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Ressortabstimmung

Das steht im neuen Selbst­bestimmungs­gesetz

Der Gesetzentwurf, der queer.de vorliegt, sieht Geldstrafen von bis zu 10.000 Euro für Deadnaming vor. Frauensaunen erhalten das Recht, "im Einzelfall zu differenzieren". Und im Krieg endet die Selbstbestimmung für trans Frauen.


Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) bei der Vorstellung der Eckpunkte für das Selbstbestimmungsgesetz im Juni 2022 (Bild: IMAGO / Future Image)

Seit Monaten wird spekuliert, was in dem von der Ampel geplanten Selbstbestimmungsgesetz genau stehen wird. Am Donnerstag haben das Bundesjustiz- und das Familienministerium endlich einen fertigen Entwurf in die regierungsinterne Abstimmung gegeben (queer.de berichtete). Er liegt queer.de vor.

Erstmals gibt es einen offiziellen Namen für den Nachfolger des diskriminierenden Transsexuellengesetzes (TSG): "Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag", kurz SBGG, ist der Entwurf überschrieben. Viele Regelungen entsprechen den Eckpunkten, die von den beiden verantwortlichen Regierungsmitgliedern Marco Buschmann (FDP) und Lisa Paus (Grüne) bereits im vergangenen Juni vorgestellt worden waren. Trotz der Kritik der Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat es ein Verweis auf das Hausrecht in den Entwurf geschafft, ebenso einige weitere Einschränkungen. Im Folgenden stellen wir die Regelungen im Detail vor.

Keine Gerichtsverfahren mehr

Dem bisherigen Transsexuellengesetz liege ein "medizinisch veraltetes, pathologisierendes Verständnis von Transgeschlechtlichkeit" zugrunde, heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf. Künftig soll für eine Änderung des Geschlechtseintrags keine Person mehr ein Gerichtsverfahren durchlaufen müssen oder ärztliche Bescheinigungen und teure Sachverständigengutachten benötigen. Es reicht eine einfache Erklärung beim Standesamt. Das Gesetz richtet sich laut Familien- und Justizministerium an trans, inter und nichtbinäre Menschen. Gerechnet wird mit etwa 4.000 Änderungen pro Jahr.

Versicherung auf dem Standesamt

Die Angst vor missbräuchlichen oder unüberlegten Änderungen des Geschlechtseintrags zieht sich durch den gesamten Entwurf. So tritt eine Änderung erst nach drei Monaten in Kraft und bleibt für mindestens ein Jahr unumkehrbar. Antragsteller*innen müssen zudem eine zusätzliche Versicherung abgeben. Im SBGG heißt es dazu: "Neben den allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen können geschäftsfähige Erwachsene den Geschlechtseintrag und die Vornamen ändern, indem sie eine entsprechende Erklärung vor dem Standesamt abgeben und zusätzlich versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag ihr Geschlechtsidentität am besten entspricht und ihnen die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist."

Regelungen für Minderjährige

Auch Kinder und Jugendliche können nach dem Entwurf Vornamen und Geschlechtseintrag ändern. Bei unter 14-Jährigen müssen die Eltern oder Sorgeberechtigten die Änderungserklärung abgeben. Über 14-Jährige können dies selbst tun, benötigen dafür jedoch eine Erlaubnis der Eltern oder Sorgeberechtigten. Falls diese ihre Zustimmung verweigern, soll bei über 14-Jährigen ein Familiengericht entscheiden.

Die Frauensauna und das Hausrecht

In dem Streit zwischen Justiz- und Familienministerium um das Hausrecht von Frauensaunen hat sich FDP-Minister Buschmann durchgesetzt, auch wenn die Ausformulierung im Vergleich zu früheren Äußerungen abgemildert wurde. "Die Rechtslage nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bleibt unverändert", heißt es im Gesetzentwurf. "Es ist daher etwa im Rahmen des Hausrechts weiterhin möglich, aus sachlichem Grund, etwa um den Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung zu tragen (zum Beispiel beim Zugang zu Saunen oder Fitnessstudios für Frauen oder zu Umkleidekabinen) im Einzelfall zu differenzieren." Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes interpretiert die Rechtslage ganz anders (queer.de berichtete).

Keine Selbstbestimmung im Krieg

Ganz neu wurde ein bislang nicht diskutierter Paragraf zum Verteidigungsfall in den Gesetzentwurf aufgenommen. Damit will die Regierung offenbar verhindern, dass sich cis Männer durch eine Änderung des Geschlechtseintrags einer Einberufung entziehen. Befindet sich Deutschland im Krieg, darf der Geschlechtseintrag nicht mehr von "männlich" zu "weiblich" oder "divers" geändert oder ganz gestrichen werden, heißt es im SBGG, "sofern dies im Einzelfall keine unbillige Härte darstellen würde".

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Weitere Ausnahmen

Die Unterbringung von Strafgefangenen "muss sich nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren", heißt es im Entwurf. "Das SBGG gebietet mithin nicht, dass Personen immer entsprechend ihrem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag in einer entsprechenden Anstalt untergebracht werden." Das Selbstbestimmungsgesetz erlaubt zudem weiterhin Ungleichbehandlungen im Sport: "Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden." Keinen Einfluss haben Transitionen auch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen: "Auf den aktuellen Geschlechtseintrag kommt es nicht an, wenn medizinische Leistungen zu ergreifen sind." Zudem wird klargestellt, dass das SBGG nicht auf Gesetze und Verordnungen, die Regelungen über Schwangerschaft, Gebär- oder Zeugungsfähigkeit betreffen, angewendet werden kann. Ebenso bleibt ein trans Mann im Rechtsverhältnis zu seinem Kind eine "Mutter". In Geburtsurkunden kann zumindest die Bezeichnung "Vater" oder "Mutter" nachträglich in "Elternteil" geändert werden.

Quotenregelungen

Ein Paragraf im Gesetzentwurf geht darauf ein, wie sich das SBGG auf Quotenregelungen in Gremien und Organen auswirkt. Grundsätzlich gilt, dass das im Personenstandsregister eingetragene Geschlecht zum Zeitpunkt der Besetzung maßgeblich ist. Erfolgt eine Änderung des Geschlechtseintrags nach der Besetzung, so ist die "Unterschreitung der Mindestanzahl oder Mindestquote [...] erst bei der nächsten Bestellung zu berücksichtigen".

Offenbarungsverbot

Mit einem "Offenbarungsverbot" stuft das Gesetz Misgendern und Deadnaming erstmals als Ordnungswidrigkeit ein, allerdings sieht der Entwurf Ausnahmen vor. So darf ein früherer Geschlechtseintrag oder Vorname eines Menschen "ohne Zustimmung dieser Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, dass besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies einfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird". Zuwiderhandlungen können mit bis zu 10.000 Euro bestraft werden.

Überprüfung nach fünf Jahren

In Paragraf 13 des Entwurfs ist festgelegt, dass die Bundesregierung das SBGG nach einer Art Testphase "überprüfen" muss. "Das Gesetz und seine Auswirkungen sollen wegen der besonderen politischen Bedeutung nach Ablauf von fünf Jahren nach dessen Inkrafttreten im Hinblick auf die Handhabbarkeit der gesetzlichen Regelung in der behördlichen Praxis, die Wirksamkeit und die Auswirkungen des Gesetzes im Hinblick auf seinen Anwendungsbereich und die Auswirkungen der Regelungen zum Offenbarungsverbot evaluiert werden", heißt es dazu in der Begründung. "Es soll auch evaluiert werden, ob die Regelungen missbräuchlich genutzt wurden. Dafür soll analysiert werden, in welcher Anzahl eine erneute Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen erklärt wird und wie häufig die Eintragung wegen unzulässiger Rechtsausübung verweigert wurde."

Übergangsvorschriften

Das Transsexuellengesetz tritt zeitgleich mit dem Inkrafttreten des SBGG außer Kraft. Laufende Verfahren nach dem TSG werden nach dem alten Recht fortgeführt.

Nachträglich ergänzt um den Absatz zur Evaluierung, Hinweis auf "Elternteil" in Geburtsurkunden und Ausnahme im Strafvollzug

#1 AndyAnonym
  • 28.04.2023, 06:57h
  • Wirklich überrascht hat mich das das Missgendern jetzt eine Ordnungswidrigkeit sein soll, bleibt ab zu warten wie das die Gerichte sehen weil wenn ein Gericht bisher dazu geurteilt hat war es Beleidigung und somit eine Straftat.
    Und das mit der Unsinnigen Hausrecht Sonderregelung wird nach inkraft treten bestenfalls ein Jahr bestand haben dann ist das weg geklagt.
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#2 elimAnonym
  • 28.04.2023, 07:34h
  • hmm - so fest kann man die Augen gar nicht zukneifen um nicht den zähen Schleim des Misstrauens in der Regelung zu sehen - wenn das der große Wurf zur positiven Selbstbestimmung sein soll...

    Noch dazu der unschöne Seitenhieb auf Tessa Ganserer, die ja bekannter Weise die Unterwerfung unter das TSG verweigert hat - so wie ich den Abschnitt "Quotenregelung" verstehe wird so das (korrekte) Verhalten der Grünen bezüglich der Quote für zukünftige Fälle ausgeschlossen.

    Ächtz.
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#3 AnonymousAnonym
  • 28.04.2023, 07:42h
  • Der Entwurf ist sehr bedenklich, denn wieso soll das im Kriegsfall (es sollte eigentlich Verteidigungfall heißen) nicht mehr gelten?

    Das verstehe ich nicht.
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