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Queerfeindliche Kräfte formieren sich
"Draglesung für Kinder" sorgt in München für Aufregung
In den USA oder Österreich demonstrieren Neo-Nazis gemeinsam mit homophoben Konservativen gegen Dragvorlesungen – dieser Trend scheint auch nach Deutschland zu kommen. Die CSU macht schon Stimmung.

Facebook / Vicky Voyage) Märchentante Vicky Voyage will am 13. Juni in der Stadtbibliothek Bogenhausen vorlesen (Bild:
4. Mai 2023, 11:02h 3 Min. Von
Ein Auftritt von Dragqueens in einer Münchner Bücherei sorgt für Empörung von queerfeindlichen Kräften. Anlass ist, dass Dragqueen Vicky Voyage und Dragking Eric BigClit gemeinsam mit trans Jungautorin Julana Gleisenberg am 13. Juni eine "Draglesung für Kinder" ab vier Jahren in der Stadtbibliothek des Stadtteils Bogenhausen durchführen wollen. Sie sollen laut der Ankündigung der Bücherei Kinder mitnehmen "in farbenfrohe Welten, die unabhängig vom Geschlecht zeigen, was das Leben für euch bereithält und dass wir alles tun können, wenn wir an unseren Träumen festhalten!", heißt es in der Ankündigung.
Online rollt bereits eine Empörungswelle, die selbst von der Hauptstadt-CSU unterstützt wird. So empörte sich Hans Theiss, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU im Münchner Stadtrat, am Mittwoch auf Twitter: "#Sexualkunde durch Drag Queens für 4-Jährige #Kinder – ist das wirklich Euer Ernst @muenchen?", schrieb der Medizinprofessor.
Twitter / hanstheiss1#Sexualkunde durch Drag Queens für 4-Jährige #Kinder – ist das wirklich Euer Ernst @muenchen? pic.twitter.com/jTxKSraexw
Prof. Dr. Hans Theiss (@hanstheiss1) May 3, 2023
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In sozialen Medien nehmen viele die Kritik auf – und werfen der Stadtbibliothek vor, "Frühsexualisierung" zu betreiben, für die "Transideologie" zu werben oder Pädophilie zu fördern. Auch in Tageszeitungen sorgt das Thema bereits für Gesprächsstoff.
Dabei stellte Vicky Voyage etwa in der "Bild" klar: "Uns geht es nicht um Sexualität, sondern um Identität und Diversität. Es geht darum, dass jedes Kind so sein soll, wie es sein möchte." Es handle sich um ein "kindergerechtes Programm", in dem alternative Lebensweisen aufgezeigt werden sollen. Damit wolle man "die Scheuklappen, die man als Erwachsener oft hat, zur Seite schieben".
Mit Hakenkreuzen gegen Dragqueen-Lesungen
Derartige Lesungen gibt es bereits in vielen Ländern. Ziel ist, Kindern zu zeigen, dass queere Menschen existieren. Insbesondere in den USA gibt es aber viele Proteste dagegen: Dort protestieren immer wieder Rechtsextreme mit christlichen oder konservativen Gruppen gegen diese Events – vor wenigen Wochen demonstrierten etwa hunderte Menschen mit Hakenkreuzfahnen und "Sieg heil"-Rufen in Ohio gegen eine "Drag Queen Story Hour" (queer.de berichtete).
In Österreich musste letzten Monat ein Großaufgebot der Polizei eine Lesestunde vor rechtsextremen Demonstrant*innen schützen (queer.de berichtete). Dort solidarisieren sich inzwischen queerfreundliche Politiker*innen wie Vizekanzler Werner Kogler offen mit Dragqueens und attestieren: "Drag is not a Crime".
Twitter / WKoglerFür ein Klima der Vielfalt. Solidarität mit Candy Licious und der ganzen LGBTIQ-Community #Dragisnotacrime pic.twitter.com/wOKsPDsxq2
Werner Kogler (@WKogler) April 16, 2023
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Grund für die Wut ist offenbar, dass offene Homophobie – wie sie etwa vor einigen Jahrzehnten insbesondere bei der Union üblich war – nicht mehr akzeptiert wird. Vor 35 Jahren hatte der bayerische Kultusminister Hans Zehentmayr (CSU) etwa noch attestiert, dass Homosexualität pauschal in den "Randbereich der Entartung" gehöre. Inzwischen versuchen queerfeindliche Kräfte dagegen, Sichtbarkeit von queeren Menschen als Gefahr für Kinder darzustellen. Zudem wird mehr auf Transphobie gesetzt – viele queerfeindliche Twitter-Nutzer*innen bringen die Dragqueen-Lesung etwa mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz in Zusammenhang.
