
https://queer.de/?45590
München
LSU wirft CSD-Veranstalter*innen Wahlkampf gegen die CSU vor
Die Lesben und Schwulen in der Union kritisieren den Ausschluss der CSU von der Münchner CSD-Demo. Die Begründung sei "mehr als fadenscheinig", heißt es in einer Erklärung – trotz der queerfeindlichen Entgleisungen aus der Partei.

"Bayern war schon immer bunt": LSU-Truck beim CSD München 2018 (Bild: Kornelija Rade / CSD München)
- 15. Mai 2023, 05:04h 5 Min.
Die Lesben und Schwulen in der Union (LSU) erheben schwere Vorwürfe gegen die Veranstalter*innen des Christopher Street Days (CSD) in München. Der Ausschluss eines CSU-Trucks von der Münchner CSD-Parade sei eine "reine Wahlkampfentscheidung", kritisierte der LSU-Landesvorsitzende Jakob Schneider am Samstag in einer gemeinsamen Pressemitteilung von LSU Bayern und LSU-Bundesverband. Am 8. Oktober 2023 wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt.
"Mit großem Bedauern mussten wir diese Woche erfahren, dass ein Wagen der CSU für den Christopher Street Day in München erneut nicht zugelassen wird. Die Begründung für diese Entscheidung ist mehr als fadenscheinig", heißt es in der Erklärung. "Insbesondere für die LSU Bayern und ihre Mitglieder, die aktiv innerhalb der CSU für die Community Stellung beziehen, ist das ein herber Rückschlag. Es ist der Arbeit dieser Mitglieder zu verdanken, dass innerhalb der CSU große Fortschritte erzielt wurden." Landeschef Schneider: "Dass zum Beispiel die Ehe für alle selbstverständlicher Bestandteil im neuen Grundsatzprogramm der CSU ist, macht mich stolz und zeigt, dass sich die Partei bewegt."
Die LSU hoffe, dass die CSD-Organisator*innen "ihre Entscheidung nochmals überdenken", heißt es weiter in der Pressemitteilung. "Der Ausschluss der CSU ist auch ein Ausschluss des Teils der Community, der sich mit der CSU identifiziert. Wer Toleranz fordert, sollte auch tolerant sein und statt einem Ausschluss die Diskussion in Streitfragen suchen."
Für die CSD-Veranstalter*innen hat sich die CSU "disqualifiziert"
Die CSU habe sich "klar für eine Teilnahme am Münchner CSD disqualifiziert", teilten die vier CSD-Veranstalter*innen-Vereine am Montag vor einer Woche mit (queer.de berichtete). Voraussetzung, um beim Christopher Street Day dabei zu sein, sei der "glaubhafte und konsequente Einsatz für gleiche Rechte und gesellschaftliche Akzeptanz aller queeren Menschen", hieß es zur Begründung. "U.a. durch die jüngsten Forderungen von Teilen (nicht nur) der Münchner CSU zum Verbot einer Drag-Lesung in der Münchner Stadtbücherei scheint dies wenig glaubhaft. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sich die Partei mit der Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe mit der Ehe zwischen Mann und Frau immer noch schwertut, wie das neue Grundsatzprogramm beweist."

Wenig Unterstützung für die CSU: Ergebnis unserer Wochenumfrage vom 7. bis 14. Mai 2023
Seit Anfang des Monats hatten CSU-Politiker*innen Stimmung gegen eine für den 13. Juni geplante Drag-Lesung für Kinder in der städtischen Münchner Bibliothek gemacht (queer.de berichtete). CSU-Generalsekretär Martin Huber sprach von "woker Frühsexualisierung", der stellvertretende CSU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat Hans Theiss erfand eine geplante "#Sexualkunde durch Drag Queens" und die CSU-Fraktion im Bezirksausschuss München-Bogenhausen kündigte einen Antrag an, um das Event zu verbieten. Über diesen wird am Dienstag abgestimmt.
Für Kritik hatte zusätzlich ein Besuch von Andreas Scheuer und zwei weiteren CSU-Bundestagsabgeordneten beim extrem rechten und queerfeindlichen US-Gouverneur Ron DeSantis gesorgt (queer.de berichtete). In ihrem am 6. Mai verabschiedeten neuen Grundsatzprogramm (PDF) wendet sich die CSU gegen einen angeblichen "linken Kulturkampf in Form von Identitätspolitik, Wokeness und Cancel Culture". Auch sechs Jahre nach dem Ende des Eheverbots für lesbische und schwule Paare bekennt sich die Partei noch immer "zur traditionellen Ehe von Mann und Frau". Anders als von LSU behauptet, heißt es zur Ehe für alle lediglich: "Wir lehnen jede Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Ehen oder Partnerschaften ab", (queer.de berichtete).
Deutsche Eiche will nun den CSD boykottieren
Unterstützung erhielt die CSU von Szenewirt Dietmar Holzapfel, dem Betreiber der "Deutschen Eiche". "Wir Schwule, Lesben und Queere sind gegen Diskriminierung, deshalb dürfen wir nicht selbst diskriminieren", erklärte Holzapfel gegenüber der Münchner Tageszeitung "tz". "Die Deutsche Eiche macht bei so etwas nicht mit. Es tut weh, aber wenn es beim Ausschluss bleibt, nehmen wir nicht mit einem Wagen am CSD teil."

Werbung für Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beim Münchner CSD 2018 – allerdings nicht auf dem LSU-Wagen (Bild: Erwin Harbeck / CSD München)
Holzapfel gehörte bereits in der Vergangenheit zu den Sponsoren der LSU-Präsenz auf dem Münchner CSD. Im März war er Gast von Ministerpräsident Markus Söder bei "Auf eine weiß-blaue Tasse", dem offiziellen Audio-Podcast der Bayerischen Staatsregierung (queer.de berichtete). In dem Gespräch kündigte Söder, der auch CSU-Vorsitzender ist, überraschend an, dass er gerne einen Aktionsplan für queere Menschen beschließen möchte. Als einziges Bundesland verfügt Bayern noch immer über kein entsprechendes Maßnahmenpaket. Die Münchner CSD Pride Weeks stehen deshalb in diesem Jahr unter dem Motto "Queerer Aktionsplan Bayern jetzt!"
Hinter gutem Journalismus stecken viel Zeit und harte Arbeit – doch allein aus den Werbeeinnahmen lässt sich ein Onlineportal wie queer.de nicht finanzieren. Mit einer Spende, u.a. per oder Überweisung, kannst Du unsere wichtige Arbeit für die LGBTI-Community sichern und stärken. Abonnent*innen bieten wir ein werbefreies Angebot.
Gespräch zwischen CSU und CSD am Dienstag
Ob es beim Ausschluss der CSU von der Politparade bleibt, wird ein Gespräch zwischen der CSU-Fraktion im Stadtrat und den CSD-Organisator*innen am Dienstag im Rathaus zeigen.
Bereits in der vergangenen Woche hatte es einen "Friedensgipfel" mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter gegeben (queer.de berichtete). Auch der SPD-Politiker hatte die Drag-Lesung öffentlich verurteilt. "Ich habe für diese Art Programm kein Verständnis und glaube nicht, dass das für Vierjährige geeignet ist", sagte das Stadtoberhaupt der "Bild"-Zeitung. "Ich würde mit meinen Enkeln nicht hingehen" (queer.de berichtete). Bei dem Treffen mit den CSD-Veranstalter*innen relativierte Reiter seine queerfeindliche Kritik und versuchte sich an einer Entschuldigung. "Wenn durch dieses Zitat tatsächlich sich jemand verletzt fühlt, dann tut mir das ausdrücklich leid und das war nie meine Absicht", sagte er in einer anschließend aufgenommenen Video-Botschaft.
Dies genügte den Münchner CSD-Veranstalter*innen. Dieter Reiter durfte CSD-Schirmherr bleiben und kann am 24. Juni die Politparade anführen. (mize)

Schmeißt doch einfach alle Parteien raus. Und Unternehmen gleich mit.