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Folge 22 von 53

Schwule Symbole im Film: Schusswaffen und Kriege

Bei Schusswaffen denkt man wohl zuerst an Pistolen. In Filmen geht es aber nicht nur um diese recht typischen Schusswaffen, sondern auch um Pfeil und Bogen bzw. um Kriege und Kanonen.


Pistolen-Szene im Film "The Living End" (1992) von Gregg Araki (Bild: Fortissimo Films)

Schusswaffen – Ladung in einem Mann abschießen

Schusswaffen sind weit verbreitete Phallus-Symbole und stehen häufig für männlich konnotierte Aggressivität, abgeschossen auch für Penetration. Sie wirken auf viele faszinierend, weil sie das Macht- und Dominanzpotenzial von Filmfiguren erhöhen. In den USA haben Revolver eine eigene und besondere Bedeutung, was vor allem an der Romantisierung des "Wilden Westens" liegt, dessen Klischees bis heute in US-Filmen als Mythos aufgegriffen werden, und so werden nur Revolverträger zu echten "Western-Helden" ("Taschenlexikon der Sexualsymbole", 1971, S. 109).

Pistole auf dem Cover – besondere phallische Bedeutung


Sinnliches Ablecken in "Clandestinos" (2007)

Dass Filmszenen mit Waffen eine besondere Bedeutung beigemessen wird, ist auch daran zu erkennen, dass viele Filme mit entsprechenden Motiven beworben werden. Auf dem Werbemotiv von "The Virgin Soldiers" (Aka: "Rekruten im Todesdschungel", 1969) trägt ein nackter Soldat ein Gewehr wie einen Phallus und schon der Trailer (hier online) verweist auf die homo­erotischen Zwischentöne. Lothar Lambert macht für seinen Film "Ein Schuß Sehnsucht. Sein Kampf" (1973) Werbung mit einer abgewandelten Zeichnung des David von Michelangelo, der aus der Hüfte ballert.

Auf den Postern des Films "Ethan Mao" (2004) greift ein nackter Mann einem angezogenen Mann von hinten in die Hose, um dessen Pistole herauszuholen, und "Clandestinos" (2007) wird mit einem Bild beworben, auf dem der Protagonist seine Pistole sinnlich ableckt. Im Film korrespondiert das Motiv mit einer Szene, in der zwei junge Männer in Unterhose sich gegenseitig ihre Pistolen zeigen und dies mit "schönes Teil" kommentieren.

Pistole – Phallus

Pistolen oder andere Waffen sind zwar nicht selten ein Mittel der Bedrohung, um einen Mann zu vergewaltigen, wie in "Burnt Money" (2000) und in "Ohne Ausweg" (2008, 2. Teil, 14:30 Min., hier online), damit aber noch lange kein symbolischer Ausdruck für den Phallus. Es gibt jedoch verschiedene Möglichkeiten, Pistolen und Revolver so zu inszenieren, dass sie im schwulen Kontext phallisch wahrgenommen werden. Das erreicht man z.B. dadurch, dass sie nicht an der Seite, sondern vorne mittig am Gürtel getragen werden, wie in "Zwiebel-Jack räumt auf" (1975) und "Dinero Facil" (2010). In anderen Filmen werden die Waffen in einem sexualisierten Zusammenhang vor dem Geschlechtsteil abgelegt, wie in "Der Konformist" (1970), oder recht auffällig vor den Penis gehalten wie in "Töte, Django" (1967). Bei den "Simpsons" wird die phallische Bedeutung einer Pistole offen ausgesprochen (Folge 14/1) und Lou hält die Pistole – auf dem Foto in einem Erotik-Kalender – direkt vor sein Geschlechtsteil (Folge 21/5).



Lou hält die Pistole direkt vor sein Geschlechtsteil ("Simpsons", Folge 21/5).

In dem Kurzfilm "Hot Legs" (1995) ist die Pistole als Phallus wahrnehmbar, weil ein Entführer mit der Pistole zärtlich über die Oberschenkel seines nackten Entführungsopfers streichelt. Manchmal werden die Pistolen auch von zwei nackten Männern ("Archer", Folge 1/3) bzw. einem fast nackten Mann ("What can I do with a male nude?", 1985) getragen, was ihre erotische Wirkung verstärkt. Die Waffe der "Pink Patrol", einer schwul-lesbischen Bürgerwehr, wird in der US-Serie "Queer as Folk" (Folge 4/4) deutlich als Phallus inszeniert, in den Mund eingeführt und am Genital gerieben. In dieser Folge wird packend die Faszination an der Waffengewalt thematisiert, wobei es ausgerechnet der Sympathieträger Justin ist, der kurz davor zu sein scheint, einen anderen (homophoben) Mann zu erschießen.

In "Brokeback Mountain" (2005) gibt es eine recht merkwürdig anmutende Szene: Jack und Ennis haben Sex und danach prüft Ennis, ob sein Gewehr noch richtig funktioniert. In "Querelle" (1982) von Rainer Werner Fassbinder prahlt ein Polizist gegenüber Querelle mit der Größe seines Geschlechtsteils und aus dem gleichen Blickwinkel werden danach seine offene Hose, sein aufgeklapptes Messer, seine Pistole und das angedeutete Wichsen durch Querelle gezeigt.

Pistole im Mund – Oralverkehr

Eine Analogie zu gewaltsamem Oralverkehr wird recht einfach dadurch erreicht, dass eine Pistole einem anderen Mann in den Mund eingeführt wird, wie in "Un chant d'amour" (1950) und "The Living End" (1992). In "Die Teuflischen der Insel" (1976) werden (in der unzensierten Fassung) zwei Schwule ermordet. Einer von beiden scheint es erotisch zu genießen, den Revolver in seinen Mund zu nehmen, bevor er damit erschossen wird. In "Homophobia" (2012) wird in einem Alptraum der Lauf eines Gewehrs in einen Mund gesteckt. In "Watch out" (2008) wird ein Mann erschossen und mit der Pistole zuvor zumindest an seinem Mund rumgespielt.

Pistole abschießen – Orgasmus

Durch das Abschießen (= Orgasmus) kann eine Pistole zu einer Penetrationsmetapher werden. Der Schuss in den Hintern des schwulen Polizisten Rick Silardi in "Im Kugelhagel" ("Hooperman", Folge 41, 1989) ist nicht eindeutig und bietet einen recht großen Interpretationsspielraum. Es bleibt wohl neueren Filmen wie "Father's Day" (2011) vorbehalten, die Parallele zwischen einem Schuss in den Hintern eines schwulen Mannes und einer Penetration etwas deutlicher darzustellen.

Direkt zu Beginn des Films "Schweigen = Tod" (1990) schockiert der Regisseur Rosa von Praunheim mit einer Szene, in der sich ein Schwuler scheinbar selbst in seinen Hintern schießt und stirbt. Erst nach der Szene wird klargestellt, dass es sich dabei "nur" um eine künstlerische Aktion im Kontext von Aids handelte.

In den weiteren Zusammenhang dieses Motivs gehört auch eine Szene in "Fick mich!" (2000) aus dem "Rape and Revanche"-Genre, worin eine Frau einen tödlichen Schuss in den Hintern eines Mannes abgibt. Das ist hier deshalb erwähnenswert, weil in deutlicher Umkehrung der Geschlechterverhältnisse die vorher erfolgte vaginale Gewalt (durch einen Mann) dieser analen Gewalt (durch eine Frau) erkennbar gegenübergestellt wird.

Es gibt unterhaltsame und originelle Szenen, in denen Schwule beim Sex auf andere schießen. In "Aaron … Albeit a Sex Hero" (2009, 1:15:20, hier online) hören Aaron und sein Partner selbst beim Einsetzen eines Schusswechsels nicht mit dem Sex auf und schießen offenbar ihre Pistolenkugeln und ihr Sperma zur gleichen Zeit ab.


Aaron kann in "Aaron … Albeit a Sex Hero" (2009) gleichzeitig ficken und schießen

Revolver und das Western-Genre

Nach dem Buch "Signale der Sinnlichkeit. Filmerotik mit anderen Augen" (1987, S. 72) von Wolf Donner und Jürgen Menningen sind Western mehr als andere Filmgenres "reine Männersache voller (…) latent schwuler Rituale". Mittlerweile recht bekannt ist der schwule Subtext beim Wettschießen in dem Western "Red River" (1940) mit Montgomery Clift. Nach der Dokumentation "The Celluloid Closet" (1995, hier online) wussten die beiden Schauspieler um den im Film beabsichtigten schwulen Subtext (32:10-33:20 Min.). In derselben Doku macht die Schauspielerin Susan Sarandon im Interview keinen Hehl aus der Phallussymbolik in einigen Cowboyfilmen und sagt mit Bezug auf den Film "Zwei Banditen" (1969): "Sie taten, was Männer im Film tun. Sie holten ihren Colt raus, denn ihren Schwanz konnten sie ja schlecht rausholen" (1:23:00 h.). Die Doku "The silver screen. Color me lavender" (1997, 1:21:10 h, hier online) ist eine gute Ergänzung zu "The Celluloid Closet" und zeigt anhand weiterer Beispiele ähnliche Inszenierungen von Waffen als Phallus-Symbole in Filmen des Western-Genres.


Szene aus "Red River" (1940) mit Montgomery Clift

Zu den neueren Filmen, die ironisch und unterhaltsam mit dem Western-Genre spielen, gehört "Longhorns" (2011), worin Kevin in der Anfangsszene die erotisch-witzige und auch visualisierte Wunschvorstellung hat, von einem richtigen Cowboy "geritten" zu werden, der beim Sex mit zwei Revolvern in seine Schlafzimmerdecke schießt.


Schießen beim schwulen Sex als Referenz an das Western-Genre: "Longhorns" (2011)

Der Revolver und der "Russische Tunnel"

Das recht bekannte "Russische Roulette" ist ein potenziell tödliches Glücksspiel, bei dem die Trommel eines Revolvers, in der sich nur eine Patrone befindet, so gedreht wird, dass die Position der Patrone den Beteiligten unbekannt ist.

Im Kurzfilm "Russian Tunnel" (Aka "Tunel Russo", 2008) ist der "russische Tunnel" eine Abwandlung, mit dem Unterschied, dass der Lauf des Revolvers vor dem Abschuss nicht gegen den Kopf gerichtet, sondern in den Anus des Opfers eingeführt wird. In diesem Film quälen zwei Polizisten ein schwules Opfer in Form einer offenbar "spiegelnden Strafe", bei der die Form der Strafe einen Bezug zur vorgeworfenen Handlung (Analverkehr) widerspiegeln soll.


Der Film "Russian Tunnel" (2008) ist das einzige Beispiel für den Begriff des russischen Tunnels und offenbar eine Erfindung des Filmemachers

Pistole – "Männlichkeit"

In der Krimi-Komödie "Zwei irre Typen auf heißer Spur" (aka: "Partners", 1982) müssen sich der heterosexuelle Polizist Benson und sein schwuler Kollege Kerwin (D: John Hurt) als schwules Paar ausgeben, um eine Mordserie in der Schwulenszene aufzuklären. Der Film strotzt nur so von Klischees und wird in stereotyper Form mit einem Motiv beworben, das Benson mit einer Pistole und Kerwin mit einem Fön in der Hand zeigt. Das ist eine Darstellung, die entsprechend gängigen Geschlechterklischees Waffen als "männlich" und Kerwin als weniger "männlich" als seinen Kollegen erscheinen lassen soll.


"Zwei irre Typen auf heißer Spur" (aka: "Partners", 1982)

Diese Krimi-Komödie in Verbindung mit anderen Filmbeispielen offenbart ein Problem dieser und der nächsten Folge: Neben der symbolischen Bedeutungsebene müsste bei Waffen und damit einhergehender Gewalt immer auch die Form der Inszenierung mit reflektiert werden. In den meisten Western dienen Waffen unkritisch der Heldenverehrung, in Komödien wird dieses Bild meistens ironisch gebrochen und durch andere Filme auch kritisch hinterfragt. Erst diese Formen der Inszenierungen ermöglichen es, dass die Gewaltdarstellungen und Männlichkeitsbilder auch dezidiert bewertet werden können. Diese Bewertungen führen jedoch zum Teil vom Thema der symbolischen Bedeutung weg, liegen oft nur im Auge des Betrachters und sprengen den Rahmen dieses Artikels.

Metaphorik – vom "scharfen Kaliber" bis zum "Hinterlader"

Ältere Schwule können sich vielleicht noch daran erinnern, dass das Nachrichtenmagazin "Spiegel" von Anfang bis Mitte der Achtzigerjahre im Zusammenhang mit HIV/Aids mehrfach von "HIV-Desperados" schrieb, um Schwule zu diskreditieren, die angeblich unverantwortlich mit Sexualität umgehen, weil sie mit möglichen tödlichen Folgen zu schnell "aus der Hüfte schießen". In Filmen lässt sich eine ähnliche sexuelle Metaphorik aufzeigen.

In "Cruising" (1980) bezieht sich der Satz "Ihr Killer schießt nicht scharf" darauf, dass das Ejakulat des Serienmörders keine Samenzellen enthält. In "Hangover 2" (2011) fragt der sexuell passive Stu seine trans Sexualpartnerin: "Du hast deine Ladung in mir abgeschossen?" Auch kleinere Wortspiele wie die Beurteilung von Brandon durch Leo als "ziemlich scharfes Kaliber" in "Kreuz und Queer" (1998) gehören zur Waffensymbolik. Der Ausruf angesichts einer Pistole "Heilige Hinterlader!" in "Eating Out 4" (2011) bezieht sich wohl nicht nur auf eine bestimmte Waffengattung und Analverkehr, sondern kann auch als Referenz auf die Realfilm-Serie "Batman" (1966-1968) angesehen werden, worin Robin in jeder Episode mehrmals einen Satz mit "Heilige/r …" beginnt.

Pornos – "reload" bedeutet, sexuell bereit zu sein

In Schwulenpornos werden wie in Spielfilmen Pistolen wie ein Phallus gehalten ("Home Invasion") bzw. präsentiert ("Big Guns", "Young Guns"), die geladene Pistole parallel zum erigierten Glied präsentiert ("Double Agent") bzw. beim Begriff des Schießens deutlich auf einen Orgasmus verwiesen ("Bareback Cum Shooter", "Shoot and shove", "Shoot it in me"). Der Titel des Pornos "Undercover" kann einen Zivilpolizisten meinen, aber umgangssprachlich auch auf eine Person abheben, die sich sexuell "unschuldig" gibt, sich jedoch später von einer anderen Seite zeigt (s. Urbandictionary). Der Titel des Pornos "Double Barral" ist nicht nur eine Anspielung auf eine doppelläufige Schrotflinte, sondern auch auf den Sex von bzw. mit zwei Männern (s. Urbandictionary).


Pornos, Pistolen und der Phallus: "Home Invasion" und "Undercover"

Der Pornotitel "Black and Loaded" mit der Abbildung einer Pistole weist auf die sexuelle Bereitschaft eines schwarzen Darstellers hin. Der Titel "Reload" wirkt vor allem in Verbindung mit dem großen und nicht weniger symbolischen Schriftzug "Colt", der auf das weithin bekannte Pornolabel verweist, das 1967 als "COLT Studio" gegründet wurde und vor allem sehr maskulin wirkende Darsteller in den Filmen auftreten lässt.

In dem Bruce-LaBruce-Film "The Revolution is my Boyfriend. The Raspberry Reich" (2004) geht es um schwule Terroristen, von denen einer auf dem Werbemotiv fast nackt eine Waffe trägt. Dies ist die pornographische Hardcore-Version von "The Raspberry Reich". In den ersten Minuten wird eine Pistole geleckt und in den Mund genommen, in einer späteren Szene an einem Männerhintern gespielt. Solche Szenen sind typisch für Bruce LaBruces Filme. Auch in seinem Film "Skin Flick" (1999), der in der längeren Hardcore-Fassung "Skin Gang" heißt, präsentiert Bruce LaBruce eine Pistole als Phallus.


Pfeil und Bogen – Spannung und Entspannung

Der abgeschossene Pfeil gehört (mit dem als "weiblich" assoziierten Köcher) zu den ältesten Phallus- bzw. Penetrationssymbolen. Dabei geht es nicht nur um die Form des Pfeils und den Akt des männlich-aggressiven Eindringens in einen Körper, sondern auch um die "Metaphorik des Anwachsens und Haltens einer Spannung, das Zielen, das Loslassen und die Entspannung" ("Das Buch der Symbole", 2011, S. 496). Die wohl populärste historische Figur mit Pfeil und Bogen ist der römische Gott Amor: Wenn er mit seinen Pfeilen einen Menschen ins Herz trifft, wird dessen Liebe erweckt.

Amors Pfeil – trifft schwule Männer in Herz und Hintern

Natürlich kann Amor mit seinen ins Herz abgeschossenen Pfeilen auch eine schwule Liebe erwecken und so ist das klassische Motiv mit zwei Pfeilen in einem Herzen auch auf dem Cover von "Be Mine" (2009) zu sehen. In gleicher Symbolik ist auf dem Cover von "eCupid" (2011) ein geflügelter junger Mann mit Pfeil und Bogen zu sehen, womit ebenfalls Amor gemeint ist.

Dass Amors (phallischer) Pfeil bei schwulen Männern nicht nur ins Herz, sondern auch mal in den Hintern trifft, verweist als naheliegende Analogie auf Analverkehr. Es ist eine Analogie, die bereits in Karikaturen im Zusammenhang mit den sogenannten Eulenburg-Prozessen 1907-1909 aufgegriffen wurde (s. "Der wahre Jacob", Heft 547, 9. Juli 1907, S. 5453). Im Horrorfilm "2001 Maniacs" (2005) äußern Rickys Freunde nach dessen gemeinsamer Nacht mit einem Mann, dass "Amors Pfeil jemanden in den Arsch getroffen" habe, worauf der mit Pfeilen tätowierte Ricky machohaft betont, dass er "die Pfeile abgeschossen" habe, um darauf hinzuweisen, dass er beim Sex nicht der Passive gewesen sei. Seine spätere anale Pfählung mit einem Spieß soll offenbar den von ihm "abgeschossenen Pfeil" spiegeln. In "Rip off my clothes" (2007) wird ein solcher Pfeil in einen Hintern geschossen und wenn Paul in "The Big Gay Musical" (2009) erwähnt, dass er eine Zielscheibe auf seinen Hintern tätowiert habe, wird im Kontext der Szene in ähnlicher Weise mit dem Amor-Motiv gespielt. Die schwule RomCom "Bros" (2022) wird mit einem Pfeil, der ein Herz durchbohrt, beworben.


Auch in "Be Mine" (2009) hat Amor mitten ins Herz getroffen

St. Sebastian aus der christlichen Religion

Pfeil und Bogen gehören bei St. Sebastian, der in der katholischen Kirche als Heiliger verehrt wird, zu seinen Attributen. "Der heilige Sebastian ist ein Idol der Homo­sexuellen und Masochisten. Besonders Gemälde der Renaissance zeigen ihn mit kaum verhüllter homo­erotischer Euphorie, (…) von Pfeilen durchbohrt, (…) eine deutliche Offerte an schwule und sadomasochistische Phantasien" (Wolf Donner / Jürgen Menningen: "Signale der Sinnlichkeit. Filmerotik mit anderen Augen", 1987, S. 72). Das Centrum Schwule Geschichte in Köln hat über St. Sebastian 1999 eine Ausstellung gezeigt und eine Broschüre veröffentlicht, wobei auch auf die homo­sexuelle Rezeption der Pfeile in Filmen eingegangen wurde. So bekommt St. Sebastian beim Beschuss mit Pfeilen in der unzensierten Fassung von Derek Jarmans "Sebastiane" (1976) eine Erektion, was die phallische Bedeutung der Pfeile veranschaulicht. Hermann J. Huber schreibt mit Bezug auf die phallischen Pfeile und Petr Weigls Film "Das Martyrium des Heiligen Sebastian" (1985) sogar: "Sein Tod wird ihm zum Orgasmus" ("Gewalt und Leidenschaft", 1989, S. 116).

In vielen anderen Filmen über St. Sebastian sind zwar ebenfalls seine Pfeile zu sehen, die jedoch kaum phallisch interpretiert werden können und auch ansonsten keine Bedeutung haben. Dazu gehören vor allem die Filme über St. Sebastian wie "Der Heilige" (1996) oder Filme, die St. Sebastian in einzelnen Filmszenen behandeln wie "Mishima. Ein Leben in vier Kapiteln" (1985), "Lilies" (1996), "Oscar Wilde" (1997), "Wambo" (2001) und "Die jungen Wilden" (2008). Einen homo­erotischen Hinweischarakter auf St. Sebastian haben auch einzelne Szenen in "Plötzlich im letzten Sommer" (1960), "Three" (1969), "Something for Everyone" (1970), "Der Rosenkönig" (1986), "Der kleine Tod" (1995), "Strapped" (2010) und die Bruce-LaBruce-Komödie "Saint-Narcisse" (2020).


Derek Jarmans "Sebastiane" (1976)

Achilles aus der griechischen Mythologie

Eine weitere Figur, die in diesem Zusammenhang von Interesse ist, ist Achilles, ein fast unverwundbar erscheinender Held der griechischen Mythologie, dessen Freundschaft mit seinem Waffengefährten Patroklos oft homo­erotisch interpretiert wurde. Eine Referenz darauf bietet "Zwei irre Typen auf heißer Spur" (1982), worin der Polizist Benson für eine Schwulenzeitschrift als Achilles nackt mit Pfeil und Bogen posiert und sich dabei als schwul ausgibt.


Benson als Achilles in "Zwei irre Typen auf heißer Spur" (1982),

Pornos – mit Pfeil und Bogen auf "Jungfrauen"-Jagd

In Schwulenpornos ist das Motiv von Pfeil und Bogen äußerst selten. Es taucht im Film "Virgin Hunter" auf, der mit dem Titel in recht machohafter Manier Entjungferungs-Phantasien anspricht. Auch auf Covern des britischen Porno-Labels "Indieboyz" lassen sich die Pfeile leicht phallisch interpretieren. Das (vorwiegend heterosexuelle) Porno-Label "Arrow Productions" ist auch mit rund 20 Schwulenpornos auf dem Markt vertreten. Das Logo dieses Labels zeigt eine Frau mit Pfeil und Bogen.


Die Jagd nach männlichen "Jungfrauen" in "Virgin Hunter" und phallische Pfeile in "Indieboyz"


Kriege, Kanonen und Raketen – die explosive Kraft des "Männlichen"

In ihrer phallischen Form stehen Kanonen und Raketen für "männliche" und aggressive Sexualität, die eindringt und erobert. Raketen sind dabei als Nachkriegstechnik ein eher "modernes Phallussymbol" (Friedrich W. Doucet: "Taschenlexikon der Sexualsymbole", 1971, S. 107-108). Die explosive Kraft kann – ähnlich wie bei Feuerwerksraketen – auch eine Metapher für einen Orgasmus sein. Raketen sind auch Ausdruck für "Gedankenflüge" und die Sehnsucht nach einem anderen Ort. Sie ähneln damit der Symbolik von Flugzeugen, nur dass die Ziele weiter entfernt sind (s. a. Wikipedia).

Kanonen- und Panzerrohre – klassische Phallus-Symbole

Im Filmklassiker "Panzerkreuzer Potemkin" (1925) des Regisseurs Sergey Eisenstein gibt es eine kurze Szene, in der sich parallel zur Umarmung zweier Männer ein Kanonenrohr hebt. Diese Szene kann in Verbindung mit der angenommenen Homosexualität des russischen Regisseurs symbolisch interpretiert werden. In ähnlicher Weise kann auch in "Es war …" (1926) in einem Kanonenrohr in Verbindung mit homo­erotischen Szenen in einer Kaserne eine phallische Inszenierung gesehen werden.

In späteren Jahrzehnten kann mit sexuellen Anspielungen deutlicher umgegangen werden. In der Dramedy-Serie "Familie Braun" (Folge 4, 2015, 3:45 Min., hier online) werden Thomas und sein Neonazi-Kumpel Kai auch deshalb für schwul gehalten, weil auf einem Foto das Abschussrohr eines Panzers der deutschen Wehrmacht wie ein riesiger Ständer wirkt. Im Kontext der Folge macht man sich mit diesem Foto gezielt über diese Form von "Männlichkeit" lustig. In eine ähnliche Richtung geht das eingeblendete Foto aus dem Zweiten Weltkrieg in "Beginners" (2010), wo die Waffen in den Händen zweier Soldaten ähnlich, wenn auch inszenierter wirken.


Mit diesem Foto in "Familie Braun" (2015) macht sich die Folge über alte und neue Nazis gekonnt lustig

Raketen – moderne Phallus-Symbole

Wie vielschichtig Raketen eingesetzt werden können, zeigen zwei Film-im-Film-Szenen: Die Funktionsfehler einer Rakete sind in "Asphalt-Cowboy" (1969) ein deutlicher Ausdruck für die fehlende Potenz eines Mannes beim Sex mit einem Mann. Ein Filmausschnitt mit bedrohlichen und zu vernichtenden Raketen in "Eh' die Fledermaus ihren Flug beendet" (1989) wirkt wie ein Vorverweis auf das Finale des Films, in dem ein Mann wegen des versuchten sexuellen Missbrauchs eines Jugendlichen getötet und damit ebenfalls vernichtet wird.

Unterschiedlich interpretierbar ist eine Szene bei den "Simpsons", wo es um die Frage geht, ob es rechtlich verboten ist, das Gefühl zu genießen, mit seinem Hintern auf der Spitze einer Rakete zu sitzen. In dem Dialog – "Das darf Ihnen nicht gefallen." Homer: "In welchem Gesetz steht das?" – kann eine Anspielung auf die frühere strafrechtliche Verfolgung von Analverkehr in diversen US-Bundesstaaten gesehen werden (Folge 19/19).


Ist es schön, mit seinem Hintern auf der Spitze einer Rakete zu sitzen? ("Die Simpsons", Folge 19/19)

Phallische Spielzeugraketen

Auch Spielzeugraketen können phallisch inszeniert werden. Der Aufklärungsfilm für Kinder "Augen auf, Peter!" (1961) zeigt den Jungen Peter, der vom sexuellen Missbrauch bedroht ist, mit seiner Spielzeugrakete, die phallisch wahrgenommen werden kann. Mit "Die Pfütze" (1961) gibt es diesen Film auch in einer anderen Fassung, in der der sexuelle Missbrauch tatsächlich stattfindet und am Ende die zerstörte Spielzeugrakete – als Ausdruck von Peters Ermordung – zu sehen ist.

Unterhaltsam ist dagegen der Kurzfilm "Mein Freund Rachid" (1998) inszeniert, wo die Phantasievorstellung des neunjährigen Eric, in der er gemeinsam mit seinem Freund Rachid auf einer Rakete in Form eines Penis davonfliegt, sogar visualisiert wird. Auch der kleine Junge in "A Silent Truth" (2012) träumt mit seiner Spielzeug-Rakete von einem Leben an einem anderen Ort. Wenn er dabei an seiner Rakete reibt, erinnert das weniger an das Reiben einer Wunderlampe, sondern eher an Onanieren.

In einigen Filmen werden Spielzeugraketen von erwachsenen Männern gezeigt, wie beim schwulen Smithers bei den "Simpsons" (Folge 9/19), der den von ihm geliebten Mr. Burns auf seine deutlich phallische Spielzeugrakete in seiner Hose aufmerksam macht. Um selbstgebaute und zum Abschuss (= Orgasmus) gebrachte Raketen geht es auch in der Auseinandersetzung zwischen Harry und seinem jüngeren, ebenfalls schwulen Bruder in "Harry & Max" (2004). Wie in "Flatmates" (2007), worin ein Erwachsener mit seiner Spielzeug-Rakete von der NASA und einem Space Shuttle fasziniert ist, geht es auch hier um den träumerischen Griff nach den Sternen, was eine Rakete ebenfalls symbolisiert.

Ironische Kriegsmetaphorik

In diversen Folgen der US-Serie "Queer as Folk" wird in ironisch-witziger Form Kriegsmetaphorik verwendet. Wenn Emmett beim Pornodreh in einem Armee-Setting von einem "Armeefeuer" spricht, meint er damit einen Orgasmus (Folge 2/8), womit seine "Schusswaffe" – in ähnlicher Form wie die Rakete in Folge 2/16 – zu einem Phallussymbol wird. In einer anderen Folge fährt Brian in leicht dechiffrierbarer symbolischer Bedeutung sein "Periskop" aus, "visiert" sein Gegenüber an und freut sich darauf, seinen "Torpedo abzufeuern" bzw. seinen "kleinen Soldaten" in die "Schlacht zu schicken" (Folge 3/5, s. a. Folge 4/6).


Brian hat einen attraktiven Mann im Visier ("Queer as Folk", Folge 3/5)

In einem unterhaltsamen Kontext wird in "Eating Out" (Teil 5, 2011) die Frage nach einem "Waffenstillstand" zwischen Fag Hags und Trans gestellt. In den weiteren Zusammenhang von Kriegsmetaphorik gehört auch die Äußerung in "No Regret. Im Schatten der Liebe" (2006) eines Freiers zu einem (sexuell aktiven) Stricher: "Schön wäre es (…), wenn deiner eine Kanone wäre. Und (…) wenn du in mir schießen würdest."

Kämpferische Kriegsmetaphorik

Auch bei dem Filmhistoriker Vito Russo ("Die schwule Traumfabrik", 1990) fällt ein häufiger Rückgriff auf Kriegsmetaphorik auf, der jedoch nicht humorvoll gemeint, sondern von seinen Erlebnissen seit den Siebzigerjahren geprägt ist. Für Russo setzte sich die "National Gay Task Force" im "Namen schwuler Rechte" für ein anderes Bild von Schwulen in den Medien ein und "gewann mehrere Schlachten" und er befürwortet es, wenn "jede Schlacht" in den Medien neue Diskussionen aufwirft (S. 177). Insbesondere HIV und Aids hätten die Gesellschaft und die schwulen Filme nachhaltig verändert und "wir befinden uns mitten in der Schlacht um diese Veränderungen" (S. 197). Filmemacher sollten keine Angst haben, einen provokanten und ehrlichen Film wie "Prick Up Your Ears" (1987) zu produzieren, auch wenn er als "Waffe gegen Millionen" von Schwulen eingesetzt werden könne (S. 213). Wenn sich Filme für Schwule einsetzten, sei dies manchmal mit der irrigen Annahme verbunden, dass Heterosexuelle etwas verlieren könnten, und nur darum "werden sofort die Schlachtlinien gezogen. Die Schlacht ist real" (S. 234).

Eine ernst gemeinte Kriegsmetaphorik findet sich im Filmtitel von "Zwischen allen Fronten" (1999), worin ein algerischer Soldat wegen seines Schwulseins von seinen Verwandten und wegen seines muslimischen Glaubens von französischen UNO-Soldaten gemieden wird. Der Filmtitel verbindet Krieg mit der gesellschaftlichen Situation von Schwulen und hätte (weniger kämpferisch) auch "Zwischen allen Stühlen" heißen können.

Befinden sich schwule Aktivisten eigentlich "im Krieg" mit der Gesellschaft? In einer Folge der US-Serie "Law & Order: Special Victims Unit" (Folge 7/5) sieht man einen Aktivisten der schwulen Bürgerwehr "Rainbow Army" mit einem T-Shirt mit dem Logo der Gruppe, das das Motiv des Regenbogens mit einem Schutzschild verbindet, wie man ihn aus früheren Kriegen kennt. In einer anderen Folge dieser Serie (Folge 2/21) wird ausdrücklich betont, dass sich Schwule "im Krieg" mit der Gesellschaft befänden.


Befinden wir uns "im Krieg" mit der Gesellschaft? Ein Schutzschild als Logo einer schwulen Bürgerwehr in "Law & Order: Special Victims Unit" (Folge 7/5)

Ein Raketenflug ist wie Drogen nehmen

Das Biopic "Rocketman" (2019) über die Lebensgeschichte von Elton John basiert auf dem Rocksong "Rocket Man" (1972) von Elton John und Bernie Taupin über einen Astronauten. Die Rakete lässt sich dabei nicht phallisch interpretieren. Die Liedzeile "And I'm gonna be high as a kite by then" (dt.: Und ich werde dann hoch wie ein Drachen sein) ist allerdings spannend, weil sie – passend zum Bild des Flugs mit der Rakete – offenbar den Zustand unter Drogen beschreibt (Wikipedia).

Pornos zur Kriegsmetaphorik – von der Deckung bis zur nackten Kanone

In vielen Schwulenpornos wird Leidenschaft für den Krieg vermittelt und die entsprechenden Waffen werden unterschiedlich deutlich phallisch präsentiert ("Passions of War", "Shore Leave"). Zusätzlich arbeiten die Cover mit unterschiedlichen Bildsymbolen und betonen mit Dog Tags das "Männliche" ("Grunts", "The Bombardier") oder mit einem roten Himmel ("The Surge Trilogy") bzw. Feuer ("Weekend Warrior") das Gefährliche der jeweiligen Situation. Es ist in Pornos nicht unüblich militärische "Männlichkeit" als sexuellen Fetisch umzusetzen, bei denen es um pseudomilitärische und fetischhafte Rollenspiele geht.

Die meisten aus dem militärischen Bereich stammenden Wortspiele sind selbsterklärend ("Die XXL Kompanie", "Bareback Manneuver") und greifen neben der Phallussymbolik von Waffen auch eine Penetrationssymbolik ("Volle Deckung", "Cock & Awe Twink Invasion") und Ejakulationssymbolik ("Friendly Fire", "Crossfire") auf. Es ist eine Ausnahme, dass sich ein Porno wie "Make Love Not War" für den Frieden einsetzt – visuell unterstützt durch das CND-Symbol der Friedensbewegung. Im weiteren Sinne können hier auch weitere selbsterklärende militärische Begriffe aus deutschen Pornotiteln genannt werden ("Nackte Kanonen", "Schwanzparade", "Winterappell"), auch wenn diese nicht in einem engeren militärischen Sinne gemeint sind.


Ejakulationssymbolik in "Friendly Fire". Kanonen werden zu Phalli wie Schwerter zu Pflugscharen: "Make Love Not War"

Aus den Siebzigerjahren stammt der Porno "In 80 Betten um die Welt" (1976), in dem eine Moderatorin für eine pornographische TV-Show die ganze Welt bereist, um unterschiedliche sexuelle Spielarten vorzustellen, wozu auch ein Schwuler mit einem Dildo gehört. Während man jedoch die heterosexuellen Handlungen in Nahaufnahme sieht, sieht man bei dem Schwulen fast nur sein Gesicht (das wie bei einem Orgasmus aussieht) und danach eine Rakete, die in den Himmel aufsteigt.

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