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Lyrik

Ode an die Queerness

Nach dem Coming-out als nichtbinär im Jahr 2020 widmet sich Schriftsteller*in und Musiker*in Kae Tempest in dem Lyrikband "Divisible by Itself and One" weiter drängenden Fragen nach Körper, Geschlecht und Gemeinschaft.


Kae Tempest bei einem Auftritt am Welt-Aids-Tag 2022 (Bild: IMAGO / Matteo Gribaudi)

Wer Kae Tempest kennt, wird bei Nennung dieses Namens vermutlich auch die Stimme der kunstschaffenden Person im Ohr haben. Seit dem Durchbruch im Jahr 2014 mit dem Debütalbum "Everybody Down" begeistert Tempest Kritiker*innen und Fans mit einer Mischung aus Rap, Poesie und Spoken-Word-Performances, irgendwo zwischen William Blake und dem Wu-Tang Clan.

Doch auch abseits von Alben und Bühnenauftritten ist Tempest produktiv: Neben Essays, Theaterstücken und einem Roman veröffentlicht they regelmäßig Gedichtsammlungen. "Divisible by Itself an One" (Amazon-Affiliate-Link ) lautet der Titel des aktuellen Bands, der in der edition suhrkamp erschienen ist und neben Tempests Originaltexten deutsche Übersetzungen der Künstlerin Rike Scheffler enthält.

Lyrischer Blick nach innen


Kae Tempests Gedichtband erscheint am 15. Mai 2023 in der edition suhrkamp

Wem Tempests Kapitalismuskritik in der Vergangenheit manchmal zu seicht, zu phrasenhaft war, der kann aufatmen. Denn auch wenn in den aktuellen Gedichten erneut ein deutliches Unbehagen gegenüber Neoliberalismus und verkrusteten politischen Strukturen durchscheint, so behandeln die Texte in "Divisible by Itself an One" eher persönliche Themen und erzählen immer wieder kleine Alltagsgeschichten. Es ist ein Blick nach innen, der wie das letzte Album "The Line Is a Curve" (2022) intimer wirkt als das Frühwerk.

Die Entdeckung und der Umgang mit der eigenen Queerness stehen dabei oftmals im Vordergrund, wenn Tempest sich etwa über den Verlust von straighten Freunden beklagt, die Kinder bekommen haben. Besonders schön ist auch der "Love song for queens, studs, butches, daddies, fags and all the other angels", in dem Tempest trans Menschen feiert und um Akzeptanz für sich selbst in der queeren Gemeinschaft bittet.

So beschwingt und erbaulich wie dieses Liebeslied kommen allerdings nicht alle Gedichte daher. Immer wieder werden auch Einsamkeit, Verlorenheit und seelischer Schmerz thematisiert. Von Teilen an sich, die zugleich geliebt und getötet werden wollen, schreibt Tempest da beispielsweise.

Sound ohne Stimme

So wunderbar viele der Texte in dieser Sammlung sind, so sehr vermisst man an manchen Stellen doch den Klang von Tempests Stimme. Der unverwechselbare Sound findet sich sicherlich auch in den Zeilen auf den Buchseiten wieder, aber es ist bloß ein Echo, ein Nachhall. Tempests Kunst – wie auch der nicht rundum überzeugende Roman "Worauf du dich verlassen kannst" und der Essay "Verbundensein" zeigen – lebt eben zu einem großen Teil von der Performance und den Live-Auftritten.

Eine gemischten Eindruck hinterlässt zudem die deutsche Übersetzung. Sie erweist sich zwar als hilfreich für Leser*innen, die sich allein mit dem englischen Original nicht ganz sicher fühlen, und ist stellenweise gut gelungen. Rike Scheffler findet immer wieder überzeugende Lösungen, um Tempests Sprache ins Deutsche zu holen. Allerdings werden dabei auch die Grenzen eines solchen Unterfangens spürbar: Ein wenig holpert es in der Übersetzung, die Zeilen fransen aus und fallen mitunter fast schon vom Rand der Buchseiten, wo das Englische knapp und kompakt bleibt.

Weiterhin irritiert, dass Scheffler mal recht frei übersetzt, um das Reimschema einzuhalten, und mal die Reime des Originaltexts einfach ignoriert. Dieses Vorgehen wirkt etwas beliebig, aber sollte zumindest diejenigen Leser*innen nicht stören, die über gute Grundkenntnisse des Englischen verfügen und nur ab und zu mal rüberlinsen wollen, wenn sie sich bei einer Vokabel nicht sicher sind.

Infos zum Buch

Kae Tempest: Divisible by Itself and One / Teilbar durch sich selbst und eins. Gedichte. 125 Seiten. edition suhrkamp. Suhrkamp Verlag. Berlin 2023. Taschenbuch: 15 € (ISBN 978-3-518-12809-1). E-Book: 14,99 €

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