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Reformagenda vorgestellt
Thailand: Wahlsieger versprechen Ehe für alle
Nach der Abwahl der militärgestützten Regierung will eine Reformkoalition das Land demokratisieren und modernisieren – Ehe für alle inklusive.

Forderung nach der Ehe für alle beim Bangkok Pride 2022 (Bild: Micha Schulze)
- 22. Mai 2023, 20:14h 3 Min.
In Thailand hat ein vor einer Regierungsbildung stehendes progressives Koalitionsbündnis ehrgeizige Pläne für eine Reformagenda verkündet, mit der unter anderem die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt, die Wehrpflicht abgeschafft und eine neue demokratische Verfassung eingeführt werden soll.
"Das ist ein weiterer historischer Moment, der zeigt, dass wir die Regierung friedlich in eine Demokratie umwandeln können", sagte Pita Limjaroenrat, Chef der Move-Forward-Partei (MFP), welche die Koalition anführt, am Montag bei der Verkündung der von allen Parteien unterzeichneten Absichtserklärung. Er verwies darauf, dass das Abkommen am neunten Jahrestag der Militärputsches unterzeichnet worden sei, der den amtierenden Ministerpräsidenten Prayut Chan-O-Cha ins Amt brachte.
Die Wählerinnen und Wähler in Thailand hatten einer militärgestützten Regierung bei der Parlamentswahl Mitte Mai eine klare Absage erteilt – Prayuts Partei erzielte etwa nur knapp unter zwölf Prozent der Stimmen. Die für umfassende Reformen kämpfende und von der Jugend favorisierte MFP war überraschend als klarer Sieger aus der Abstimmung hervorgegangen, dicht gefolgt von der ebenfalls oppositionellen Pheu-Thai-Partei (PTP).
Jetzt schaut jeder auf Militär und Majestät
Pita zeigte sich am Montag erneut zuversichtlich, zum Regierungschef gewählt zu werden. Seine Koalition verfügt über 313 von 500 Sitzen im Parlament. Doch der Ministerpräsident in Thailand wird nach der aktuellen Übergangsverfassung nicht nur von den Abgeordneten im Parlament gewählt, sondern auch von 250 von der letzten Militärregierung ernannten Senator*innen. Viele haben angegeben, dass sie Pita wegen dessen Plänen zur Änderung der Gesetzgebung gegen Majestätsbeleidigung nicht wählen wollen. Auch Urteile des Verfassungsgerichts zu Klagen gegen die Zulässigkeit Pitas oder seiner Partei zur Wahl oder ein direktes Eingreifen des Militärs könnten die neue Regierung noch verhindern. Allerdings hatte diese bei der Wahl ein klares Mandat erhalten und ihre Verhinderung könnte zu neuen Straßenprotesten führen.

Pita (4.v.l. bei der Vorstellung der Absichtserklärung) und eine Demokratisierung des Landes haben ein Mandat und Momentum – könnten allerdings noch ausgebremst werden
Die Regeln zu Majestätsbeleidigung schützen den thailändischen König Maha Vajiralongkorn und dessen Familie vor Kritik. Nach Ansicht von Kritikern dienen sie aber vor allem dazu, Regierungsgegner*innen mundtot zu machen oder gar ins Gefängnis zu bringen. Die letzten Straßenproteste in Bangkok und auch der Wahlsieg Pitas hängen unter anderem mit dem Kampf gegen Paragraf 112 des Strafgesetzbuches zusammen.
Die umstrittenen Wahlkampf-Vorschläge Pitas für eine Reform der strengen Gesetzgebung finden sich allerdings nicht in der am Montag von acht beteiligten Parteien unterschriebenen Absichtserklärung, die rund zwei Dutzend Vorhaben umfasst und unter anderem ein Festhalten an der konstitutionellen Monarchie bekräftigt. Pita betonte, dass seine Partei individuell einen Gesetzentwurf zur 112-Reform vorlegen werde.
Ehe und Verfassung für alle
Zu den Punkten in der Absichtserklärung gehört die Einführung der staatlichen Ehe für alle, wobei "religiöse Prinzipien" nicht angetastet werden sollen. Im letzten Sommer hatten in Bangkok mehrere tausend Menschen beim CSD unter anderem für die Ehe für alle demonstriert. Die fehlende Gleichstellung wird auch zunehmend in thailändischen TV-Serien oder -Debatten thematisiert. Gesetzentwürfe für eine Lebenspartnerschaft oder gleichgeschlechtliche Ehe wurden bislang allerdings auf die lange Bank geschoben und scheiterten.
Twitter / ThenationthA coalition of eight parties led by Move Forward signed a memorandum of understanding (MoU) as a prelude to setting up the next government, outlining 23 missions for the new administration.
The Nation Thailand (@Thenationth) May 22, 2023
Read more: https://t.co/q6M48TSBcS#TheNation #thailandnews #MOU8 #MOU8 pic.twitter.com/ju09HCUDHd
Die neue Regierung will Thailand transparenter und demokratischer gestalten und so etwa Korruption in Polizei und Verwaltung bekämpfen und auch andere Bereiche modernisieren. Das Abkommen umfasst zudem Pläne, die Monopole in manchen Sektoren der thailändischen Wirtschaft anzugehen – vor allem in der Alkoholproduktion. Erwähnt werden auch Reformen im Gesundheits- und Sozialwesen oder Pläne, den verpflichtenden Militärdienst mit einem freiwilligen System zu ersetzen. Ein direkt vom Volk gewählter Rat solle zudem die nächste Verfassung erarbeiten. (nb/afp)
