Hauptmenü Accesskey 1 Hauptinhalt 2 Footer 3 Suche 4 Impressum 8 Kontakt 9 Startseite 0
Neu Presse TV-Tipps Termine
© Queer Communications GmbH
https://queer.de/?45573

Beliebte deutsche Webseite

So unsexy klärt "gofeminin" über lesbischen Sex auf

Die Frauen-Content-Schleuder "gofeminin" hält neben Infos darüber, wie die Sterne stehen, auch Sex-Ratgeber auf Vorrat. Gründlich misslungen ist nun ein Guide zu Lesbensex.


Dr. Frauke Höllering als Teil des Versuchs von "gofeminin", den Leserinnen die Lust auf den Lesbensex … auszutreiben (Bild: Screenshot / gofeminin)

Die Marke "gofeminin" steht für Beauty, Mode, ganz viel Astrologie, Koch- und Backrezepte, Gesundheit, Familienleben – und für Sex. An anderer Stelle heißt es: "Deine tägliche Dosis Women Empowerment, Inspiration, Information & gute Laune". Die Inhalte der schon 1999 gegründeten Website zählen mehrere Millionen an monatlichen, Einnahmen generierenden Zugriffen.

Nun verspricht ein Artikel nichts Geringeres als: "Lesbischer Sex: Alles, was ihr wissen müsst"" Doch die queere Aufklärung fällt dann ziemlich bemerkenswert bis skurril aus – vor allem, wenn man vergleicht, wie die Kolleg*innen andere Sex-Themen präsentieren.

Weit mehr als Penetration

Zum Beispiel, wenn es um Pegging geht, also Heterosex mit vertauschten Rollen, oder um Bondage: Auch hier machen die "gofeminin"-Macher*innen den ausgeschriebenen Content mit Videoclips zum Einstieg schmackhaft. Und die zeigen stets viel nackte Haut in kontrastreicher Beleuchtung, gefesselte Hände, Nahaufnahmen von Paaren in lustvollen Szenen oder etwa dekorativ drapierte Sextoys.

Genügend Inspiration für eineinhalb Minuten Bewegtbild-Apetizer über lesbische Liebe – sollte man meinen. Doch hinter einem Klick auf das Video zum Lesbensex warten weder von Oberschenkeln gerade so verdecktes Vulvalecken noch sich liebkosende, freudestrahlend jauchzende Frauengesichter, an denen sich die Menge der Sommersprossen abzählen ließe. Stattdessen klärt eine Allgemeinärztin – immerhin mit Schwerpunkt Sexualmedizin – in einer Ansprache über das Thema auf. Und die erinnert vor allem an den Biologieunterricht in der Schule.

"Sex ist ja weit mehr als Penetration – auch in Heterobeziehungen", versucht Dr. Frauke Höllering mit einem einleitenden Satz die Offenheit und Neugier der Zuschauerinnen zu wecken. Es gehörten Streicheln und Oralsex dazu. Und auch lesbische Paare würden ja Dildos und Vibratoren benutzen. Außerdem gebe es "auch in homosexuellen Beziehungen Fetischismus, Sadomasochismus und all die anderen Varianten, die das Sexualleben bunt gestalten".

Nun sind wir natürlich gespannt auf das Bunte am Lesbensex. Doch die an Dr. Höllering gerichtete, erste Frage will dann davon scheinbar gar nichts wissen. Sie lautet: "Gibt es Lesben, die auch heterosexuelle Beziehungen haben?" Die energisch im Geist von Toleranz und Vielfalt vorgetragene Antwort der Ärztin: "Ja!"

Die Sache mit dem Gaydar

Wem die Lust da noch nicht vergangen ist, für den ist die folgende Frage natürlich spannend: Wie erkennt man, ob eine Frau lesbisch ist? Die enttäuschende – oder, je nach Standpunkt, beruhigende – Antwort: "Das ist für viele von uns gar nicht zu erkennen". Warum? Weil es genau so viele unterschiedliche homosexuelle wie heterosexuelle Frauen gäbe. Schön wär's – gemeint ist aber wohl, dass es unter lesbischen Frauen genau die gleichen Unterschiede in Auftreten, Aussehen und Verhalten gäbe wie bei heterosexuellen.

Die Annahme dürfte vor allem den Wünschen der cisgeschlechtlich-heterosexuellen Mehrheitsgesellschaft entsprechen, die sich Minderheiten und Marginalisierte am liebsten als "wie du und ich" vorstellt. Um es dann beim Tolerieren leichter zu haben. Doch all den spannenden, subtilen Codes von Zugehörigkeit und Differenz, all den am Körper ablesbaren Ausdrücke eines Inneren, das eben sehr wohl verschieden ist, wird das natürlich nicht gerecht. Und damit all dem, durch das Lesben sowie bi- und pansexuellen Frauen und Enbies ein gegenseitiges Erkennen häufig eben doch möglich ist. Das weiß denn auch Dr. Höllering. In der Sprache der Ärztin: "Aber lesbische Frauen spüren das Knistern, das sich zwischen zwei Mädels entwickeln kann, deutlich eher."

Zärtlicher Pettingsex

Damit endet das Video auch schon. Doch die Einführung in alles, was man über Lesbensex wissen muss, ist hier keineswegs bereits beendet. Es folgen schriftliche Ausführungen, die zunächst einmal und dann immer wieder darum bemüht sind, zu betonen, dass lesbischer Sex gegenüber heterosexuellem – und ganz ohne Penis! – keinen Mangel bedeutet. Das passiert auf eine so ungeschickte Weise, dass es für viele Leserinnen wohl schwerlich möglich sein dürfte, nicht auf das genau entgegengesetzte Fazit gestoßen zu werden.

Lesbischer Sex werde von vielen bisexuellen Frauen "als einen Tick zärtlicher als Heterosex empfunden", heißt es dazu weiterführend. Da dürfte sicher was dran sein – aber liegt das dann wirklich am lesbischen, hier "penislosen" Sex im Sinne eines Naturgesetzes oder nicht vielleicht vor allem am kulturell geformten Desinteresse heterosexueller Männer? An all dem für sie ja weitgehend konsequenzlosen Übergehen der Wünsche, der Körper und Persönlichkeiten ihrer Partnerinnen?

Und: Bedeutet "zärtlich" eigentlich, dass es in den Betten von Lesben nicht wild, schmutzig oder hart zugeht oder zugehen kann? In der Realität wohl kaum, im Lesbensex-Guide von "gofeminin" dafür umso mehr: "Letztendlich besteht ein großer Teil der lesbischen Erotik aus Petting und gezielter Stimulation der erogenen Zonen. Also dem, was man auch bei Heterosex gemeinhin als Vorspiel bezeichnet."

Klar, das Wörtchen "auch" ist verrutscht und es müsste hier heißen: "(…) was man bei Heterosex auch gemeinhin als Vorspiel bezeichnet". Denn so liest es sich, als sei lesbischer Sex so eine Art ewige Vertagung des Kerns der Sache. Und das meinen die doch wohl nicht. Bestimmt nicht. Oder?

Das Gespenst des "vaginalen Orgasmus"

"Aber lesbischer Sex kann weit mehr, als nur ein bisschen Streicheleinheiten", arbeitet sich der Text noch immer am eigenen Unwissen, dem eigenen Vorurteil ab. Wer hofft, dass es jetzt mal sexy wird, muss wieder mit der Enttäuschung leben. Erstes Beispiel für "mehr als Streicheleinheiten": "Tribadie"! Nach einem kurzen Exkurs ins Griechenland der klassischen Epoche (*gähn*) wird die "Sextechnik" erklärt.

Sie sei nämlich eine, "bei der beide Frauen ihre Geschlechtsorgane aneinander reiben und damit ohne Penetration zum klitoralen Orgasmus kommen". Hätte es nicht wenigstens die mit etwas weniger Staub und dem Geschmack einer iberischen Dürreperiode überzogene Bezeichnung "Scissor-Sex" sein können? Und überhaupt: Ein "klitoraler" Orgasmus, ganz ohne Penetration! Schwer zu glauben, wie sich die mutmaßlich sexuell dauerbefriedigten, heterosexuell lebenden Leserinnen von "gofeminin" mit ihren ständigen, im späteren Text tatsächlich noch erwähnten "vaginalen Orgasmen" das überhaupt vorstellen können sollen!

Wir zählen also das Jahr 2023 und man muss diesen frauenfeindlichen und heterosexistischen Unsinn noch immer lesen. Also nochmal zum Mitschreiben: Die Klitoris ist ein Organ, das abseits seiner außen sichtbaren Spitze in den Körper hinein reicht und sich dann auch noch mit seinen Schenkeln und Schwellkörpern links und rechts um den Anfang des Vaginalkanals legt. So weit zum Verständnis, das hier von Interesse ist.

Es gibt keine "klitoralen" auf der einen und "vaginale" Orgasmen auf der anderen Seite. Und die Fixierung auf die An- und vor allem Abwesenheit von Penetration dürfte weniger mit lesbischem Sex, dafür aber umso mehr mit dem nagenden Zweifel zu tun haben, den sich heterosexuelle Frauen bezüglich ihres eigenen Sex machen. Zum Beispiel, weil es erdrückende Hinweise darauf gibt, dass es heterosexuelle Frauen bevorzugen, mit ziemlichen Nieten in die Kiste zu steigen. Und sich angesichts dieses fortwährenden Schlamassels lieber gar nicht erst so richtig mit sich selbst zu beschäftigen. Ist nicht persönlich gemeint.

Lesben müssen einfach etwas kreativer sein

Doch zurück zum Text und zu unserer Lieblingsauseinandersetzung – der mit dem (vermeintlich) bei lesbischem Sex fehlenden Penis: "Klar, wenn zwei Frauen Sex haben, gibt es keine klassische Penetration via männlichem Penis." Deshalb müssten Frauen "hier kreativ sein", so der "gofeminin"-Lesbensexguide.

Die Kolleg*innen setzen nicht darauf, dass Menschen mit Vulva intuitiv oder wenigstens mit ein wenig sexualaufklärerischer Nachhilfe wissen können, wie sie gerne berührt werden oder wo sie andere gerne wie anfassen wollen – wie sich Reibung im Schoß, am Hüftknochen, zwischen den Schenkeln anfühlt. So können sie es zwar kurz behaupten (Frauen "profitieren vom Wissen über den weiblichen Körper"), aber nicht berichten. Stattdessen wird das Fehlen eines Penis ein ums andere Mal als Problem konstruiert, für das es erst einmal gilt, eine "kreative" Lösung zu finden.

Und die lautet hier, dass lesbischer Sex "deshalb" auch "sehr vielfältig" sei. Warum? "Zum einen, weil er viel oral stattfindet." Okay, vermutlich findet heterosexueller Sex auch "viel oral statt". Gemeint sein dürfte hier aber, dass die Sterne für die Leserinnen beim Sex mit einer Frau oder einer Lesbe wohl deutlich besser stehen, mal ordentlich geleckt zu werden. Und zum anderen? Das erfahren wir nicht.

Was wir dann aber erfahren, ist, dass "die Spielarten des Verwöhnens" bei lesbischen und heterosexuellen Paaren "sehr ähnlich" seien – vorausgesetzt, dass der Heterosex "mehr als reine Penetration" ist. Aber wir sind ja hier nicht in einem Heterosexguide für Frauen, sondern immer noch beim Lesbensex, richtig? Und deshalb kommen wir jetzt auch mal zum Lesbensex und seiner kreativen Vielfalt – richtig?

"Sicherlich denken viele, dass bei lesbischem Sex dennoch irgendwie der Penis bzw. die Penetration fehlen würde", leitet der nächste Absatz ein, um dann schnell hinterher zu schieben: "Das ist jedoch nicht der Fall." Na, wenn ihr es sagt! Denn: "im Gegensatz zu zahlreichen Vorurteilen ist die Penetration durchaus ein fester Bestandteil der lesbischen Sextechnik." Dazu sei "gar kein männlicher Penis nötig". So wird auch diese ja irgendwie korrekte Feststellung durch völlig unnötiges Ins-Verhältnis-Setzen zu Penissen entwertet. Penetrieren könne man mit Fingern, Zunge (naja), Dildos und Vibratoren. Und Gleitmittel sorgt für "extra Spaß". Danke, dass es mal jemand sagt.

Ein Wort in eigener Sache
Hinter gutem Journalismus stecken viel Zeit und harte Arbeit – doch allein aus den Werbeeinnahmen lässt sich ein Onlineportal wie queer.de nicht finanzieren. Mit einer Spende, u.a. per Paypal oder Überweisung, kannst Du unsere wichtige Arbeit für die LGBTI-Community sichern und stärken. Abonnent*innen bieten wir ein werbefreies Angebot. Jetzt queer.de unterstützen!

Den Risiken vorbeugen

Wer nach dieser uninspirierten Aufzählung lesbischer Profanitäten hinter all dem Schielen auf Penisse nicht bereits spontan an Vaginismus erkrankt ist, wird zum Schluss noch mit auf den Weg gegebenen Warnungen bedacht. Lesbische Frauen seien dem Risiko sexuell übertragbarer Krankheiten "genauso ausgesetzt wie heterosexuelle Paare".

Das stimmt zwar eben gerade nicht. Die Wahrscheinlichkeit von Übertragungen ist insgesamt deutlich niedriger, die Infektlast in der Population, nicht zuletzt bei HIV, viel kleiner. Aber aus dem angestrengten Wunsch heraus, selber daran glauben zu können, dass es sich bei lesbischem Sex um einen irgendwie gleichwertigen Sex handelt, macht die Behauptung natürlich Sinn. So folgen als Verhütungstipp gegen Infektionen denn auch nur Lecktücher und einjährige vaginale Abstriche. Die vielleicht wichtigeren Verhaltensregeln wie die, auf offene Hautstellen und scharfkantige Nägel an den Fingern zu achten oder Menstruationsblut ganz weit weg von Schleimhäuten anderer Menschen zu halten, fehlen.

Das Portal "gofeminin" schafft es, den Leserinnen lesbischen Sex so beeindruckend unsexy zu erklären, dass sich die Frage danach doch recht bald aufdrängt, was das Ganze eigentlich soll. Vielleicht ist die ideologische Dividende ja die: Den Nutzerinnen die beruhigende Botschaft zu verkaufen, dass es anderswo auch scheiße ist. Auch, wenn das nicht stimmt.

#1 MonjaAnonym
  • 13.05.2023, 11:34h
  • Oh Gott, ich dachte langsam wirklich das wir es hinter uns haben, heteros erklären zu müssen das so etwas wie die Klitoris existiert und das Oralsex auch Sex ist. Naja.. leider falsch gedacht.
  • Antworten »  |  Direktlink »
#2 canSarahAnonym
  • 14.05.2023, 08:19h
  • Empfand damals schon goFem als eine skurrielle Webseite mit skurriellen Ansichten. Männer dürfen das nicht tragen
  • Antworten »  |  Direktlink »
#3 canSarahAnonym