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Neu im Verlag Klaus Wagenbach

Die Kunstfreiheit im Visier der Neuen Rechten

Der Kulturjournalist Peter Laudenbach hat in seinem Buch "Volkstheater" rechte Angriffe auf die Kunstfreiheit dokumentiert sowie Motive der Akteur*innen und Folgen für Künstler*innen, Kulturinstitutionen und die gesamte Gesellschaft analysiert.


Auch queere Stücke sind rechten Gruppierungen ein Dorn im Auge: Szene aus der Inszenierung von "Die Mitte der Welt" am Düsseldorfer Schauspielhaus (Bild: David Baltzer)

Im November 2017 feierte am Jungen Schauspiel Düsseldorf "Die Mitte der Welt", nach dem gleichnamigen Erfolgsroman von Andreas Steinhöfel, Premiere. Als Nachwuchsjournalist rezensierte ich damals die Inszenierung der schwulen Coming-of-Age-Erzählung für das Düsseldorfer Jugendportal youpod.de. Einige Monate später wendete sich der christlich-konservative "Elternverein NRW" mit einer Stellungnahme an die Öffentlichkeit und hetzte mit homofeindlichem und rechtspopulistischem Gedankengut in der "Bild" gegen die Inszenierung.

Zahlreiche Kinder seien verstört von dem Theaterbesuch nachhause gekommen, behauptete die Vorsitzende Regine Schwarzhoff – selbst indes Bloggerin der AfD-nahen Internet- und Blogzeitung "Die Freie Welt". Als Referenz für ihre Behauptung wurde dabei meine Rezension angeführt. Selbstredend distanzierten sich die Redaktion und ich von dem Vorwurf und bekräftigten, dass die Rezension lediglich das Umsetzen der Romanvorlage für die Bühne als nicht gelungen empfunden und die Inhalte weder als anstößig oder jugendgefährdend wahrgenommen wurden. Davon unbeirrt wurde mit einer Beschwerde bei der Schulaufsicht gedroht und zum Boykott des Theaterstücks aufgerufen.

Chronik mit über hundert rechten Angriffen auf die Kunstfreiheit


Peter Laudenbachs Buch "Volkstheater" ist im Verlag Klaus Wagenbach erschienen

Dass dieser Versuch der Einflussnahme rechter Gruppierungen auf den Kulturbetrieb kein Einzelfall ist, sondern eine lange Tradition hat, zeigt Theaterkritiker und Kulturjournalist Peter Laudenbach in seinem Buch "Volkstheater. Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit" (Amazon-Affiliate-Link ), das kürzlich im Verlag Klaus Wagenbach erschienen ist. Es ist nichts Neues, dass Rechtsextremist*­innen versuchen, alles zu unterbinden, was nicht in ihr Weltbild oder ihre Vorstellung einer homogenen Volksgemeinschaft passt. Dass aber auch Künstler*­innen und Kulturinstitutionen verstärkt ins Visier geraten, überrascht auf den ersten Blick. Laudenbach nimmt dieses Phänomen zum Anlass und untersucht rechte Angriffe auf die Kunstfreiheit, analysiert Motive und Handlungsmuster der Angreifer und identifiziert das – aus seiner Sicht – eigentliche Ziel der Angriffe: die demokratische, offene, liberale Gesellschaft.

Seine Recherche, die von dem Kulturbündnis "Die Vielen" begleitet wurde, führte zu einer Chronik mit über hundert rechten Angriffen auf die Kunstfreiheit in den Jahren 2016 bis 2021 im gesamten Bundesgebiet – darunter ein Sprengstoffanschlag, zahlreiche Sachbeschädigungen, Bomben- und Morddrohungen sowie Veranstaltungsstörungen durch Neonazis. Die Dokumentation zeigt, dass es sich dabei keineswegs um Einzelfälle handelt – wie es laut Laudenbach häufig in den Medien dargestellt werden würde. Stattdessen sei ein Muster zu erkennen, das er in zwei Stränge unterteilt: Rechtsradikale Bedrohungen und Angriffe auf der einen und die Einmischung der AfD in die Kulturpolitik auf der anderen Seite. Dabei begreift der Autor die beiden Stränge nicht als losgelöst voneinander, sondern mit gefährlichen Wechselwirkungen, die durch sogenannte Legitimationsbrücken zu erklären seien: Es komme zu einem informellen Zusammenspiel, wenn die AfD durch hetzerische Forderungen kulturpolitisch Einfluss nimmt und gleichzeitig zum Beispiel Gewaltandrohungen gegen Künstler*­innen in den sozialen Medien gerichtet werden. Die Täter*­innen würden sich durch die AfD-Abgeordneten in den Parlamenten bestärkt und in ihren Angriffen legitimiert fühlen.

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Laudenbachs Unternehmung, nüchterne Chronik mit sachlicher Analyse zusammenzubringen, gelingt und ist dabei gleichzeitig Plädoyer für einen stärkeren, gesamtgesellschaftlichen Einsatz bei der Verteidigung der Kunstfreiheit. In der Medienberichterstattung und dem öffentlichen Diskurs ging es zuletzt vor allem um Cancel Culture. Warum stattdessen mehr über die reale Bedrohung von Kunst und Kultur durch die Neue Rechte gesprochen werden sollte, hat Laudenbach präzise in seinem schmalen Buch dargelegt – ein erster Aufschlag für einen dringend nötigen Debattenwechsel, in dem sachlich-argumentativ statt aggressiv-polemisch kommuniziert wird.

Infos zum Buch

Peter Laudenbach: Volkstheater: Der rechte Angriff auf die Kunstfreiheit. 144 Seiten. Verlag Klaus Wagenbach. Berlin 2023. Taschenbuch: 12 € (ISBN 978-3-8031-3731-9). E-Book: 9,99 €

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