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Deutscher Bundestag
Mehr Engagement für LGBTI-Rechte in Außen- und Entwicklungspolitik gefordert
In einer Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe beklagten Sachverständige die Verletzung der Rechte von queeren Personen in vielen Ländern – für einen Eklat sorgte der von der AfD entsandte Publizist David Berger.

Rechte Stimmungsmache statt Sachverstand: David Berger (rechts außen) bei seiner Stellungnahme am Mittwoch im Ausschuss für Menschrechte und humanitäre Hilfe (Bild: Screenshot Livestream)
- 25. Mai 2023, 06:17h 4 Min.
Queere Menschen erfahren weltweit Verletzungen ihrer Menschenrechte, darauf haben Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwochnachmittag aufmerksam gemacht und für ein stärkeres LGBTI-Engagement in der Außen- und Entwicklungspolitik plädiert.
In mindestens 67 Staaten weltweit würden Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans und inter Personen auf unterschiedlichste Weise kriminalisiert, sagte Julia Ehrt, Geschäftsführerin der International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA World). Die Strafen reichten von Geldstrafen über körperliche Züchtigungen bis hin zu Haftstrafen. "Einige Länder verhängen auch die Todesstrafe, einige wenige vollstrecken sie auch regelmäßig", so Ehrt. Die Expertin hob hervor, dass queere Menschen nicht nur für sexuelle Handlungen kriminalisiert würden, sondern bereits aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und ihres Geschlechtsausdrucks. Häufig seien LGBTI-Personen Polizeimissbrauch und Misshandlungen ausgesetzt. Durch die Kriminalisierung legitimierten Staaten gesellschaftliche Diskriminierung, das habe Einfluss "auf alle Bereiche des Lebens".
Das bestätigte Mikhail Tumasov, ehemaliger Vorsitzender des Russian LGBT Network, der über die Situation der LGBTI-Community in Russland berichtete. Das "Anti-Homosexuellen-Propaganda Gesetz", verabschiedet im Dezember 2022, habe Russland "Raum für einen Krieg gegen die Community" gegeben. Ziel des Gesetzes sei nicht, die russische Gesellschaft vor den angeblich negativen Auswirkungen liberaler, westlicher Werte zu schützen, sondern Gewalt und Hassverbrechen gegen sexuelle Minderheiten zu schüren, so der Experte in seiner Stellungnahme. Laut einem Bericht von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International hätten die Übergriffe nach Verabschiedung des Gesetzes erheblich zugenommen.
Trotz Fortschritten hinsichtlich der rechtlichen Situation von queeren Menschen in Europa sah Philipp Braun, Mitglied des Bundesvorstands des Lesben- und Schwulenverbands in Deutschland (LSVD), die Lage der LGBTI-Community weltweit insgesamt mit Sorge: Die Menschenrechte von queeren Menschen stünden weltweit vermehrt unter Druck, so der Sachverständige.
Mehr Entwicklungshilfe für queere Projekte gefordert
Sarah Kohrt, Projektleiterin der LGBTI-Plattform Menschenrechte der Hirschfeld-Eddy-Stiftung, begrüßte zwar, dass sich die Bundesregierung Leitlinien für eine feministische Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit gegeben habe. Doch sie müssten jetzt auch auf "allen Ebenen in politisches Handeln übersetzt werden", so die Mahnung der Expertin. Es brauche eine enge, kontinuierliche Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Partnerländern und eine Auseinandersetzung mit der Kolonial- und Missionsgeschichte. Vor allem aber müsse das Konzept finanziell unterlegt werden – das sei bislang nicht passiert, monierte Kohrt. Deutschland sei eines der wichtigsten Geberländer weltweit. Doch in queere Projekte fließe nur ein sehr geringer Teil der Gelder. Anders sei das etwa in den Niederlanden oder in Schweden.
Die Aktivistin Marlize Andre lenkte den Blick auf die Lage der LGBTI-Community in Afrika, wo in Uganda das Parlament zuletzt eine Verschärfung des Anti-Homosexuellen-Gesetzes mit drakonischen Strafen beschlossen hat. Kein Einzelfall: Auch in anderen Ländern des globalen Südens gebe es Gesetze gegen Homosexualität, die Relikte aus der Kolonialzeit seien. Davor dürfe man nicht länger die Augen verschließen, forderte Andre. Menschen, die vor solcher Unterdrückung nach Deutschland flöhen, bräuchten zudem besondere Unterstützung. Zum Beispiel fehle es auch hierzulande an Angeboten, um Gesundheitsversorgung für queere Menschen leichter zugänglich zu machen. Experten zufolge meiden diese aufgrund von Diskriminierungserfahrungen oft das Gesundheitssystem, obwohl sie oft einen höheren Bedarf haben.
Mehr Unterstützung für queere Geflüchtete
Die Bedeutung von Safe Houses für geflüchtete LGBTI-Personen, betonte Alexander Vogt, Bundesvorsitzender der Lesben und Schwulen in der Union (LSU). In Geflüchteten-Unterkünften seien die Menschen vor erneuter Diskriminierung nicht sicher, da die "übrigen Bewohner in gesellschaftspolitischen Fragen nicht unbedingt liberale Werte vertreten, wenn sie aus muslimisch oder anderen traditionell geprägten Gesellschaften kommen", so der Sachverständige. Inzwischen gebe es zwar in einigen deutschen Städten wie Frankfurt am Main oder Nürnberg solche separaten Unterkünfte, doch gebe es zu wenige Plätze.
Als "sehr besorgniserregend" bezeichnete der Aktivist Fabian Grischkat die "globale Zunahme queerfeindlicher, antifeministischer und rechtspopulistischer Bewegungen". Dieses Wachstum der international vernetzten Anti-Gender-Bewegung sei nicht zufällig, sondern werde seit Jahren strategisch koordiniert und finanziert. Teil davon seien "rechtsextreme Denkfabriken und korrupte Oligarchen". Die Effekte der queerfeindlicher Tendenzen könne man auch in Deutschland beobachten, warnte Grischkat mit Blick auf die Debatte um das geplante Selbstbestimmungsgesetz der Bundesregierung. "Radikalfeministinnen und Neue Rechte" hätten den "Diskurs so verschoben", dass der ursprüngliche Gesetzentwurf radikal geändert worden sei.
Berger beklagt "queer-ideologische Schwurbeleien"
Wenig zum Thema beizutragen hatte der schwule Publizist David Berger, der von der AfD als "Sachverständiger" benannt worden war. Auf die Situation queerer Menschen im Ausland ging Berger in seiner Stellungnahme nicht ein. Stattdessen machte er sich über Buchstabenkürzel wie LGBTQIA2+ lustig, beklagte "queer-ideologische Schwurbeleien", polemisierte gegen das geplante Selbstbestimmungsgesetz und behauptete, die "Überlebensinteressen homo- und transsexueller Menschen" würden in Deutschland auf dem "Altar des Islam-Appeasements" geopfert. (hib/mize)

der rest der experten hatte jetzt für Queer.de-Leser nicht wirklich viel neues zu sagen, aber schön daß es noch mal jemand für die Abgeordneten zusammenfasst. für die übersichtliche Anzahl der selben, dem Video nach zu schließen.
Interessant wäre doch die Frage, wie unterstützt man Organisationen in menschenverachtenden Staaten ohne den lokalen Autoritäten die Steilvorlage zum "Ausländischen Agenten" zu liefern?