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BKA-Statistik vorgestellt
Starker Anstieg bei Straftaten gegen geschlechtliche Minderheiten
BKA und Innenministerium stellen die Zahlen zu politisch motivierter Kriminalität im Jahr 2022 vor. Im vergangenen Jahr verdreifachten sich Straftaten gegen geschlechtliche Minderheiten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) (Bild: BMI / Peter Jülich)
- 9. Mai 2023, 15:56h 3 Min.
Die Zahl registrierter Fälle von Hasskriminalität gegen LGBTI ist im Jahr 2022 weiter gestiegen. Am Dienstag stellten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, die Statistik zur politisch motivierten Kriminalität vor.
Zum vierten Mal in Folge nahm auch die Gesamt-Zahl der politisch motivierten Kriminalität zu, und zwar um sieben Prozent im Vergleich zu 2021. Faeser ordnete den Anstieg dabei Taten aus dem Zusammenhang mit Anti-Coronamaßnahmen-Protesten sowie mit dem russischen Angriffskrieg zu.
Weil die Behörden die meisten der Straftaten von Querdenker*innen und Reichsbürger*innen nicht als rechts einstufen, führen inzwischen nicht mehr die Rechten die Statistik der politischen Straftaten an, sondern der Phänomenbereich "nicht zuzuordnen". Teile dieser beiden Bewegungen haben zuletzt auch immer wieder LGBTI ins Visier genommen.
417 Straftaten aus "Geschlechtsbezogene Diversität"
Im Unterthemenfeld der sexuellen Orientierung zählten die Behörden 1.005 Straftaten, darunter 227 Gewaltdelikte. Die Gesamtzahl stieg im Vergleich zu 2021 um 15 Prozent. Beim Themenfeld "Geschlechtsbezogene Diversität", worunter spezifische Attacken auf geschlechtliche Minderheiten fallen, wurden 417 Straftaten registriert.
Im Vorjahr hatte die Kategorie noch "Geschlecht/Sexuelle Identität" geheißen und deshalb Straftaten gegen geschlechtliche Minderheiten und solche gegen Frauen vermengt. Die dabei erfassten 340 Straftaten in 2021 stehen im Folgejahr 206 frauenfeindlichen sowie 417 Straftaten aus dem Bereich geschlechtsbezogener Diversität gegenüber.
Zieht man die frauenfeindlichen Straftaten ab, ergibt sich eine Steigerung der registrierten Straftaten gegen geschlechtliche Minderheiten um über 300 Prozent. Bei 82 der nun gezählten Straftaten im Bereich geschlechtsbezogener Diversität handelte es sich zudem um Gewaltdelikte. Somit wurden insgesamt über 1.400 queerfeindliche Straftaten registriert, davon 309 Gewaltstraftaten.
Bei den BKA-Zahlen handelt es sich um eine Eingangsstatistik. Gezählt werden eröffnete Ermittlungsverfahren, bei denen die Beamt*innen eine queerfeindliche Motivation annehmen. Weder handelt es sich also um Zahlen über die tatsächliche Häufigkeit dieser Straftaten, noch wird die Statistik davon getrübt, wenn Richter*innen wie im Fall Malte C. später keine Queerfeindlichkeit mehr erkennen wollen.
Erschütternde Zahlen
Holger Münch betonte, dass der Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die freiheitliche Grundordnung bleibe. Die Zahl der Straftateten gegen Geflüchtete etwa nahm im Berichtszeitraum um neun Prozent zu. Auch Asylunterkünfte seien wieder vermehrt ins Visier genommen worden.
Der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, nannte die vorliegenden Zahlen erschütternd. "Klar ist: Jeden Tag werden LSBTIQ* in Deutschland beleidigt, angegriffen und attackiert." Damit dürfe und werde man sich nicht abfinden. Ziel der Bundesregierung sei es, Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken, LSBTIQ* vor Gewalt, Übergriffen und Anfeindungen zu schützen und Opfer besser zu unterstützen.
Zum Thema hatte die Bundesregierung im Dezember einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem Taten aus Hass gegen LGBTI sowie Frauen besser geahndet werden sollen (queer.de berichtete). "Dieses Gesetz muss der Bundestag nun zügig verabschieden", forderte Lehmann. Durch die ausdrückliche Aufnahme "geschlechtsspezifischer" sowie "gegen die sexuelle Orientierung gerichteter" Motive in die Strafgesetze zu Hasskriminalität würden diese "in Gerichtsverfahren eher strafverschärfend einbezogen und damit besser geahndet", zeigt sich Lehmann zuversichtlich. Wer Hasstaten gegen LSBTIQ* ausübe, müsse "mit der vollen Härte des Strafrechts rechnen".
Neu war bei der Vorstellung der Statistik auch die erstmalige Ausdifferenzierung der geschlechtsbezogenen Straftaten. Denn im Zuge der Auffächerung von Straftaten gegen Trans, Inter und Nichtbinäre (TIN) sowie Frauen sahen sich die Behörden auch aufgefordert, ganze 15 Straftaten aus "Männerfeindlichkeit" gesondert auszuweisen. (jk)

Links zum Thema:
» Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2022 – bundesweite Fallzahlen