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Brandenburg
Rechtsextreme Vorfälle an Schule: Ministerium sagt Hilfe zu
Ein Brandbrief von Lehr*innen aus dem Spreewald ("Schulpersonal täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert") sorgt auch bundesweit für Aufsehen. Nun reagiert der künftige Brandenburger Bildungsminister.

Steffen Freiberg, bislang Staatssekretär, soll die Nachfolge der zurückgetretenen Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) antreten (Bild: MBJS)
- 30. April 2023, 10:08h 4 Min.
Nach dem Bekanntwerden rechtsextremer und queerfeindlichen Vorfälle an einer Schule hat Brandenburgs designierter Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) die Lehrkräfte zu mehr Transparenz ermuntert. "Ich ermutige alle, wenn sie Schwierigkeiten haben, sich zu melden", sagte Freiberg der "Märkischen Oderzeitung". "Der erste Schritt, sich daraus zu befreien, ist, darüber zu reden. Ein Brandbrief ist sicher nicht die beste Lösung." Er sagte zugleich über die Vorfälle: "Das Problem ist keine Überraschung."
In einem anonymen Brief beklagten Lehrkräfte an einer Schule in Burg im Spreewald, sie seien "täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert". Es geht unter anderem um Hakenkreuze auf Möbeln, rechtsextreme Musik im Unterricht und demokratiefeindliche Parolen in den Schulfluren. Zudem erlebten sie eine "Mauer des Schweigens", hieß es in dem Brief. Die Lehrkräfte beklagten, dass die Unterstützung von Schulleitungen, Schulämtern und Politik fehle (queer.de berichtete).
Forscherin fordert Interventionsstrategie
Die Rechtsextremismus-Forscherin Heike Radvan forderte, dass die Kultusministerkonferenz sich stärker mit Rechtsextremismus an Schulen vor allem in Ostdeutschland befasst (queer.de berichtete). Die Vorfälle in Brandenburg hält sie für keinen Einzelfall. Rechte Vorfälle seien kein neues Phänomen an Schulen, sondern seit vielen Jahren bekannt, sagte die Wissenschaftlerin an der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg der Deutschen Presse-Agentur. Die Kultusministerkonferenz müsse genauer hinschauen und eine Interventionsstrategie entwickeln. "Erstmal muss man auch anerkennen, dass Rechtsextremismus ein großes Problem ist." Schulsozialarbeit als Antwort sei wichtig, aber allein zu kurz gedacht.
Rechtsextremismus sei vor allem in Ostdeutschland auffällig, wo die demokratische Zivilgesellschaft im Vergleich zum Westen schwächer ausgeprägt sei, sagte die Forscherin. "Einzelne Stadtgesellschaften werden von rechten Gruppierungen zu dominieren versucht", sagte Radvan auch mit Blick auf Südbrandenburg. Dort gibt es eine gewachsene rechtsextreme Szene. Die AfD hat dort ihre Hochburgen.
Grüne halten mehr Sozialarbeit für notwendig
Brandenburgs Grünen-Landtagsfraktionschefin Petra Budke hält angesichts des Brandbriefs mehr Sozialarbeit für notwendig. "Das ist jetzt klar, dass wir das auch weiter ausbauen und stärken müssen, natürlich auch die multiprofessionellen Teams an Schulen, die Schulsozialarbeit", sagte Budke der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist sehr, sehr wesentlich, dass wir eben auch Lehrkräfte mit diesem Problem nicht alleine lassen." Auch die Projektträger*innen sollten gestärkt werden. Die Grünen fordern über die geplanten 185 Stellen mindestens 215 weitere Schulassistenzen für Sozialarbeit, Psychologie, Therapie oder Verwaltung. Das sei das Minimum.
Die Grünen-Fraktionschefin setzt auch auf stärkere Zusammenarbeit der Schulen. "Entscheidend ist aus meiner Sicht tatsächlich, dass Kollegien zusammenarbeiten, sich gemeinsam verabreden, welche Maßnahmen sie treffen", sagte Budke. Das Ziel sei, "dass an Schulen eine Null-Toleranz-Politik herrscht gegen Rassismus, gegen Homophobie, gegen Sexismus". Dabei sollten auch Schüleri*nnen eingebunden werden.
Die Grünen-Politikerin warb für mehr Offenheit im Umgang mit rechtsextremen Vorfällen. "Wir müssen sehr ernst nehmen, dass es offensichtlich auch Leute gibt, die tatsächlich sich so bedroht fühlen, dass sie Angst haben", sagte Budke. "Die müssen wir natürlich ermutigen und stärken, tatsächlich Rückgrat zu zeigen und deutlich zu machen: Es gibt eine Unterstützung, wenn ihr euch öffentlich dagegen positioniert."
Innenminister plant Verfassungscheck für Beamt*innen
Der Grünen-Landtagsabgeordnete Heiner Klemp sieht auch die Landkreise und Schulleitungen in der Pflicht. "Es kann nicht sein, dass Schulen Angsträume werden", sagte er dem RBB-Inforadio. Einen Verfassungstreue-Check für Lehrer*innen lehnt er ab. Der Check verhindere nicht, dass Lehrkräfte bei rechten Vorfällen wegschauten, sondern zeige nur, welche Personen rechtsextremistisch aufgefallen seien. Innenminister Michael Stübgen (CDU) plant einen Verfassungstreue-Check für Beamt*innen – auch für Lehrer*innen.
Die Studierenden der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) Brandenburg forderten eine Entlastung der Lehrkräfte und zeigten sich solidarisch mit den Verfasser*innen des anonymen Briefes. "Als GEW fordern wir seit langem eine angemessene Reaktion auf den Fachkräftemangel an den Schulen und multiprofessionelle Teams", teilten sie mit. Die pädagogischen Fachkräfte sollten zum Beispiel von Sozialarbeiter*innen entlastet werden (queer.de berichtete). (cw/dpa)

Auf Platz 1 steht dabei mehr Bildung und Aufklärung an Schulen und anderen Jugendeinrichtungen.
Aber auch volle rechtliche Gleichstellung (inkl. Art. 3 GG) ist essentiell, denn solange der Staat uns nicht mal als voll gleichwertig ansieht, können wir nicht erwarten, dass sich in der Gesellschaft etwas ändert.