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San Francisco

Überwachungsvideo: Wachmann erschoss Schwarzen trans Mann grundlos

Im April tötete ein Wachmann einer Drogeriekette in San Francisco den 24-jährigen Banko Brown. Ein nun veröffentlichtes Video zeigt: Von Selbstverteidigung kann kaum die Rede sein.


Das Standbild zeigt einen Moment bevor Banko Brown (li.) den Laden verlässt, wo er erschossen wird (Bild: Staatsanwaltschaft San Francisco)
  • 17. Mai 2023, 11:18h 4 5 Min.

Im Jahr 2022 gab es in den Vereinigten Staaten von Amerika 20.262 erfasste Todesopfer durch Schusswaffen – eine gigantische, schwer vorzustellende Zahl. Klar, dass die Namen und Schicksale der dabei getöteten und ermordeten Menschen keine größere Aufmerksamkeit mehr auf sich ziehen.

Etwas anders ist es nun im Fall des 24-jährigen Banko Brown. Am 27. April wurde der Schwarze transgeschlechtliche Aktivist von einem Sicherheitsmann einer Drogeriekette in San Francisco erschossen. Auch, weil die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Schützen ablehnte und ihn aus dem Gefängnis entließ, kam es zu Protesten.

Aus dem von den Ermittler*innen nun veröffentlichten Überwachungsvideo geht deutlich hervor: Einen Anlass zum Schießen gab es nicht. Das hindert die zuständige Staatsanwältin nicht daran, auf ihrer Sichtweise zu beharren.

Im Weggehen erschossen

Zu der Auseinandersetzung zwischen Brown und dem 33-jährigen Michael-Earl Wayne Anthony war es gekommen, als Brown versuchte, einige Lebensmittel in dem Laden zu stehlen. In den Wochen zuvor hatte der junge Aktivist, der andere in der transgeschlechtlichen Community unterstützte, seine Wohnung verloren. Er war von Obdachlosenunterkünften abgewiesen worden und hatte auf der Straße schlafen müssen.

Das am Montag veröffentlichte Video, das die zuständige Staatsanwältin als entlastend gewertet hatte, zeigt nun den Hergang der Tat. Zunächst hält der Sicherheitsmann Brown beim Verlassen des Ladens auf. Es kommt zu einer Rangelei, dann schlägt er dem Ladendieb mehrfach ins Gesicht. Brown stürzt, der Wachmann versucht, ihn am Boden zu kontrollieren. Als Brown versucht, aufzustehen und zu fliehen, setzt der spätere Schütze weitere Gewalt gegen Brown ein, nimmt ihn in einen Würgegriff und bringt ihn erneut zu Boden. Eigentlich scheint die Situation geklärt.

Doch dann steht die private Ladenwache einfach von Brown auf und lässt ihn augenscheinlich konsequenzenlos gehen. Der greift nach seiner in der Auseinandersetzung verlorenen Tasche mit den gestohlenen Lebensmitteln und läuft zur Tür – ohne, dass er vom Sicherheitsmann daran gehindert wird. Stattdessen hat die Wache inzwischen ihre Pistole gezogen. In der Tür stehend wendet sich Brown um und ruft dem Wachmann etwas entgegen, deutet körperlich an, ihn attackieren zu wollen – es wäre, das zeigt der Ablauf des bisherigen Kampfes, wohl ein aussichtsloses Unterfangen. Brown wendet sich ab und verlässt das Geschäft. Es ist der Moment, in dem der Wachmann eine Kugel auf den Fliehenden abfeuert.

Tödliche Gefahr für den Wachmann?

Brooke Jenkins, die gewählte und in dem Fall zuständige Staatsanwältin, hatte sich im Wahlkampf um ihren Posten vor allem damit profiliert, Ladendiebe und Räuber*innen für begangene Eigentumsdelikte hart bestrafen zu wollen. Nach der initialen Festnahme des Wachmanns durch die Polizei entließ sie ihn einige Tage später wieder auf freien Fuß. Ihr Argument: Das Überwachungsvideo zeige "klar", dass die Wache in Selbstverteidigung gehandelt hätte. Sie habe sich in tödlicher Gefahr befunden.

Das wollten Freund*innen und die Familie nicht hinnehmen. In einer Stellungnahme, publiziert durch das Young Women's Freedom Center in San Francisco, argumentierten sie: "In einer Stadt wie San Francisco, in der so Viele harte Entscheidungen treffen müssen, um ihre grundlegendsten Bedürfnisse zu erfüllen, wird es zu viel größeren Tragödien führen, wenn man Geschäfte mit Waffen und der Freigabe zur Benutzung bewaffneter Kräfte ausstattet." In dem Zentrum, das sich nicht nur um Frauen kümmert, sondern transgeschlechtliche Bürger*innen ebenfalls unterstützt, war auch Banko Brown als ehrenamtlicher Organisator aktiv gewesen. Demonstrant*innen forderten vor dem Rathaus zunächst die Freigabe des Videomaterials. Die ist nun erfolgt.

Druck auf Verfolgungsbehörden

John Hamasaki, der bei den Wahlen für den Posten des Staatsanwaltes mit einem progressiven Programm angetreten war und der jetzigen Staatsanwältin unterlegen war, meldete sich ebenfalls zu Wort. Es sei vielmehr gewöhnlich, dass immer Ermittlungen eingeleitet würden, wenn jemand in einem Kampf eine Waffe ziehe und schieße, brachte er gegen die Entscheidung der Staatsanwältin vor.

Auf dem Video sehe man, wie der Wachmann die Situation in kurzer Zeit eskaliere und exzessive Gewalt anwende. Seiner Auffassung nach zeige der Mitschnitt, wie die Wache den trans Mann exekutiert habe. Und zwar zu einem Zeitpunkt, als die von ihm ausgehende Bedrohung schon längst vorbei gewesen war.

Auch einige Stadträt*innen versuchen inzwischen, in der Sache über die Entscheidung der konservativen Staatsanwältin hinweg zu gehen. Am Dienstag brachte Ratsmann Aaron Peskin eine Resolution in den Rat ein. Er und einige weitere Stadtratsmitglieder wollen damit den impliziten Druck auf höhere Stellen erhöhen – etwa die Regierung von Kalifornien oder gar des Bundes. In einem Interview brachte Peskin seine Hofffnung zum Ausdruck, mit der Resolution wenigstens deutlich zu machen, dass der Gerechtigkeit in der Angelegenheit noch nicht Genüge getan sei. Stellen wie die Staatsanwaltschaft des Bundesstaates können die Staatsanwältin von San Francisco zwar nicht zwingen, doch noch Ermittlungen einzuleiten. Sie können aber eine eigene Strafverfolgung anstellen.

Auch der demokratische Senator des Bundesstaates Scott Wiener widersprach der Einschätzung der Staatsanwältin in dem Fall: "Ich habe mir dieses Video wiederholt angesehen und auch die weiteren veröffentlichten Beweise gesichtet und ich kann ehrlich gesagt keine Rechtfertigung für diese Schussabgabe erkennen."

Auch der private Sicherheitsmann hat seine Geschichte mit Marginalisierung, wie er der Polizei erzählte. Im Verhör, in dem er den transgeschlechtlichen Mann durchgehend misgenderte, erzählte er aus einem langen Leben von Misserfolgen, Armut der Herkunftsfamilie und Obdachlosigkeit. Im vergangenen Jahr hatte die Bürgermeisterin von San Francisco, London Breed, angekündigt, die Obdachlosigkeit transgeschlechtlicher Bürger*innen bis 2027 beenden zu wollen (queer.de berichtete). San Francisco gilt zwar als besonders queer und liberal, weist aber gleichzeitig eine krasse Einkommensungleichheit und eine hohe Zahl an Wohnungslosen auf. (jk)

Direktlink | Aufnahme der Überwachungskamera auf Youtube
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#1 FinalmSposato
  • 17.05.2023, 13:04h
  • In den USA gibt es für die, die ganz unten angekommen sind absolut NICHTS mehr.

    Das wird in Europa manchmal nicht verstanden. Ausser vielleicht meist kirchliche Organisationen die etwas Almosen verteilen. Deren Ressourcen sind jedoch knapp gehalten. Schwule und Lesben kriegen von denen schon meist gar nichts, Trans* kommen noch dahinter und bist du nicht wenigstens weiß, sind die Chancen noch winziger.

    Für die, die sich in einer solchen Situation befinden habe ich Verständnis wenn sie Lebensmittel stehlen. Ansonsten verhungern sie. Auch sterben viele an heilbaren Krankheiten weil es für sie eben keine medizinische Versorgung gibt.

    Seit Jahren weit überdurchschnittlich sind meist jugendliche und junge LGBTIQ von Obdachlosigkeit betroffen. Wären sie nicht LGBTIQ würden sie von ihren Verwandten und Freunden unterstützt. Doch gerade in den USA haben selbst Eltern überhaupt keine Skrupel ihre Kinder aus ihren Zuhause zu werfen nur weil sie sind wer sie sind.
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#2 audeasAnonym
  • 17.05.2023, 13:18h
  • Dieses weitere von leider sehr vielen Beispielen zeigt wieder eindringlich auf, wie anti-schwarzer Rassismus, Transfeindlichkeit und Klassismus ineinander verwoben sind aufgrund ihrer gemeinsamen Wurzeln (Kapitalismus und Kolonialismus) und wie fatal ihre Folgen sind für die Betroffenen.
    Aber natürlich wollen Leute, die von weißer Vorherrschaft profitieren, nichts davon wissen und am Status-Quo festhalten.

    Der Kampf um Gleichberechtigung für queere Menschen darf daher niemals ohne Berücksichtigung von BIPoCs bzw. rassifizierten sowie von Armut betroffenen Menschen geschehen.
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#3 mmmmAnonym