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Interview
Wie exhibitionistisch sind Sie, Michelangelo Fortuzzi?
In der neuen ZDF-Serie "WatchMe" spielt Michelangelo Fortuzzi einen jungen Schwulen, der sich mit seinem Partner gegen Geld beim Sex filmt. Wir sprachen mit ihm über Nacktheit vor der Kamera und seine eigene Sicht auf OnlyFans und Co.

Für das ZDF recht freizügige Szene aus "WatchMe": Tim (Michelangelo Fortuzzi) wird von seinem Freund Josh (Simon Mantei) penetriert (Bild: Screenshot ZDF)
15. Mai 2023, 05:54h 7 Min. Von
Für seine Rolle als reumütiger Vergewaltiger in "Alles Isy" erhielt Michelangelo Fortuzzi (22) den Deutschen Fernsehpreis. In der erfolgreichen Jugendserie "Druck" spielte er den sensiblen Teenager Matteo, der nicht weiß, ob er auf Jungs oder Mädchen steht. Dieses Problem hat er ebenfalls als Benno im Serien-Remake von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", wo er als Stricher sein Geld verdienen muss, um an Heroin zu kommen.
Nun ist der Berliner, der in London auf die Schauspielschule ging, in der ZDF-Serie "WatchMe" zu sehen (Serienkritik von queer.de). Mit seinem älteren Partner hofft er auf das schnelle Geld mit Sex auf einem Internet-Portal. Gleich zum Auftakt geht es recht freizügig zur Sache vor der Kamera. Die sechsteilige Instant-Serie ist seit Freitag in der ZDF-Mediathek abrufbar. Ab Samstag, den 3. Juni um 23.50 Uhr ist sie dann auch bei ZDFneo zu sehen.
Herr Fortuzzi, Sie haben sich schon öfters vor der Kamera ausgezogen. Nun erstmals mit einem Intimacy-Coordinator – ein neuer Beruf, der gerade zum Trend wird. Erleichtert dies das Ausziehen von der Kamera?
Ein Intimacy-Coordinator macht die Arbeit definitiv besser. Das Drehen wird angenehmer, weil jeder weiß, was genau gemacht wird. Die Abläufe sind vorab klar festgelegt. Wenn sich jemand unangenehm fühlen sollte, was bei uns nicht der Fall war, gibt es immer diesen Ansprechpartner, der nur dafür da ist, dieses Problem zu klären. Dieser neue Beruf geht auf jeden Fall in die richtige Richtung in der Filmbranche.
Muss man gleichwohl nicht schon ein kleiner Exhibitionist sein, um sich die Blöße zu geben vor der Kamera?
Wenn ein Projekt schön ist und es einem gefällt, dann fallen solche Nackt-Szenen auf jeden Fall einfacher, als wenn man nicht dahintersteht. Für mich jedenfalls ist das eine ganz wichtige Voraussetzung, um die Hüllen fallen zu lassen.

Eigentlich müsste er fürs Abi lernen, sein Freund fordert jedoch mehr Sexdrehs: Michelangelo Fortuzzi als Tim in "WatchMe" (Bild: ZDF / Tiana Lenz)
Gibt es Grenzen, wo Ihnen die Sache zu viel würde? Wo besser ein Körperdouble einspringen sollte?
So lange es keine Nahaufnahmen gibt, kann ich das auch selber machen. (lacht) Bislang habe ich noch kein Double benötigt. Wenn es sehr explizit wird, würde ich dann allerdings schon einen Doppelgänger nehmen.
Ist Ihnen eine Szene besonders im Gedächtnis geblieben?
Bei dem Projekt musste ich über viele Schatten springen – aber deswegen liebe ich diesen Beruf, weil man sich im besten Fall immer wieder neuen Herausforderungen stellt. Das ist auch etwas, was mir bei allen Projekten immer im Kopf bleibt.
Haben Sie recherchiert, um sich mit solchen Sex-Portalen auszukennen? Oder verlässt man sich dabei ganz auf das Drehbuch?
Also, ich habe jetzt kein Abonnement für solche Portale abgeschlossen, die Darsteller haben ja alle einen Instagram-Account, um für sich zu werben. Dort habe ich mir viele Menschen angeschaut, um zu erfahren, was die so machen. Getroffen habe ich von solchen Anbietern niemand, ich verließ mich in diesem Fall ganz auf das Drehbuch, zumal wir für diese Produktion nicht viel Zeit hatten.
Wie sehen Sie Plattformen wie OnlyFans? Sind sie eher Chance oder Gefahr?
Ich sehe darin viele Chancen für die Menschen, die sich auf einer solchen Plattform wohlfühlen und Spaß daran haben, sich selbstbestimmt sexuell auszudrücken. Zu einem Problem wird es nur, wenn es durch fehlende Regulierung zur Ausbeutung kommt.
"WatchMe" gehört zu den neuen TV-Formaten, die wie aus der Hüfte geschossen ebenso schnell entwickelt wie gedreht werden. Steigert das den Adrenalin-Kick oder wächst die Angst vor Fehlern?
Beides! Das Adrenalin steigt, zugleich hat man ein bisschen mehr Angst vor Fehlern, weil sich das zeitlich eigentlich niemand erlauben kann. Entstanden ist dieses neue Format während der Pandemie. Das Konzept dabei war, einen Stoff mit möglichst wenigen Leuten so schnell wie möglich abzudrehen. Man hat weniger Zeit, sich vorzubereiten. Aber wenn die Regie weiß, was sie möchte, klappt das ganz gut. Wenn es Fehler gibt, muss man einfach trotzdem weiterarbeiten. Mir persönlich ist es lieber, wenn ich mehr Zeit für die Arbeit habe!
Sie spielen oft gebrochene Figuren, um die man meist ein wenig besorgt ist. Ist das Absicht oder bloßer Zufall?
Solche Figuren machen mir auf alle Fälle mehr Spaß, glatte Gewinner-Typen sind langweilig. Gleichwohl fände ich es interessant, jetzt auch einmal in eine andere Richtung zu gehen. Aber man muss eben auch mit dem umgehen können, was man so angeboten bekommt. Letztlich haben mich dann eben doch immer die gebrochenen Figuren mehr interessiert.
Was hat Sie an "WatchMe" interessiert?
In der Serie geht es um wichtige, aktuelle Themen, über die viele lieber nicht reden wollen. Ich hoffe, dass "WatchMe" einen Grunddiskurs auslösen wird. Das ist auch, was mich reizt an Projekten, wenn man im besten Fall mit Kunst anregen kann, dass Menschen anfangen, über Tabuthemen zu sprechen. Das macht mich an als Schauspieler, das Publikum zum Reden anzuregen!

Josh (Simon Mantei, r.) will unbedingt erfolgreich auf WatchMe sein. Tim (Michelangelo Fortuzzi, l.) ist bereit, seinen Beitrag dazu zu leisten (Bild: ZDF / Jonas Römmig)
Was halten Sie von der Diskussion, wonach schwule Figuren nur von schwulen Schauspielern dargestellt werden sollen?
Die Forderung finde ich überholt. Zu unserem Beruf gehört es, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Bei Sexualität finde ich das kein Problem. Wenn man nicht homosexuell ist, kann man Homosexuelle spielen. Umgekehrt möchten homosexuelle Schauspieler ja nicht nur homosexuelle Figuren spielen, sondern alle möglichen Arten von Menschen. Die interessantesten Schauspieler sind jene, die sich komplett verändern für eine Rolle. Das macht ja auch beim Zuschauen einfach am meisten Spaß.
Wie viel Spaß macht es Ihnen, sich auf der Leinwand zuzuschauen?
Das macht mir gar keinen Spaß. Ich schaue mir ungern zu, weil ich nicht wissen möchte, wie ich spiele. Ich hätte Angst, irgendwann zu wissen: "Das ist jetzt mein ernstes Gesicht!", und dann hätte ich immer dasselbe ernste Gesicht. Oder eben mein fröhliches Gesicht. Und habe dann immer dasselbe krumme Lächeln. Mir ist es lieber, dass es zumindest in Momenten immer ein bisschen anders sein kann als beim letzten Projekt.
Das heißt, "WatchMe" oder "Druck" haben Sie nie gesehen?
Nein. "WatchMe" habe ich nicht gesehen, von "Druck" habe ich lediglich einige Szenen angeschaut.
Welchen Schauspieler schauen Sie selbst gerne an?
Aaron Hilmer sehe ich sehr gerne. Für mich ist das in Deutschland eines der interessantesten Gesichter. Ihm zuzuschauen macht mir immer wieder großen Spaß.
Wer sind schauspielerische Vorbilder?
Al Pacino steht ganz weit vorne für mich. Mein Vater sagte immer: Wenn du in Filmen spielen willst, dann schau dir diesen Mann an! Allein, wie Pacino seine Stimme kontrolliert, ist grandios. Ansonsten stehen auf der Vorbild-Liste auch River Phoenix oder Johnny Depp.
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Während alle auf die Busch-Schule in Berlin strömen, gingen Sie lieber nach London. War das mit Schulenglisch kein Problem?
Ich wollte einfach einmal heraus aus Berlin, da habe ich mein ganzes Leben lang gewohnt. Die Sprache entwickelt sich dann von allein. Nach ein, zwei Monaten ist man voll drin im Englischen, weil man gar keine andere Wahl hat.
Mit Ihrem Vornamen Michelangelo haben Sie in Berlin ein Alleinstellungsmerkmal, bundesweit wird nur einer von 100.000 Jungen so genannt. Wie nennen Sie Ihre Freunde?
Die meisten sagen Micki. Manche sagen Angelo. Und einige denken sich immer neue Spitznamen aus. Das hängt alles ein bisschen von der sozialen Gruppe ab. Mein italienischer Uropa hatte auch einen hübschen Namen, der hieß Hamleto, also Hamlet.
War der Berufswunsch schon immer klar für Sie?
Ich wollte schon immer Menschen verkörpern. Als Kind war ich fasziniert vom Glöckner von Notre Dame, ich habe mir meinen Rucksack unters T-Shirt angezogen und versuchte vor einem Spiegel so zu laufen wie er. Dass meine Tante das alles beobachtete, hat mich damals zwar unangenehm berührt, am Berufswunsch jedoch nichts geändert.
Was ist die wichtigste Qualität in dem Beruf?
Zu lernen, loszulassen.

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wo sind all die Kritiker, die All you need hier im Forum zerrissen haben jetzt?
Ich bin jetzt mit der Hälfte durch und glaube nicht, dass ich mir den Rest noch antun werde. Die Serie ist, in meinen Augen, absolut schwulenfeindlich und tendenziös; natürlich sind alle Personen, die bei dieser App Inhalte hochladen irgendwie problembehaftet, natürlich ist die schwule Beziehung toxisch, natürlich hält der ältere Josh den jüngeren Tim finanziell aus und erpresst ihn damit und als wäre das noch nicht Klischee genug, wird in einem livechat darüber diskutiert, ob der Josh Tim entführt hat und ihn im Keller gefangen hält.
Das tun doch alle Schwulen jenseits der 30, oder?
Sorry, musste mich hier echt mal ausk........