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Folge 18 von 53

Schwule Symbole im Film: Musikinstrumente

Neben Blasinstrumenten, deren phallische Bedeutung ja auf der Hand liegt, geht es in dieser Folge um die ebenso spannenden sexuellen Bedeutungen von Schlag-, Saiten- und Tasteninstrumenten.


Gemeinsames Spiel in "Violine" (2012)

Blasinstrumente – von Fleisch- und Zauberflöten

Blasinstrumente verweisen wegen ihrer phallischen Form, ihrem Namen und weil sie in den Mund genommen werden auf Oralverkehr. Das spiegelt sich auch in Bezeichnungen wie "Blowjob" wider. In der deutschen Jugendsprache gibt es den Begriff "Fleischflöte" (= Penis). Wenn Schwule als "Flötenspieler" bezeichnet werden, wird dabei meistens auf Oralverkehr Bezug genommen. Der Anglist Jody Skinner verweist in "Bezeichnungen für das Homosexuelle im Deutschen" (1999) auch auf die Ausnahmen "Dudelsackspieler" (= Spiele am Hoden) und "Posaunenspieler" (= Masturbation).

Blasmusik – Oralverkehr

Es gehört zum typischen Humor der deutschen Sex-Komödien der Siebzigerjahre, wenn es in einem Zeitungsinserat heißt: "Ausbilder sucht strammen Rekruten, der ihm den Zapfenstreich bläst" ("Liebesmarkt", 1973). In "Liebesgrüße aus der Lederhose" (5. Teil, 1978) versucht der schwule Ottokar Schulze vergeblich, eine Blaskapelle zu dirigieren, während die Bläser zur gleichen Zeit (von Frauen) einen geblasen bekommen. Zwei frühe Beispiele in US-Filmen sind ähnlich deutlich: Joes Ausdruck "Hornist ohne Horn" als Anspielung auf seine Potenzprobleme in "Asphalt-Cowboy" (1969) und der Satz "Ich blase das Horn und schlage die Trommel" in "Zero Patience" (1993) als Hinweis auf sexuelle Aktivität. Wenn es Justin in "Queer as Folk" (USA, Folge 3/7) so scheint, als könne ein Mann "mehr als Trompete blasen", ist die Metapher klar verständlich. Eher dezent ist dagegen eine kurze Szene in "Eine Liebe wie andere auch" (1983), die Wolf kontextlos als Dudelsackspieler zeigt.


Einfacher Humor: Die Männer in einem Blasorchester bekommen in "Liebesgrüße aus der Lederhose" (5. Teil, 1978) einen geblasen

Auch Mozarts Zauberflöte ein Phallus?

Bereits die "Zauberflöte" in Wolfgang Amadeus Mozarts gleichnamiger Oper wird heute phallisch interpretiert. Nach Prof. Gerhard Sauder ("Mozart. Ansichten: Ringvorlesung der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes im Wintersemester 1991/92, 1995, S. 13) ist die "phallische Bedeutung wichtig, um den behandelten" Geschlechtskonflikt zu verstehen. Bei einer Aufführung in Berlin 2006 war die "Zauberflöte" daher auch kein Musikinstrument, "sondern ein etwa ein Meter langer, sanft geschwungener Phallus", der mit schwulen Anspielungen wie "Herrenschokolade" verbunden wurde (Stephan Mösch in der FAZ vom 27. November 2006). Die "Welt" (2006) titelte zur selben Inszenierung unmissverständlich: "Die Zauberflöte ist ein Penis". Für Toni Hildebrandt (2008) sind solche "pseudoprovokanten Anspielungen oft nicht allzu weit von Hollywood & Bollywood entfernt".

In schwulen Filmen scheinen Bezüge zu Mozarts Zauberflöte allerdings selten zu sein. In "Der Nachtportier" (1974) ist das Opern-Zitat "Nichts Edlers sei, als Weib und Mann" eine Art Klammer um die filmische Erzählung und wird – eher ironisierend als verurteilend – in Bezug auf schwule Männer beim Sex eingesetzt. In "Abschiedsblicke" (1986) wird die Oper "Die Zauberflöte" zwar mehrfach, aber nicht in einem sexuellen Zusammenhang aufgegriffen. In "Another Gay Movie" (2006) werden Schwule von Lesben im Rahmen einer freundschaftlichen Neckerei als "verschrumpelte Zauberflöten" bezeichnet, was evt. eine Anspielung auf die Bezeichnung "verzaubert" ist. Für eine so große Oper sind das wenige Fundstücke.

Die Flöte von Minderjährigen – sexueller Missbrauch


Die Finger an der Flöte als Zeichen von Übergriffigkeit in "Eh' die Fledermaus ihren Flug beendet" (1989)

Mit Blasinstrumenten lässt sich auch sexueller Missbrauch andeuten. László legt in "Eh' die Fledermaus ihren Flug beendet" (1989) seine Finger vorsichtig um Roberts Querflöte, wodurch sein sexuelles Interesse an dem noch Minderjährigen deutlich wird. Die Szene wirkt auch deshalb recht deutlich, weil Roberts Querflöte im Film parallel zum ("weiblich" konnotierten) Cello eines Mädchens inszeniert ist.

In ähnlicher Form geht es in "Pianese Nunzio" (1996) um das Querflötenspiel eines Jungen in einem für ihn verbotenen Raum, das sich als Verweis auf den sexuellen Missbrauch durch einen Geistlichen sehen lässt. Im Kontext von Missbrauch bewegt sich auch der Film "Der spanische Gärtner" (1956) mit einem Jungen, der auf Klippen Flöte spielt.

Pornos – Flöte als Phallus


Schlange und Flöte als phallische Symbole in dem Porno "Charmed"

Bei den Schwulenpornos "Clean as a whistle" und "Skin Flute Serenade" ist die Blas-Symbolik auch deshalb überdeutlich, weil man auf dem Cover Männer beim Oralverkehr sieht. Auf dem Cover des Pornos "Charmed" werden mit einer Schlange und einer Flöte gleich zwei phallische Symbole verwendet, damit findet eine Überschneidung mit einem Tier-Symbol statt. Laut dem Werbetext kann man mit dieser "Snake charmer's flute", ähnliche wie mit Amors Pfeil, Männer für sich gewinnen, wobei der "Schlangenbeschwörer" für unwiderstehliche "Verführung" steht. Manchmal geht die Flötensymbolik nicht aus dem Cover, aber aus dem Werbetext hervor. Damit meine ich Formulierungen wie "skin flute" ("Hard for Teacher", "Boys after School") oder "meaty flute" ("Bare Huge Dicks 17"), was hier nicht musikalisch zu verstehen ist.

Hermann J. Huber ("Gewalt und Leidenschaft", 1987, S. 140) schreibt, dass in dem Porno "Passing Strangers" (1974) Tom und Robert ihren Orgasmus haben, "als ein Saxophon am innigsten röhrt". Aufgrund dieser Beschreibung gehe ich davon aus, dass in diesem (mir nicht vorliegenden) Film die musikalische mit der sexuellen Stimmung bewusst parallelisiert wurde.

Schlaginstrumente – Gefühle zum Schwingen bringen

Schlaginstrumente wie Trommel, Pauke und Glocke sind in ihrem Symbolgehalt mehrschichtig. In der politischen Symbolik kann man mit einer Trommel andere im Gleichschritt marschieren lassen ("Die Blechtrommel") und damit Individualität thematisieren. Trommeln werden auch seit alters her verwendet, um ekstatische Zustände herbeizuführen, was sich mit sexuellen Rauschzuständen verbinden lässt. In der traditionell-patriarchalen sexuellen Symbolik trifft bei Schlaginstrumenten ein phallischer Schlägel auf einen "weiblichen" Resonanzkörper (Vagina) und gibt dabei Takt und Rhythmus vor.

Trommeln – sexueller Rausch

In dem homo­erotischen Kurzfilm "Sissy-Boy Slap-Party" (1995, hier online) ist Schlagen das bestimmende Thema. Halbnackte Männer, teilweise als Matrosen gekleidet, geben sich Ohrfeigen, schlagen sich auf den Hintern und auf Trommeln, was deutlich erkennbar zu Rausch und Ekstase führt. Ein Spiel mit Homo- und Heterosexualität bietet "Kreuz und Queer" (1998), in dem das wilde Trommeln in einer Männergruppe ausgerechnet beim schwulen Leo dazu führt, dass es den "wilden Mann" in ihm "zum Leben erweckt" und er anschließend mit einer Frau Sex haben möchte.


Ekstatisches, wildes Trommeln wird in "Kreuz und Queer" (1998) sexualisiert

Die Freude am schwulen Leben wird sehr deutlich in dem Kurzfilm "Machulenco" (2005, 9:30-10:10 Min., hier online): Victor und sein Freund Antonio treffen auf der Straße eine Gruppe von Trommlern und Tänzerinnen. Von der Lebensfreude und den erotischen Tänzen lassen sich die beiden begeistern; sie umarmen sich und werfen vor Freude eine Mütze in die Luft.

Glocken – Brüste und Hoden


Sexuell mehrdeutige Glocken bestimmten den Titel von "Ediths Glocken – Der Film" (2016)

Der Anglist Jody Skinner ("Bezeichnungen für das Homo­sexuelle im Deutschen", 1999) nennt auch die umgangssprachlichen Ausdrücke "Bimmel" (für Hoden) und "Schellenjunge" (für Schwule und Stricher). Manchmal tritt bei Glocken der Klöppel von seiner Bedeutung zurück, wie in dem Film "Brookton Hollow" (2010, 5:05 Min., hier online), wo ein Griff an die baumelnden Kuhglocken eines verwandelten Mannes eher wie ein Griff an die Hoden wirkt. Auch kleine Glöckchen, die ohne einen Klöppel auskommen, können den Hoden symbolisieren. "Wenn Ediths Glocken läuten" (2008) und "Ediths Glocken – Der Film" (2016, hier Trailer) sind Travestie-Trash-Komödien. Die titelgebenden Glocken sind nur vordergründig ein Weihnachtsgeschenk, sondern leicht dechiffrierbare sexuelle Symbole, die entweder auf die Brüste der Kunstfigur Edith Schröder (D: Ades Zabel) oder wahlweise auf die Hoden von Ades Zabel verweisen. Der Humor dieser beiden Filme ist genauso wenig subtil wie die Szenen, in denen sich ein Klempner um Ediths verstopftes Abflussrohr kümmert.

Triangel – ein Dreier

Das Triangel als eher zartes Schlaginstrument hat mehrere sexuelle symbolische Bedeutungen; das Urbandictionary listet hier mehr als 30 meist sexuelle Erklärungen auf. Das Wort kann sich auf das weibliche Geschlecht oder, wie in "Rodeu-mubi" (2002), auf eine Dreiecksgeschichte beziehen. Zudem gibt es eine symbolische Überschneidung mit dem Symbol des Rosa Winkels ("Pink Triangle"), das als geometrisches Zeichen Schwule im KZ stigmatisierte. In "Il colore del silenzio" (2005) geht es offenbar nur um das NS-Symbol, aber schon bei dem mit einer Regenbogen­flagge ausgestatteten Hotel "Triangle Inn" in "Eating Out" (5. Teil, 2011) ist es wahrscheinlich, dass vielfältige sexuelle Beziehungen damit gemeint sind.


Das mehrdeutige Triangel in "Eating Out" (5. Teil, 2011)

Klöppel und Schwengel – Phallus

Der Penis wird – wie beim Musikinstrument – als "Schwengel" bezeichnet. Der "Schwengel" einer Glocke ist auch in schwulen Filmen nicht nur der Klöppel einer Glocke, sondern symbolisch auch ein Phallus, der auf einen Resonanzkörper trifft, der in Analogie zur heterosexuellen Symbolik auch für den männlichen Anus stehen kann. In "Pianese Nunzio" (1996) schlägt ein Jugendlicher in einem für ihn verbotenen Raum eine Glocke an, was hier offenbar auf den sexuellen Missbrauch durch einen Geistlichen verweist. Ein Läuten von Kuhglocken ist in "Ich liebe dich, ich töte dich" (1971) mehrfach auch in homo­erotischen Kontexten zu hören, lässt sich aber schlecht bestimmen.


Die Glocke in einem verbotenen Raum in "Pianese Nunzio" (1996)

Pornos mit Schlaginstrumenten – "Bellboys" und ihre Hoden

Aus dem Pornobereich lohnt sich nur der Hinweis auf den Film "Bellboys". Mit diesem Begriff werden im Englischen nicht nur Hotelpagen bezeichnet, sondern umgangssprachlich auch Schwule, wobei über die Glocken ein Bezug zu den Hoden hergestellt wird (s. Urbandictionary). Insofern ist bei dem Film "Bellboys" die Aufforderung "ring the bell" auf dem Cover als sexuell zu verstehen.

Saiteninstrumente – schöne männliche Klangkörper

Bei Saiteninstrumenten wie Violine, Geige und Gitarre mischen sich "weibliche" mit "männlichen" Elementen: Ihre runden Formen erinnern an weibliche Kurven und der Bogen als "männliches Organ" gibt den Takt vor. Nach Friedrich W. Doucet ("Taschenbuch der Sexualsymbole", 1971, S. 43-44) wird der "Vorgang des Streichens der Geige mit dem Geigenbogen […] mit dem Sexualakt in eine Analogie gesetzt", und er betont, dass der Gitarrenhals "als ein phallisches Symbol […] von den Fans eines Sängers verstanden" werde. Das englische Verb "to fiddle" bedeutet sowohl fiedeln als auch herumfummeln.

Musische Veranlagung – schwules Stereotyp

In vielen Filmen geht es beim Einbau von Musikinstrumenten in die Handlung nicht um Sexualsymbolik, sondern offenbar nur um das schwule Stereotyp der künstlerischen Begabung, wie bei dem homo­sexuellen Violin-Virtuosen Paul Körner in "Anders als die Andern" (1919). Damit vergleichbar sind die Gitarre von Christian in "Summer Blues" (2002) und die zwei Gitarren eines Strichers in "Think Of England" (2010). Dass Tom in "Anders als die anderen" (1956) und Yonatan in "Dienstfrei" (1990) von Zuschauenden für schwul gehalten werden, liegt auch an ihrem verträumten Gitarrenspiel, das konträr zu ihrem lauten und zum Teil gewalttätigen Umfeld inszeniert ist. Das Spielen auf einer Gitarre wird in "La mirada de las fotos" (2010) wie das Kochen und Dichten für einen anderen Mann als ein Zeichen von Liebe bezeichnet. Vielleicht ist es ja dann auch ein Zeichen der Liebe, wenn der Stricher Damon seinem Freier Karl in "Porn Punk Poetry" (2014) zum 65. Geburtstag mit der Gitarre ein Ständchen spielt. Ein Mann mit Gitarre, der eine Straße entlanggeht, ist am Anfang und am Ende des Kurzfilms "Sin ruta" (2012) zu sehen, der damit die Klammer der Erzählung um Selbstfindung und Lebensweg bildet.


Verträumter Schwuler in "Anders als die anderen" (USA, 1956)

Musiker – Freigeister

Die Gitarrenspieler in "Last Call" (2009) und "Strapped" (2010) symbolisieren die geistige Freiheit eines schwulen Künstlerlebens. In "Queer as Folk" kennzeichnet die Violine den sich selbst verwirklichenden Musiker Ethan, der für kurze Zeit mit Justin zusammen ist (Folgen 2/16-3/7, hier eine Szene online) und konträr zu Justins Freund Brian angelegt ist. In der Folge 2/19 werden die Bezüge besonders deutlich. Ethan bezeichnet Justin als seinen "Klangkörper" und als sein Instrument, das erst einmal gestimmt werden müsse. Außerdem kündigt er an, dass er ihn sanft mit seinem Bogen streicheln werde. In der Folge 3/5 werden das Spielen auf der Violine und Onanieren im Parallelschnitt gezeigt. Auf diese Weise wird zwischen Ethans Violine und seinem Sex mit Justin ein Bezug hergestellt.


Musiker Ethan Gold und seine Violine in "Queer as Folk"

Musikspielen – "Türöffner" und Vorspiel

In einigen Filmen ist Gitarrespielen, wie in "Hustler White" (1996), als eine Art homo­sexuelles Vorspiel inszeniert. Ähnliches gilt für Filme wie z. B. "The Big Birdcage" (1972), in dem Sam Smith, eingebunden in eine schwule Verführungssituation, Gitarre spielt. In "Dish" (2009, 2:55 Min., hier online) ist es eine übliche Gitarre für eine romantische Stimmung; in "Choirboy" (2014) ist es eine elektrische Gitarre, die für Party-Stimmung sorgt. In beiden Filmen wird nach dem Gitarrenspiel ins Schlafzimmer übergeblendet.

In "Schlechte Erziehung" (2004) wirkt das Spielen der Gitarre wie ein Vorspiel zum sexuellen Missbrauch. In Truman Capotes "Das Glashaus" (1972, 42:10 Min., hier online) ist eine Gitarre als Geschenk Teil des sexuellen Umwerbens im Knast.

Etwas deutlicher wird "Violine" (2012), wo zwei Männer sich über ein gemeinsames Violine-Spiel körperlich näherkommen. In "Holding Trevor" (dt. Titel: "Umleitung ins Glück", 2007, hier online) gibt es eine dreiminütige schwule Liebeserklärung als Gitarrenlied (1:3:40-1:06:35, s. a. 21:20). Ich kann daher gut nachvollziehen, dass die Arte-Kompilation "Die Gitarre im Film" (hier online) die Gitarre nicht nur als ein "Symbol für Einsamkeit und Bedrücktheit" (4:25 Min.), sondern auch als Verführungsinstrument (5:00 Min.) beschreibt.

Der Hals des Instruments als Phallus

Aufgrund der weiblich konnotierten Rundungen eignen sich Saiteninstrumente grundsätzlich nicht für die symbolische Darstellung eines männlichen Körpers. Erinnert sei an "Wie die Karnickel" (2002) nach Ralf König, auf dessen Werbeposter über den Hals des Kontrabasses (in heterosexuellem Kontext) ein Kondom gezogen wurde.


Ein Kondom über dem Hals des Kontrabasses in "Wie die Karnickel" (2002)

Solange es nur um den Hals des Instruments geht, ist es recht einfach, die traditionelle heterosexuelle Sexualsymbolik auf Schwule zu übertragen. Als besonders gelungen sehe ich die Inszenierung des Cellospielens in "Oranges" (2004, 1:45 Min., hier online) im Rahmen des zarten homo­erotischen Verhältnisses zwischen zwei Jungen an. Einer liegt auf dem Bett des anderen und hört ihm zu, während das Instrument so inszeniert ist, dass wahlweise der Bogen oder auch der Hals mit etwas Phantasie als Phallussymbol wahrnehmbar ist. Nach dem Spielen auf dem Instrument erwartet der/die Zuschauer*in ein sexuelles Spielen miteinander.


Zartes Cellospielen in "Oranges" (2004)

Der Klangkörper als menschlicher Körper

Gerade weil Streichinstrumente das Friedliche, Musische und Homo­erotische betonen, fällt "Clapham Junction" (2007, 1:32:55 h., hier online) auf, worin ein Violinspieler Opfer eines homophoben Überfalls wird – auch wenn dabei nur die zerstörte Violine zu sehen ist. Als Schlussszene des Films bleibt dieses Bild besonders haften und verdeutlicht nicht nur, dass durch einen Überfall auch die Seele leidet, sondern auch, dass ein Klangkörper als Sinnbild eines menschlichen Körpers wahrgenommen werden kann, der nun zerstört am Boden liegt.

Pornos – Gitarrenhals als Phallus

Auf einigen Covern von Schwulenpornos sieht man einen Mann und eine E-Gitarre ohne ("Boys First Time") und mit Erektion ("Naughty Passion", "One Erection"). Eine deutlich phallische Inszenierung ist auf dem Cover von "Bare Boyband und Rockstar!" zu erkennen, wo der Penis neben dem und parallel zum Gitarrenhals inszeniert ist. Der Porno "Lust Counselling" zeigt sich dezenter und überlässt es dem Auge des Betrachters, ob die Gitarre hier nur für die nötige Stimmung beim Zelten sorgt, das Geschlechtsteil bedecken oder tatsächlich als Phallus wahrnehmbar sein soll.


Zurückhaltende Darstellung von E-Gitarren und Sex auf den Filmcovern von "Boys First Time" und "Lust Counselling"

Es gibt Werbetexte von Pornos, in denen Saiteninstrumente mit dem menschlichen Körper verglichen werden ("He makes Matthieu's hole sing like a violin"). Ein Pornodarsteller nennt sich "Johnny Guitar" – offenbar aber nur in Anlehnung an den gleichnamigen Film von 1954, der auch unter dem deutschen Titel "Wenn Frauen hassen" bekannt ist.

Tasteninstrumente – Klavierspieler wie Elton John, "if you know what I mean"

Das Klavier ist ein Sinnbild des Bürgerlichen. Es steht für Kreativität, "Weiblichkeit", zarte Empfindungen bzw. für Verinnerlichung und wird daher in schwulem Kontext vor allem mit sensiblen und einfühlsamen Klavierspielern in Verbindung gebracht. Die Tasten dieses Instrumentes können symbolisch mit der breiten Gefühlsskala eines Menschen assoziiert werden. Bei der erotischen Interpretation bzw. Auslegung des Klavierspiels stehen oft die Hände des Klavierspielers im Fokus, die die Tasten zärtlich zu streicheln scheinen.

Klavier – "Weiblichkeit"

Diego erzählt in "Erdbeer und Schokolade" (1994), dass ein früherer Freund vom ihm nicht Klavier spielen durfte, weil diese Kunst einfach zu "weibisch" sei. An dieser Stelle wird den Zuschauenden wohl klar sein, dass Diego – im Gegensatz zu seinem früheren Freund – bessere Chancen hat, sich musikalisch und sexuell zu verwirklichen.

Ein ähnliches Geschlechterbild wird auch in "Tacet" (2003, hier online) vermittelt, wo ein eher femininer Mann sich für das Klavierspiel interessiert, während ein eher maskuliner Mann Rugby spielt, wobei trotzdem beide zusammenfinden. Als der Klavierspieler um eine Schultermassage gebeten wird, wird mit dem Hinweis "Would you massage it? You play piano all day long" (5:30 Min.) eine Parallelisierung von Klavierspielen und Zärtlichkeit vorgenommen. Dass in "Liberace" (2013) der gleichnamige Entertainer mit langen Einstellungen auch am Klavier gezeigt wird, hat meines Erachtens keine symbolische Bedeutung.

Klavier – Sinnlichkeit

Wie sich zwei Jugendliche über das Klavierspielen näherkommen, zeigt sehr gut der Film "Heimliche Freundschaften" (1964). Im romantischen und ruhig erzählten Kurzfilm "June" (2013, hier online) versucht ein Geist in der Nacht mit seinem früheren Geliebten durch das Spielen am Klavier zu kommunizieren, womit das Klavier zu einem Medium und Mittler wird. Es sind sehr romantische Szenen voll von Zärtlichkeit.


Erinnerung an früher: Zwei Mann und ein Klavier in "June" (2013)

Der Film "Sur le départ" (2011) ist ein Film über die Liebe und die Beziehung von Piano (César Domboy) und Clarinette (Adrien Dantou). Dass es sich um Namen mit Bedeutung handelt, ist spürbar, weil auch zwei Frauen mit den Namen "Geige" und "Fagott" eine Rolle spielen.


Piano und Clarinette haben eine Beziehung in "Sur le départ" (2011)

"Tod in Venedig" – aufwändig inszenierte Sinnlichkeit

In "Tod in Venedig" (1971, 3:30 Min., hier die Szene online) spielt der junge Tadzio am Klavier Beethovens romantisches und populäres Stück "Für Elise", wovon der ältere Gustav von Aschenbach sichtlich gerührt ist. Jörg Gagenholz schreibt in seiner Facharbeit "Mann, Thomas. Der Tod in Venedig. Analyse und Interpretation und ein Vergleich mit der Verfilmung von Visconti" (2004): Diese "Verbindung zwischen den beiden Hauptpersonen ist eine der besten Ideen der Filmumsetzung und meiner Meinung nach äußerst gelungen. Im Anschluss an diese Szene trägt Tadzio ausnahmsweise mal einen Hut und Aschenbach spricht die Worte: 'Ich liebe dich!'"


Tadzio spielt am Klavier "Für Elise" in "Der Tod in Venedig" (1971)

Klavier im Duett – Zärtlichkeit und Sex

Ein gemeinsames sexuelles Erlebnis kann einfach durch ein Duett angedeutet werden, wobei die erotische Wirkung der Duette schwuler Männer in "Eating Out" (2004) auch durch die Blickkontakte unterstützt wird. In einem "Tatort" wird das in einer öffentlichen Bar vorgetragene vierhändig aufgeführte Klavierspiel des schwulen Paars Paul und Lenny mit gesellschaftlicher Akzeptanz von Homosexualität verbunden ("Wir san a tolerante Wirtschaft"; in "Tatort", Folge 423, 1999). Eher grobsinnlich wirkt dagegen die Verbindung von Klavierspiel und Sex, wenn Gabriel in "Trick" (1999) sagt: "Ich wollte immer mal gerne einen geblasen kriegen, während ich Klavier spiele."


Gabriel in "Trick" (1999) will spielen und geblasen werden

Sexuelle Selbstfindung

Das Lernen des Klavierspiels und das Kennenlernen der eigenen sexuellen Identität werden in einigen Filmen miteinander verbunden. Das schwierige Klavierstück, das ein Junge in "You are not alone" (1978) übt, entspricht der schwierigen Phase seiner sexuellen Identitätsfindung. In "James" (2008, hier online) geht es um den wissbegierigen pubertierenden James, der zu dem Klavierlehrer Mr. Sutherland Vertrauen fasst. Er hat Fragen zum Klavierunterricht und zur Homosexualität, wobei Mr. Sutherland ihm Antworten zu beiden Bereichen leider schuldig bleibt.

Sexueller Missbrauch

Je nach Inszenierung lässt sich auch sexueller Missbrauch durch den älteren Musiklehrer aufgreifen. In "Oberst Redl" (1985) wird beim Klavierunterricht durch eine Berührung des Oberschenkels die Verführung August Redls als Kind bei einem Duett angedeutet, wohl vor allem, um den Zuschauenden eine "Ursache" für seine spätere Homosexualität zu bieten. Der junge Erwachsene Olivier hat es in "Cinquième fugue" (2009, hier online) zwar mit einem übergriffigen schwulen Klavierlehrer zu tun, weiß aber selbstbewusst zu reagieren. Hier wird deutlich, wie die Berührungen seines Körpers durch den Musiklehrer mit den Berührungen der Tasten verbunden werden.


Berührungen des Klaviers und der Schüler in "Cinquième fugue" (2009)

Weitere Bedeutungen – "Erreger", Bisexualität und Namedropping

In "Anders als du und ich" (1957) wird ein sogenanntes Trautonium u. a. dadurch deutlich sexualisiert, dass von elektronischen "Erregern" gesprochen wird, womit "Erreger" im Sinne von "Krankheitserreger" gemeint sind, während die elektronische Musik als degeneriert und "krank" etikettiert wird. Beides ist als Parallele zur Homosexualität zu verstehen. Die diffamierende Parallelisierung von Homosexualität mit Krankheit und elektronischer Musik durch den Regisseur Veit Harlan wurde u. a. deshalb kritisiert, weil es eine für den Nationalsozialismus typische Gleichsetzung zum Ausdruck bringt. Veit Harlan ist vor allem
als Regisseur des antisemitischen Hetzfilms "Jud Süß" (1940) stark umstritten.

Bobby ist in "Hochzeitsnacht-Report" (1972) verärgert darüber, dass sein Lebenspartner seine Bisexualität ausleben möchte, und fragt: "Muss er auf allen Klavieren spielen?" Auch er setzt damit Klavierspielen und Sex gleich, wobei die von ihm gewählte Redensart weniger gebräuchlich, aber sexuell direkter ist als die bekanntere Redensart "auf allen Hochzeiten tanzen".

Die Nennung eines prominenten Namens kann in Filmen weitere Bedeutungsebenen öffnen und auf einen spannenden Subtext verweisen, aber auch im Sinne von Namedropping als reines Zitat nur an die Stelle einer Auseinandersetzung treten. In "Oberst Redl" (1985) gibt es ein längeres Gespräch über ein Klavierstück von Pjotr Tschaikowsky, durch das man "wie verwandelt" sei, wobei ich annehme, dass ein Zusammenhang zwischen der Homosexualität des Komponisten und der von Oberst Redl beabsichtigt ist. In "Crush" (2000) ist der Subtext gleichzeitig auch ein indirektes (und nicht böse gemeintes) Outing: "Robbie is a great piano player, like Elton John, if you know what I mean."

Pornos – Pornoheft statt Notenblatt

Es gibt nur wenige Schwulenpornos, die das Klavier als Motiv verwenden. Auf dem Cover des Pornos "The Piano Player" wird erkennbar versucht, das Fließende der Klaviermusik auf die Beziehung zwischen zwei Männern zu übertragen. Recht simpel zeigen die beiden Cover von "Stick it in" und "Symphony 69" Hardcoreszenen vor einem Klavier, wovon sich der Porno "Wilde Things" insofern leicht abhebt, als der Klavierspieler statt eines Notenblatts ein Pornoheft vor sich liegen hat.

#1 Ben_Anonym
#2 StaffelbergblickAnonym
  • 30.04.2023, 15:23h
  • Mozarts "Zauberflöte" ... na da habe ich arge Bedenken, wenn diese mit Penis assoziiert wird. Denn diese Flöte besteht aus fünf festverbundenen Kernspaltpfeifen mit den Tönen g, a, h, c und d, soweit ich gelesen habe. Und hierbei ein phallisches Äquivalent zu entdecken??
    Und dann dieses angedachte Phallus-Flöten-Experiment weiter zu interpretieren ... dann wäre Papageno eher einer Zuhälter, der mit seiner "Flöte" junge Vögel (sprich Menschen) einfängt und im Käfig (Puff) hält???? Nö wäre mir zu abstrus.
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