn gesellschaftlichen Milieus teilen mehrheitlich diese Ansicht.

Die Autor*innen Ulrike Wieland und Ulrich Kober von der Bertelsmann Stiftung untersuchten für die Studie auf Grundlage einer repräsentativen Umfrage und Milieuanalyse des Sinus-Instituts, wie sich Wahrnehmungen von Diskriminierung und Einstellungen zu Antidiskriminierungspolitik in der Bevölkerung zwischen 2008 und 2022 verändert haben.

Erst vor zwei Wochen hatte auch der Lesben- und Schwulenverband Defizite beim deutschen Antidiskriminierungsrecht beklagt (queer.de berichtete).

Ferda Ataman war im Juli 2022 mit knapper Mehrheit vom Bundestag zur neuen Chefin der Antidiskriminierungsstelle gewählt worden (queer.de berichtete). Gegen die streitbare Politologin gab es viel Widerstand aus CDU, FDP und AfD. Zuvor war die 2006 eingerichtete Stelle vier Jahre lang wegen Streitereien um die Neubesetzung ohne Führung gewesen. (pm/cw)

-w-

#1 _Patrick_Ehemaliges Profil
  • 25.04.2023, 16:18h
  • Falls ich nicht doch in einem Pralleluniversum gefangen bin, meine ich mich erinnern zu können, dass eine Fortschrittskoalition, die Mitte-Links verortet werden kann, gerade die Bundesrepublik regiert und all die nötige Macht in Händen hält, die von Frau Ataman beschriebenen Mängel zu beheben. Hinzu kommt ein Bundesrat, der 8 RotRotGrün regierte Länder aufweist und mit den liberalen CDU-Männern Günther und Wüst auf 50 Stimmen pro Diskriminierungsschutz kommt und gleichzeitig 46 für Grundgesetzänderungen ausreichen.

    Wenn es also nicht voran geht, dann kann das nur am Unwillen und oder der Unfähigkeit der Ampel liegen, die sonntäglich und im Ausland gerne über Menschenrechte spricht, sich heimisch aber doch nur damit beschäftigt, wechselseitig Absichtserklärungen an die Presse zu leiten und Regenbogenbildchen auf Twitter zu posten.
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#2 Uwe_RAnonym
  • 25.04.2023, 16:30h
  • Wie passt "eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze in Europa"
    zu folgendem Zitat aus der Studie?

    "Der Migrant Integration Policy Index 2020 (MIPEX 2020), der die Integrationspolitiken von weltweit 56 Staaten vergleicht, stuft die Antidiskriminierungspolitik in Deutschland zwar eher positiv (slightly favorable) ein, beurteilt sie aber zugleich als etwas schwächer als im europäischen Durchschnitt (vgl. Solano/
    Huddleston 2020)"

    Sorry, bei aller berechtigten Kritik an der hiesigen Gesetzgebung, aber durch diese unsachliche Übertreibung erreicht Frau Ataman das Gegenteil von dem was ihr dienlich sein würde: Sie verliert weiter an Glaubwürdigkeit.

    Und auch der zitierte Abschnitt ist auf dem MIPEX bezogen sogar nicht korrekt. Es hängt nämlich davon ab, welche EU Länder man für den Vergleich heranzieht. Nimmt man nämlich alle Länder (inkl. UK), dann ist der Durchschnitt 49. OECD Durchschnitt ist 56. Deutschland hat 58.

    Daraus zu postulieren, Deutschland hätte eines der schwächsten Antidiskriminierungsgesetze, ist gelinde gesagt, an den Haaren herbeigezogen! Verbesserungswürdig, ja ok. Aber sich selbst schlecht reden brauch man auch nicht.
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#3 audeasAnonym
  • 25.04.2023, 18:25h
  • Antwort auf #2 von Uwe_R
  • Im europaweiten Vergleich ist es eben eines der schlechtesten im Anbetracht der Tatsache, dass Deutschland so mächtig und einflussreich ist und es besser machen müsste. Das jetzige Antidiskriminierungsrecht in Deutschland gleicht einem zahnlosen Papiertiger.

    Aber wer nicht betroffen ist von Rassismus und Diskriminierung, wird das natürlich nicht bemerken.
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