Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?45486

Berlin

Vor 90 Jahren zerstörten die Nazis das Hirschfeld-Institut

Am 6. Mai 1933 wurde das von Magnus Hirschfeld gegründete Institut für Sexualwissenschaft im Berliner Tiergarten von den Nationalsozialisten zerschlagen. Am Mittwoch findet in der Staatsbibliothek eine Gedenkveranstaltung statt.


Das Institut für Sexualwissenschaft nach der Plünderung und Verwüstung durch die Nationalsozialisten (Bild: Bundesarchiv)
  • 6. Mai 2023, 10:58h 1 3 Min.

Der 6. Mai gilt als das Datum in der Sexualwissenschaft. Am 6. Mai 1933, vor neunzig Jahren, wurde das von Magnus Hirschfeld gegründete Institut für Sexualwissenschaft von den Nationalsozialisten zerschlagen. "Mit der Plünderung geht ein Meilenstein der Sexualwissenschaft verloren. Das Lebenswerk Hirschfelds zerstört. An einem einzigen Tag", heißt es in einem Online-Dossier der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.

An jenem 6. Mai vor neunzig Jahren war das Institut in der Straße In den Zelten 10 in Berlin-Tiergarten erst von rund 100 nationalsozialistischen Studierenden durchwühlt und geplündert und am Nachmittag erneut von der SA heimgesucht worden. Von der umfangreichen Bibliothek blieb kaum etwas übrig: "Sie nehmen alles mit. Sind noch gründlicher. Offenbar noch getriebener. Noch genauer. Noch versessener. Werke von Oskar Wilde. Von André Gide. Von Marcel Proust. Von Sigmund Freud", heißt es in dem Dossier. "Immer wieder fragen die SA-Leute nach einer Person. Nach Magnus Hirschfeld."

Während sich der jüdische und schwule Institutsgründer längst ins Exil abgesetzt hatte, wurden sämtliche Bücher, die im Institut für Sexualwissenschaft geplündert wurden, vier Tage später von den Nazis auf dem Berliner Opernplatz verbrannt. Im Fackelzug trugen die Nazis auch eine Büste Magnus Hirschfelds und schmissen sie auf den Scheiterhaufen.

Neuer Senat plant "Magnus-Hirschfeld-Tag"


Blumen am Denkmal für das Institut im Berliner Tiergarten (Bild: BMH)

Am Vortag des Jahrestags legte Helmut Metzner, Vorstand der Bundes­stiftung Magnus Hirschfeld, am Freitag Blumen am Denkmal für das Institut im Berliner Tiergarten nieder. "Ich freue mich, dass nun auch der Senat von Berlin das Andenken an Dr. Magnus Hirschfeld, einen der größten Vorkämpfer der ersten queeren Emanzipationsbewegung in Europa, künftig nicht nur weiter unterstützen, sondern noch verstärken möchte", erklärte Metzner. Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU und SPD auf die Etablierung eines "Magnus-Hirschfeld-Tags" verständigt (queer.de berichtete).

Am Mittwoch, den 10. Mai 2023 um 19 Uhr findet in der Berliner Staatsbibliothek (Unter den Linden 8, 10117 Berlin) die Gedenkveranstaltung "Verloren. Wiederentdeckt. 90 Jahre Zerstörung des Instituts für Sexualwissenschaft" statt. Auf dem Programm stehen u.a. ein wissenschaftlicher Vortrag von Jens Dobler und Diskussionsrunden zur Bedrohung queerer Kultur damals und heute.

Laut Metzner haben sich weit über 200 Personen für die (bereits ausgebuchte) Veranstaltung angemeldet. "Die Tage zwischen dem 6., 10. und 14. Mai stehen im Zeichen des Gedenkens an die NS-Verbrechen, die Vernichtung queerer Infrastruktur und das Ende der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, sowie millionenfache Grundrechtsverletzungen", so der Stiftungsvorstand. "Wir dürfen nicht zulassen, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Nie wieder!"

Das Institut stand für den liberalen Geist der Weimarer Republik

Wie kaum eine zweite Institution repräsentierte das 1919 von Magnus Hirschfeld gegründete Institut für Sexualwissenschaft den liberalen Geist der Weimarer Republik. Konzipiert als Forschungs-, Lehr-, Heil- und Zufluchtsstätte ermöglichte es insbesondere allen von der heterosexuellen Norm abweichenden Menschen vielfältige Möglichkeiten der Beratung und Diagnostik, des Austausches und der Fortbildung. Darüber hinaus war das Institut bei allen weiteren Fragen zur menschlichen Sexualität eine wichtige Anlaufstelle und betrieb Ehe- und Schwangerenberatung, befasste sich mit Empfängnisverhütung, Abtreibung und der Wirksamkeit von Potenzmitteln.

Als weltweit erste und für lange Zeit einzige Einrichtung nahm das Institut somit alle, das Sexuelle betreffende Aspekte der menschlichen Existenz ernst und bezog insbesondere in Person seines Gründers Magnus Hirschfeld darüber hinaus auch in politischen und juristischen Fragen eindeutig Stellung. Beispielsweise kamen wesentliche Impulse zur Abschaffung des Paragrafen 175 des Reichsstrafgesetzbuches von Institutsmitarbeitern oder dem Institut angeschlossenen Einrichtungen. (cw/pm)