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Vor Wahlen am Sonntag

FDP Lübeck: Bürger*­innenschaft soll geschlechter­gerechte Sprache verbieten

Seit 2020 nutzt die Lübecker Verwaltung in Anschreiben den Gender-Doppelpunkt. Doch die in der 216.000-Einwohner*innen-Stadt genutzten Formulierungen sollen künftig ein demokratisches Ende finden.


Sogar auf dem Gehsteig wird man von oben herab angegendert! (Bild: Coyote III / wikipedia)
  • 10. Mai 2023, 11:38h 12 4 Min.

Seit der Lübecker Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) Ende 2019 seine Verwaltung anwies, Bürger*­innen in geschlechter­gerechter Sprache anzureden, sind Briefe der Stadt mit dem Gender-Doppelpunkt formuliert (queer.de berichtete). Doch nun, dreieinhalb Jahre später, wittern die Gegner*­innen der geschlechter­gerechten Sprache Morgenluft.

Die FDP der Hansestadt möchte die Anweisung des Bürgermeisters gerne in der Bürger*­innenschaft zur Abstimmung stellen. Und geht es nach den Liberalen, dann wird die Verordnung dort gekippt. Passieren soll das allerdings erst nach den Wahlen. Die sind für kommenden Sonntag angesetzt. Wer es also unbedingt auf das Ende geschlechter­gerechter Formulierungen in kommunalen Schreiben abgesehen hat, mache sein Kreuz im Anschluss an die ESC-Nacht am Samstag bei der Lübecker FDP.

In Lübeck gibt es tatsächlich eine Anordnung...

Aufwind dürfte die Partei bei ihrer Ankündigung auch von der Anti-Gender-Initiative von Sabine Mertens aus dem nahen Hamburg verspüren. Die hat es mit ihrem Verein Deutsche Sprache e.V. auf einen Volksentscheid samt großer Aufmerksamkeit und Wahlkampf abgesehen und die Initiative trotz oder gerade wegen gehässiger queerfeindlicher Äußerungen erfolgreich auf die politische Agenda gesetzt. Mertens' dabei mehrfach vorgetragenes Argument: Das "Gendern" werde den Menschen "von oben aufgezwungen".

Doch während sich die Liberalen in Hamburg noch von der offensichtlich auf Homo- und Transphobie gründenden Anti-Gender-Initiative abgrenzen, setzt die Lübecker Schwesterpartei das Thema nun selbst auf die Tagesordnung. Immerhin: In Lübeck ist die geschlechtergerechte Sprache nicht nur Empfehlung wie in Hamburg, sondern tatsächlich angeordnet.

Im dazu ausgeteilten Leitfaden hatte es zur Begründung geheißen: "Bei der Hansestadt Lübeck wollen wir alle Menschen ansprechen. Frauen und Männer und jene, die sich nicht als Frau oder Mann beschreiben. Deshalb wird zukünftig in der Verwaltung der Hansestadt Lübeck so formuliert, dass sich alle Geschlechter angesprochen fühlen (z.B. Beschäftigte). Ist so eine umfassende Formulierung nicht möglich, wird der Gender-Doppelpunkt verwendet (z.B. Bewohner:innen)."

Diese Vorgabe gelte "für sämtlichen Schriftverkehr der Verwaltung (E-Mails, Präsentationen, Broschüren, Presseartikel, Drucksachen, Hausmitteilungen, Flyer, Briefe – und schließt somit auch Formulare ein)", hieß es weiter. "Bei der Hansestadt Lübeck wird in Schriftstücken grundsätzlich der Gender-Doppelpunkt verwendet oder genderneutral formuliert."

Lübecks Gleichstellungsbeauftragte Elke Sasse erklärte damals, dass Stellenausschreibungen der Stadt "schon länger in der Form veröffentlicht" worden seien. Es gebe positive Rückmeldungen, "da der Doppelpunkt gut verständlich ist und nicht den Lesefluss stört".

...aber wie bindend ist diese Anordnung?

Das damalige Vorgehen kritisiert nun die FDP-Bürger*innenschaftskandidatin und Vorsitzende der Liberalen Frauen Schleswig-Holsteins, Ulrike Klees. Sie meint: "Bürgermeister Lindenau hat die Pflicht zum Gendern für die städtische Verwaltung ab Anfang 2020 ohne Beschluss der Bürgerschaft umgesetzt." Nach über drei Jahren der "Erprobung" sei es nun an der Zeit, "politisch zu entscheiden, ob der Lübecker Genderweg fortgesetzt werden soll".

Sie findet, dass die geschlechtergerechte Sprache vor allem spalte. Leidenschaftlichen Befürworter*innen würden leidenschaftliche Gegner*innen gegenüberstehen. Lindenau sei Ende 2019 vorgeprescht und habe sich dadurch "Aufmerksamkeit" verschafft. "Wir wollen über die Bürgerschaftsentscheidung erreichen, dass Lübeck wieder zur regulären Amtssprache zurückkehrt, wie sie auch in Schulen Schleswig-Holsteins gelehrt wird".

Dass das zumindest offiziell so ist, verdankt sich allerdings auch keiner Entscheidung des schleswig-holsteinischen Landtages. Im September 2021 ordnete Bildungsministerin Karin Prien (CDU) die maskulin gegenderte Einheitssprache von oben an – nicht Kraft ihres Amtes per Ministeriumserlass, sondern lässig per Statement in den Medien. "Gendersternchen, Binnen-I und Unterstrich" seien "in der Schule grundsätzlich nicht gestattet", hatte sie gegenüber den "Lübecker Nachrichten" gesagt (queer.de berichtete). Erst Monate vorher meinte Prien noch: "Sprache verändert sich mit der Gesellschaft, aber bitte ohne staatlich verordneten Zwang."

Antigenderist*innen vom Verein Deutsche Sprache hatten schon zur Einführung der Anordnung in Lübeck schrill protestiert und kommunalen Mitarbeiter*innen, die sich dem Doppelpunkt widersetzen, Prozesskostenhilfe versprochen. Doch eine Prozesskostenhilfe sei gar nicht nötig, erklärte Lindenau damals, "da wir bei der Hansestadt Lübeck kooperativ und partnerschaftlich Regeln umsetzen". Der Bürgermeister versicherte: "Niemand hat mit personalrechtlichen Konsequenzen zu rechnen, weil er einen Doppelpunkt nicht verwendet." Konsequent wollte man damals nur in einer Sache sein: Bei der Unterbindung von Binnen-I und Gendersternchen. Der Einheitlichkeit wegen. (jk)

#1 Pic_Anonym
  • 10.05.2023, 12:59h
  • Ich finde es immer wieder bemerkenswert, bei welchen Themen die FDP von ihrer Maxime abrückt, dass Verbote nicht in Ordnung sind.
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#2 mmmmAnonym
  • 10.05.2023, 14:55h
  • fdp ist auch so schön queerfreundlich wie cdu, csu und afd. warum nur eine von diesen parteien ist aus dem csd ausgeschlossen?
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#3 PrideProfil
  • 10.05.2023, 17:20h...
  • Die Möglichkeit der Anordnung geschlechtergerechter Schreibweise ergibt sich meines Erachtens auch aus dem Urteil zur dritten Geschlechtsoption, aus dem ja wohl eine solche verpflichtende für Stellenausschreibungen hervorgegangen ist.
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